Podiumsdiskussion über die neuen Gesichter des Islam in Frankreich und der Frankophonie, 01.06.2023

Re-visualizing Islam: Genre, identité et pouvoir dans l’espace francophone (Veranstaltung in französischer Sprache)

Das Podium im Literaturhaus Halle versammelt einige der wichtigsten Namen in der Erforschung des Islam im postkolonialen frankophonen Raum: Die Soziologinnen und Feministinnen Malika Hamidi und Maryam Kolly sowie der Romanist Resul Karaca werden ihre neuen Bücher vorstellen.

Malika Hamidi ist seit einigen Jahren eine der wichtigsten Stimmen im muslimischen Feminismus im frankophonen Raum. In ihrem Buch La Révolution des féminismes musulmans (Peter Lang, 2023) greift sie ein Thema auf, das im Westen wie in der muslimischen Welt unbestreitbar politisch ist: die Politisierung des Körpers muslimischer Frauen im öffentlichen Raum – ein wahres Schlachtfeld in Krisenzeiten und insbesondere im aktuellen Kontext, in dem Ethnizität und Religiosität eine Renaissance erfahren. Vor diesem Hintergrund entsteht ein neues Profil von Frauen, die sowohl Feministinnen als auch Musliminnen sind und deren Rhetorik beunruhigen mag, dennoch inklusiv ist. Sie fechten sowohl einen patriarchalen islamischen Diskurs über Frauen als auch die Normativität eines dominanten westlichen feministischen Denkens, das sie bevormundet, an. Das Buch veranschaulicht den Übergang der muslimischen Frauen, die sich in dieser stillen Revolution Anfang der 1990er Jahre engagierten: von der theoretischen Ausarbeitung zum feministischen Handeln. In diesem Kontext der Selbstbehauptung des muslimischen Feminismus im Westen eigneten sich diese Frauen die konzeptuellen Instrumente der Gender Studies an und stellten ausgehend von postkolonialen Theorien die politische Frage der Herrschaftsverhältnisse.

Maryam Kolly ist Soziologin an der Universität Saint-Louis in Brüssel und Spezialistin in der Erforschung postkolonialer marginalisierten Weiblichkeiten und Männlichkeiten. Sie hat ebenfalls eine langjährige Erfahrung im Bereich der sozialen Jugendarbeit. In ihrem Sammelband HERstory (La lettre volée, 2023) hat sie die Erzählungen von Minderheitenfeministinnen in Europa versammelt. Mit Hilfe von Autoethnographien von Schwesternschaft verfolgt das Buch ein Ziel: die Geschichte aus der Perspektive der Beherrschten neu zu schreiben und dabei die Bedeutung von Bildern zu betonen. Das Ikonische wird zum zentralen Instrument in der Entwicklung neuer Narrative von Identität, Zugehörigkeit und Macht. Die Journalistinnen, Kulturschaffenden, Forscherinnen und Aktivistinnen, die in diesem Buch zur Stimme kommen, sind hier die Anstifterinnen einer intersektionalen und dekolonialen HERstory.

Resul Karaca forscht und lehrt im Bereich der romanischen Literatur- und Kulturwissenschaften. In seinem Buch Constructions de l‘islam (L’Harmattan, 2023) befasst er sich mit einer besonders kritischen Phase in den französischen Debatten über den Platz des Islam in der Republik. 2009 und 2010 wurden die französischen Bürgerinnen und Bürger vom damaligen Präsidenten Nicolas Sarkozy aufgefordert, an einer „großen Debatte über die nationale Identität“ teilzunehmen. Themen über die Stellung der Muslime und des Islam in Frankreich waren dabei allgegenwärtig. Ausgehend von dieser Debatte geht das Buch der Frage nach, ob Musliminnen und Muslime in Frankreich neue Mittler der nationalen Identität sind. Dabei eröffnet es eine komplett neue Perspektive auf die zeitgenössische Geschichte des Islam in Frankreich.

Moderation: Dimitri Almeida, Juniorprofessor für Inter- und Transkulturelle Studien an der Universität Halle-Wittenberg und Spezialist für Religionen und Laizität in Frankreich.