Museumskoffer für Weimar im Schillerjahr 2005

  • Performance mit Museumskoffern in Weimar (Juli 2005)

Schrift im 18. Jahrhundert
Annika Jäger
Kontakt: Annika Jäger
E-Mail: jaeger_annika[at]gmx.de

Mit Hilfe dieser Arbeit sollen Kinder der Grundschule künstlerisch sowie spielerisch an Themen herangeführt werden, die sich unter anderem auf historischen Größen wie Goethe und Schiller beziehen.
 
Der Koffer enthält mehrere Zugänge, die es ermöglichen die Kinder leicht für ein doch so umfangreiches Fachgebiet zu begeistern. Zum einen enthält der Koffer Briefe und Gedichte von Goethe und Theateraufzeichnungen von Schiller. Zum anderen können die Kinder mit Hilfe von Tinte, Papier und Feder selbst einmal ausprobieren, wie schwer es war im 18. Jahrhundert Gedanken zu Papier zu bringen. Außerdem können sie einmal ausprobieren wie man mit Zitronensäure geheime Nachrichten versendet und entschlüsselt.
In einer Zeit von etwa vier Monaten entstand mit Hilfe von vielen fleißigen Händen und Unterstützung vom „Goethe-Schiller-Archiv“ in Weimar eine Arbeit, die künstlerisches Gestalten mit didaktischen Methoden vereinigt.

Herr Goethe, lehrt mich Bewusstsein-Sammeln! 
Goethes Sammeln mit einem Museumskoffer nachvollziehen und produktiv ergänzen. 
Kulturhistorische Inhalte des Koffers

  • Goethezeit als kulturhistorischer Wendpunkt in der Geschichte des Sammelns
  • Motivation und Funktion von Goethes Sammlungen. Goethe als »Augenmensch«.
  • Die Ordnung von Goethes Sammlungen


  
Weiterführung

  • Forschungen zu Sammel-Konzepten in der zeitgenössischen Kunst
  • Sammlungen zu individuellen Themen als Ausgang zu eine ästhetischen Forschung


 
Verwendung des Koffers im Unterricht

  • Auseinandersetzung mit der Kulturgeschichte des Sammelns
  • Konstruktion einer Reisesammlung als pars pro toto zu Goethes Sammlung
  • Fächerübergreifendes Projekt: Produktive Konkretisationen und visuelles Percept zu Goethes Italienreise.

Zielgruppe: Sekundarstufe I 
Der Zeitrahmen ist je nach Schwerpunktsetzung unterschiedlich zu wählen. Um einen umfassenden Einblick in die Zeit Goethes zu bekommen, sollte sich das Thema mindestens sechs, wenn nicht mehr Unterrichtsstunden umfassen. 
 
Im Koffer selbst befinden sich unterschiedlichste Gegenstände, um in die Natur bzw. in das Naturgefühl der damaligen Zeit einzuführen. Ausgehend von Johann Wolfgang Goethes »Osterspaziergang« (im Koffer befinden sich Scherenschnitte von Goethe und seinen Zeitgenossen, ein Exemplar von Faust, Aquarelle von Frühblühern, Goethes erarbeitete Farbtheorien etc.) bekommt der Schüler zunächst einen Einblick in die damalige Wahrnehmung der Natur. Dies wird ergänzend veranschaulicht durch unterschiedliche Gesteine und farblich variierte Erden aus der Weimarer Umgebung. Die Farbskala der Erden erstreckt sich über ein tief dunkles braun (Humus) bis hin zu hellem Ocker (Erde mit hohem Sandanteil).
Ein Wanderhut, Wanderstock und Wanderproviant, verstaut in einem kleinen Säckchen, können Anlass für eine kleine Inszenierung sein. Ein präpariertes Eichhörnchen wird wahrscheinlich zunächst alle Blicke auf sich ziehen. Ob und inwiefern es akzeptiert wird, kann innerhalb der Klasse diskutiert werden. 


Bezug zum kulturellen Erbe/ UNESCO
Goethes Gedicht »Osterspaziergang« (Faust) war der Ausgangspunkt der Erstellung des Koffers. Im Gedicht selbst dringen Groß und Klein ins Freie, um dem Schauspiel der erwachenden Natur beizuwohnen. Goethe selbst unternahm in Weimar und Umgebung ausgiebige Spaziergänge und erkundete neben dem Farbspiel der Natur auch Flora und Fauna. Er legte seiner Zeit eine Mineraliensammlung an, wie sie ähnlich auch im Koffer zu sehen ist. Goethe gilt einer der Hauptvertreter der »Weimarer Klassik«, welche im Dezember 1998 in die Liste des UNESCO-Weltkulturerbes aufgenommen wurde. Ferner können auch Bezüge zum naturellen Erbe gezogen werden. 


Interdisziplinäre Bezüge
In Zusammenarbeit mit dem Biologieunterricht können Gräser/Farne/Blumen/Blätter etc. gesammelt und ein Herbarium angelegt werden. Dieses kann Grundlage für die Erarbeitung von zeichnerischen Studien bzw. Aquarellen sein. Durch eine Exkursion »ins Grüne« werden vor allem Stadtkinder für dieses Thema sensibilisiert. Auch eine Zusammenarbeit mit dem Deutschunterricht ist vorstellbar. So kann der Osterspaziergang bzw. Goethes Faust zeitgleich in Deutsch behandelt werden. (Empfehlenswert aber erst ab der 9./10. Klassenstufe, da die Erarbeitung des Fauststoffes sehr komplex ist.) 


Hinweise zur Präsentation/Inszenierung
In einer niedrigen Klassenstufe haben die Schüler wahrscheinlich Spaß daran, sich den Hut aufzusetzen, den Wanderstock zu nehmen und eine eventuelle Szene »Im Freien« zu inszenieren. Hier kann der Wanderproviant zum Einsatz gebracht werden. (Kleines Säckchen, das damals mit einem Stock über der Schulter getragen wurde und welches sich zu einer Picknickdecke umfunktionieren lies. In diesem Säckchen befand sich die Tagesration eines Wanderers, so die Tradition bis ins 19. Jahrhundert.) Klassenspezifische Unterschiede können in diesem Zusammenhang diskutiert und szenisch umgesetzt werden. Dem Picknick im Freien kann ein eleganter Teetisch (z.B. Teestunde bei Herzogin Anna Amalia) entgegengestellt werden. 


Besondere Vorstellung eines Objektes aus dem Koffer
Das Eichhörnchen ist zweifelsohne der »Eyecatcher« des Koffers. Die unterschiedlichsten Gesteine sollten auch zur Sprache gebracht werden, um den Schülern die Farbenpracht der Natur vorzustellen, welches als Ausgangspunk für die Einführung in die Farblehre, und speziell Goethes Farblehre, genutzt werden kann. (Im Weimarer Kontext können zudem Goethes Farbtafeln im Vergleich zu Ittens Farbkreis diskutiert werden.) Die Einführung in bzw. die Erweiterung der Farbtheorien soll in diesem Zusammenhang Ausgangspunkt für die selbstständige Herstellung von Naturfarben und deren Einsatz im Kunstunterricht sein.

Thema
Der belgische Künstler, Gestalter und Architekt Henry van de Velde (1863-1957) zählt zu den bedeutendsten Persönlichkeiten des Jugendstils. Er arbeitete in vielen europäischen Metropolen und wird als Mitbegründern der „Moderne“ bezeichnet. Eine seiner wichtigsten Wirkungsstätten war die Residenzstadt Weimar. Im Jahr 1902 durch Harry Graf Kessler nach Weimar geholt, gestaltete er hier – als glühender Nietzsche-Verehrer – das Nietzsche-Archiv, erbaute unter anderem das Wohnhaus „Haus Hohe Pappeln“ und die Großherzogliche Kunstgewerbeschule, die er als Direktor leitete. Henry van de Velde war es auch, der 1915 den damals noch unbekannten Walter Gropius als seinen Nachfolger in der Direktion der Kunstgewerbeschule vorschlug und dadurch den Grundstein für das spätere Bauhaus legte. 
Das Leben und Werk des Belgiers ist fest mit der Geschichte der Stadt Weimar verbunden. Die Person bietet daher einerseits Anlass sich anhand eines lebendigen Schicksals mit der Stadtgeschichte Weimars von der Jahrhundertwende bis zum ersten Weltkrieg und andererseits mit der Epoche des Jugendstils und van de Veldes künstlerischen Werk auseinanderzusetzen. 
 
Umsetzung
Eine Biografieschachtel, ein Museumskoffer und eine Informationskiste bieten drei unterschiedliche Zugänge zu der Thematik. 


Biografieschachtel
Eine alte, auf dem Flohmarkt gekaufte Hutschachtel wurde mit altertümlichen, leicht parfümierten Stoffservietten ausgelegt. Als weitere Gegenstände kamen - ebenfalls auf dem Flohmarkt erstandene - Jugendstilpostkarten und Portrait-Fotografien aus der wilhelminischen Zeit in die Schachtel. Neben den Originalen sind überdies noch aus Büchern Fotografien von Henry van de Velde, seiner Familie, seinen Freunden und seines Privathauses eingescannt, auf dickerem Papier ausgedruckt und mit einem Kaffeebad und anderen kleinen Tricks auf antik getrimmt, in die Hutschachtel hineingelegt worden. Außerdem fanden noch Accessoires wie ein zerbrochener Spiegel, ein handgeschriebener Brief, eine Zigarrendose und in einem Döschen befindliche belgische Pralinen in der Schachtel Platz.
Öffnet ein Kind/Jugendlicher die Biografieschachtel, nimmt es den Menschen Henry van de Velde wahr. Nicht die abstrakte, überhöhte Künstlerpersönlichkeit, sondern der Familienvater, Ehemann und Freund soll vorgestellt werden. Mit allen Sinnen kann die Alte Zeit gerochen, geschmeckt, gefühlt und gesehen werden. Zur Hutschachtel kann eine kleine Geschichte erzählt werden. Es könnte sich bei der Schachtel etwa um ein Gepäckstück handeln, das die van de Veldes irgendwo am Bahnhof vergessen haben und das dann von einem Mädchen gefunden wurde …. 
Die Biografieschachtel vermittelt einen ersten Zugang zur Lebenssituation und zum Werdegang des Künstlers. Jeder, der den Inhalt der Schachtel betrachtet, wird beispielsweise herausfinden, dass Henry van de Velde verheiratet war, in unterschiedlich Städten lebte und wirkte, aus Belgien stammt, aus einer gehobenen Gesellschaftsschicht kommt u.v.m. 


Museumskoffer
Der Museumskoffer steht für das künstlerische Werk Henry van de Veldes und stellt die Kunstrichtung Jugendstil vor. Zunächst wurde ein Lederkoffer (Flohmarkt) - um den Eindruck eines abgegriffenen Gepäckstücks zu erzeugen - mit einer Mischung aus Körperlotion, Kaffee und Milch eingerieben. Die vorher stumpfe Kofferoberfläche ist dadurch glatt und glänzend geworden und hat einen ganz neuen Charakter bekommen.
Für den Kofferinhalt sind Gebäudeentwürfe van de Veldes nachgezeichnet und eingescannt und durch ein Kaffeebad zu vermeintlich alten Dokumenten gemacht worden. Auch Fotos, die beispielsweise von van de Velde entworfenes Besteck oder Möbel zeigen, sind mit gleicher Technik zu antiken Fundstücken geworden. Eine mit einem Jugendstilmotiv bemalte Fliese und Bücher mit Jugendstileinbänden zeigen weitere Gestaltungsformen der Epoche. Darüber hinaus gehören Bleistifte, Pinsel und Notizen des Künstlers zum weiteren Inventar. 
Klappt ein Schüler den Deckel des Koffers auf, eröffnet sich ihm einerseits - durch die Skizzen und Notizen – der lebendige künstlerische Schaffensprozess, andererseits werden ihm aber auch die Ornamente und Formen des Jugendstils vertraut gemacht. Es soll deutlich werden, wie stark eine Stilrichtung auch die Gestaltung von Alltagsgegenständen beeinflusst hat. Keiner der Gegenstände ist neu gekauft und lässt sich mit einem Blick erschließen. Alles muss/soll zuerst genau angeschaut und ertastet werden, bevor es sein Geheimnis verrät.
Auch beim Museumskoffer ist besonders wichtig, dass alle Objekte eine hohe Authentizität besitzen. 


Informationskiste
Eine einfache Holzkiste, die zunächst mit Schmirgelpapier abgerieben, mit dunklem Öl gebeizt und dann mit goldenen Jugendstilornamenten bemalt wurde, vermittelt zunächst den Eindruck, ein Original aus der Zeit um die Jahrhundertwende zu sein. Wird die Kiste geöffnet, findet sich - in schönem, altem Samt gebettet - ein Sammelsurium aus neuen und alten Büchern, Zeitschriften und einzelnen Artikeln zu Henry van de Velde/Weimar/Jugendstil. Die Oberfläche der Holzkiste wirkt wertvoll. Es scheint als berge die Kiste ein Rätsel. Schon die äußere Wirkung soll das Gefühl geben, es lohne sich mal reinzuschauen. Der Inhalt ist nicht streng geordnet, sondern erscheint fast wie zufällig reingelegt. Die Bücher können durchgeblättert und angeschaut werden und geben Anlass, sich auch für das geschrieben Wort zu interessieren und selbst etwas herauszufinden. 


Anregung für weitere Arbeitsaufträge in der Schule
Die Biografieschachtel, der Museumskoffer und die Informationskiste ermöglichen eine erste Annäherung an das Thema Henry van de Velde/Jugendstil. Aus ihrem Inhalt können unterschiedliche praktische Aspekte für den Unterricht herausgegriffen und im Unterricht umgesetzt werden. Hier einige Beispiele:

  • Eigene Jugendstilornamente entwickeln und diese dann zur Gestaltung von Alltagsgegenständen verwenden (z.B. Vasen, Fliesen oder Tücher)
    [Hierfür können „einfache Materialien“, wie Fimo, Window-Colour oder Seidenmalerei-Farbe verwendet werden.]
  • Architekturentwürfe im Jugendstil zeichnen
  • Ein Jugendstilinterieur entwerfen und umsetzen (z.B. indem man mit der Klasse Tapeten selbst bedruckt)
  • Den Jugendstil weiterentwickeln und eine eigene neue bessere Stilrichtung mit eigenen Formen/Ornamenten kreieren

Johann Wolfgang von Goethe, Zur Gedichtsammlung "West-östlicher Diwan" (1819-1827) 


Wer sich selbst und andere kennt,
Wird auch hier erkennen:
Orient und Okzident
Sind nicht mehr zu trennen.
 

Das Konzept geht auf historische Recherchen zurück, um 1924 entwarfen Konditoren in Weimar moderne Designs für Torten im Bauhaus-Stil. 
  
Die Entwürfe sind auf Schachteln und Kisten mit Pappmaché aufgebaut. 

Der Koffer illustriert durch verschiedene authentisch wirkende Objekte die Biographie Werthers. 

Schmuck, Kleidungsstücke und Liebesbriefe veranschaulichen die Biographie von Christiane Vulpius. 

Der Koffer führt mit Versuchsanleitungen zur Chemie im 18. Jahrhundert und biographischen Kleidungsstücken in dieses Werk Goethes und seine Protagonisten ein. 

In diesem Koffer werden die historischen Kontexte, die kulturellen Projektionen und Bühnentraditionen zur Gestalt des Gretchens dargestellt. 

Ausgehend von der Italienbegeisterung der 50ger Jahre des vergangenen Jahrhunderts werden charakteristische Objekte zur Italiensehnsucht der Klassik vorgestellt. 

Die Biographie der Herzogin und ihre kulturellen Neigungen werden anhand kleiner Objekte in den Schubladen versinnbildlicht. 

Zahlreiche Objekte und Anleitungen geben Anregungen zu alten Kinderspielen. 

(Entwerfen, Pläne umsetzen und Modelle bauen)