Strategien der Pazifizierung religiöser Geltungsansprüche

Gegenwärtig findet eine Diskussion darüber statt, inwieweit nicht nur religionsextern-soziale Faktoren für das Gewaltförmigwerden religiöser Traditionen verantwortlich sind, sondern vorrangig religionsinterne Dispositionen. Im Vordergrund steht die Behauptung, dass als unbedingt geltend gemachte Wahrheitsansprüche sich als gegen konkurrierende Wahrheitsansprüche gerichtet verstehen müssen und deren Delegitimation betreiben, dass sie damit auch eine politisch-gesellschaftliche Dynamik entwickeln können, konkurrierenden Glaubensgemeinschaften das Existenzrecht gewaltsam streitig zu machen. In monotheistischen Religionen sind aber auch Strategien entwickelt worden, eigene Glaubensüberzeugungen nicht als gegen andere Religionssysteme gerichtet auszuformulieren, sondern sich aus religionsinternen Gründen positiv auf deren religiöse Geltungsansprüche zu beziehen. Das Forschungsprojekt hat solche Strategien nachgezeichnet und evaluiert.

Gegenstand der Untersuchungen waren religiöse Selbstthematisierungsmodelle in Christentum und Islam, die es ermöglichen,

  1. die eigenen normativen Geltungen als Wahrheitsansprüche auszuformulieren, so dass auch die Weigerung „der Anderen“, die eigenen Geltungsansprüche vorbehaltlos anzuerkennen, wiederum aus innertheologischen Gründen hingenommen werden kann;
  2. die religionsinterne Vergewisserungsdynamik soweit zu kontrollieren, dass sie sich nicht gewaltförmig gegen als Verunsicherung wahrgenommene Tendenzen und Einflüsse wehren muss.

Untersucht wurden Strategien einer komparativen Religionstheologie sowie theologische Versuche in Islam und Christentum, Erschütterungen und Relativierungen der religionsinternen Vergewisserung produktiv zu verarbeiten. Zu prüfen war, inwieweit solche Modelle die gegenwärtige Kritik am Gewaltpotential monotheistischer Religionen relativieren können und inwieweit sie auf Grund einer nachvollziehbaren binnentheologischen Legitimation geeignet sind, das Selbstverständnis der jeweiligen religiösen Traditionen mitzubestimmen. Die Erarbeitung dieser Studien erfolgte vernetzt.

Literatur:

Jürgen Werbick/ Muhammad Sven Kalisch/ Klaus von Stosch (Hg.), Verwundete Gewissheit. Strategien zum Umgang mit Verunsicherung in Islam und Christentum, Paderborn u.a. 2010 (Beiträge zur Komparativen Theologie; 1).

Jürgen Werbick/ Muhammed Sven Kalisch/ Klaus von Stosch (Hg.), Glaubensgewissheit und Gewalt. Eschatologische Erkundungen in Islam und Christentum, Paderborn u.a. 2011 (Beiträge zur Komparativen Theologie; 3).

Jürgen Werbick (Hg.), Sühne, Martyrium und Erlösung? Opfergedanke und Glaubensgewissheit in Judentum, Christentum und Islam, Paderborn u.a. 2013 (Beiträge zur Komparativen Theologie; 9).