Call for Papers "Pop – Power – Positions"

3. IASPM D-A-CH-Tagung

Universität Bern, Institut für Musikwissenschaft
Hochschule der Künste Bern, Forschungsschwerpunkt Interpretation Praxispartner: Norient – Netzwerk für lokale und globale Sounds und Medienkultur

Bern (Schweiz), 18.-20. Oktober 2018

In Nigerias Hip-Hop-Kultur führt die Globalisierung des Popmarktes dazu, dass der bisher freie Umgang mit Samples zu verschwinden droht; zu gross der Druck, die international geltenden Copyright-Regelungen zu übernehmen. In Ägypten bleibt jungen MusikerInnen der Zugang zum Online-Musikmarkt verwehrt, weil sie keine Kreditkarte besitzen. In Europa setzen sich MigrantInnen der zweiten und dritten Generation in ihren Songs und Tracks mit den eigenen, oft nicht-europäischen Wurzeln und ihrer europäischen Identität auseinander, und in den USA wird zu- nehmend koreanische Pop-Musik (K-Pop) produziert, der mit dem in Südkorea produzierten K-Pop in Konkurrenz um eine authentische Präsentation tritt.

Fragen nach Macht, Position, Zugang und Repräsentation präg(t)en die Produkti- on, Distribution und Rezeption von populärer Musik gestern und heute. Die dreitä- gige interdisziplinäre Konferenz geht der Verankerung von populärer Musik in ei- ner global vernetzten Welt nach. Es sollen Gefahren, Herausforderungen und Po- tenziale rund um Machtverhältnisse, Positionierungen und (Re)Präsentationen in populärer Musik beleuchtet, aufgedeckt und kritisch hinterfragt werden. Dabei spielt postkoloniale Theorie und damit die Analyse globaler, postkolonialer Struk- turen eine zentrale Rolle. Musik im Allgemeinen und populäre Musik im Speziellen war bislang nur selten explizit Gegenstand postkolonialer Studien.

Postkolonialismus bezieht sich nicht nur auf die historischen Entwicklungen des Kolonialismus und seine politischen, geographischen, kulturellen und ökonomi- schen Folgen für die beteiligten Länder und Regionen, sondern umfasst vielmehr alle Aspekte kultureller Diversität, ethnischer und kultureller Differenz sowie die Problematisierung der damit verbundenen Machtverhältnisse. Kolonisierung ebenso wie Postkolonialismus verweisen auf Hierarchisierungen, die durch eine Konstruktion des „Anderen“ stattfinden und diskutable Repräsentationskonzepte wie Gender, Rassenvorstellungen, Ethnie, Nation, Schicht/Klasse und Kultur her- vorbringen und aufrechterhalten. In diesem Sinne sind die Auswirkungen von (Post-)Kolonialismus nicht nur in ehemals kolonialisierten und kolonisierenden Ländern und Regionen zu entdecken, sondern auch in Ländern und Regionen, die auf den ersten Blick keine koloniale Vergangenheit haben, wie etwa der Schweiz.

Populäre Musik war und ist von Anfang an in und mit (post)kolonialen (Macht-) Strukturen geschaffen und aufgeführt worden. Postkoloniale Spuren sind, so argumentiert Johannes Ismaiel-Wendt, jeglicher populärer Musik inhärent (2011). Wie aktuelle Produktionen von populärer Musik aus verschiedenen Ländern zeigen, bestehen (post)koloniale Bedingungen gerade in der global vernetzten Welt weiterhin, und MusikerInnen sowie Rezipierende reagieren in unterschiedlicher Art darauf.

 

Der Fokus der Konferenz liegt auf Beiträgen, in denen (globale) Machtverhältnisse und Repräsentationsstrukturen rund um Rassenvorstellungen, kulturelle Differenz, Ethnizität, Gender, Schicht/Klasse und Nation sowie deren Veränderungen und Un- terwanderungen untersucht werden. Ethnographische und analytische Studien zu populärer Musik in und aus ehemals/noch kolonialisierten Ländern und Regionen sind ebenso willkommen. Folgende Themenkomplexen und Fragen sollen in der Konferenz thematisiert werden:

POWER

Wer spricht in der populären Musik? Welche Machtverhältnisse prägen Produktion, Distribution und Rezeption von populärer Musik? Welche Auswirkun- gen hat das anglophone Musikbusiness auf andere Musikmärkte? Wer spricht wie über populäre Musik zwischen Marketing, Werbung, Journalismus, Fankulturen, (globaler) Politik und Bildungsinstitutionen? - Haben Digitalisierung und digitale Vernetzung zu einer Demokratisierung des Musikprozesses geführt oder ist das Gegenteil der Fall? - In welchen Kontexten werden welche Sounds und Musik(en) von wem wie verarbeitet, und mit welchem Ziel? Inwiefern verweist die Verwendung be- stimmter Sounds/Musik(en) auf bestehende Machtverhältnisse, Abhängigkeiten und Verfügbarkeit?

PLACE

Welche Rolle spielen Geographie und Geopolitik im populären Musikschaffen? Wie hängen Geographie, Weltordnung und Machtstrukturen zusammen? - Inwiefern kann populäre Musik jenseits kultureller, ethnischer und nationaler Geographien existieren? Welche Rolle spielt das Verhältnis zwischen dem globalen Norden und dem globalen Süden in der populären Musik?

POSITIONS

Inwiefern schränken Macht- und Verteilungsstrukturen den Zugang zu Produktion und Rezeption von populärer Musik ein? - Welche Relevanz, Anwendbarkeit und Auswirkungen haben in „westlichen“ Kontexten entwickelte und global verbreitete Technologien (wie etwa Digital Audio Workstations) oder Rechtsbestimmungen (wie etwa das Urheberrecht) für und auf populäre Musikformen? Inwiefern werden darin (post)koloniale Strukturen und Machtverhältnisse (re)produziert? - Auf welche Repräsentationen greifen MusikerInnen im Zuge ihrer Vermarktung zurück bzw. wird Musik zugeschrieben?

POSTCOLONIALISM

Welche Potenziale hat populäre Musik, koloniale und postkoloniale Machtstrukturen aufzuzeigen und zu verändern (oder auch zu verfestigen)? - Inwiefern können postkoloniale Theorien für ein aktuelles Verständnis von populärer Musik nutzbar gemacht werden? - Wie verarbeiten MusikerInnen der verschiedenen Formen von populärer Musik „(post)koloniales Welterleben“ (Ismaiel-Wendt) in ihrer Musik?

POPULAR MUSIC STUDIES

Wie marginalisiert ist (bestimmte) populäre Musik innerhalb der Geschichte der populären Musik? - Sollen oder können wir eine Global History of Popular Music schreiben? - Inwiefern ist das Konzept einer „populären Musik“ selbst (post)kolonial? - Welche Hierarchien, Unausgewogenheiten oder Befangenheiten gibt es inner- halb der inter-/transnationalen Popular Music Studies? 

  1. Keynote: Dr. Jenny Fatou Mbaye (City University London)

    Beiträge zu neuer und aktueller Forschung zu Popular Music abseits des Konferenzthemas sind willkommen und werden im Rahmen der Möglichkeiten berücksichtigt.

    Die Tagung richtet sich an Forschende der Popular Music Studies aus Disziplinen wie Musikwissenschaft, Musikethnologie, Anthropologie, Cultural Studies, Geschichte, Global Studies, Medien- und Kommunikationswissenschaften, Kulturwissenschaften, Postcolonial Studies oder Soziologie. Die Mitgliedschaft in der IASPM bzw. einem ihrer Branches ist für die Einreichung eines Panels oder Bei- trags erforderlich (Infos zur Mitgliedschaft unter iaspm-dach.net).

    Beiträge können in Deutsch und Englisch eingereicht werden. Vorschläge für Panels mit drei Präsentationen zu einem gemeinsamen Thema (60 Minuten + 30 Mi- nuten Diskussion) oder für einzelne Redebeiträge (20 Minuten + 10 Minuten Diskussion) sollen ausser dem Titel ein 250 Wörter umfassendes Abstract enthalten, fünf Stichworte, die den geplanten Beitrag inhaltlich konkretisieren, sowie Name, ggfs. akademische Anbindung und kurze Bionote (ein bis zwei Sätze) der Bewer- berIn inklusive Kontaktinformationen.

    Die Vorschläge sind bis zum 28.02.2018 per E-Mail zu schicken an: daniel.allenbach@hkb.bfh.ch