Resul Karaca referiert zu: „Junge Muslime in Frankreich“
Am Dienstagabend, dem 8. November 2016 präsentierte der Doktorand und wissenschaftliche Mitarbeiter der Universität Paderborn Resul Karaca seinen Vortrag ‚Junge Muslime in Frankreich‘. Die deutsch-französische Gesellschaft Paderborn freut sich über diese gute Kooperation mit der Uni Paderborn.
Karacas leitende Frage war: Inwiefern hat sich die Situation der Muslime in Frankreich verändert?
Die Zahl der Muslime in Frankreich ist unklar, da es in dem laizistischen Land keine Religionsstatistik gibt; man schätzt eine Zahl zwischen 3-5 Mio. 2012 betonte Manuel Valls (damaliger Innenminister) ähnlich wie Angela Merkel, dass der Islam seinen Platz in Frankreich hat. Es gibt nicht DEN Muslim, sondern es existieren die verschiedensten Glaubensrichtungen mit z.T. unterschiedlichen Sprachen, was die Kooperation nicht unbedingt einfach macht.
Karaca gab einen geschichtlichen Überblick über die Entwicklung des Islam in Frankreich: In den Jahren 1960 bis 1974 wurden Einwanderer angeworben, die nicht planten, auf Dauer in Frankreich zu bleiben. Erst 1974, als keine Einwanderung mehr möglich war, sondern nur noch der Familiennachzug, wurde der Islam zum Politikum. Es tauchten neue Fragen, wie z.B. Kopftuch in der Öffentlichkeit?, Religionsunterricht? Bau von Moscheen? etc., auf.
Der rassistische Front National erlebte einen Aufschwung; Diskriminierung und Ausgrenzung traten zutage.
Erst 1983 mit dem friedlichen ‚Marche pour l’égalité et contre le racisme‘ (dem Marsch für Gleichheit und gegen Rassismus) von Marseille nach Paris wurden die Muslime ernst genommen.
2005 kam es zu schweren Unruhen in den sog. ‚Banlieues‘(Vorstädten) von Paris. Ursprünglich waren diese Stadtviertel als moderne Bauten gedacht; inzwischen waren aber hier im Zuge der Familienzusammenführung fast nur Einwanderer untergebracht, die von Armut und Arbeitslosigkeit betroffen waren. Dass v.a. Autos angezündet wurden, war ein Zeichen für den Frust über den nicht erreichten Wohlstand. In den Banlieues herrscht auch heute noch eine Jugendarbeitslosigkeit von bis zu 40%. Karaca spricht deutlich von einer gescheiterten Integration.
Seit 2011 wird eine fortschreitende Radikalisierung von jungen Muslimen in den Banlieues beobachtet. Motive sieht Karaca in dem Gefühl der Ausgrenzung von der Gesellschaft, in der Suche nach Halt und Lebenssinn, im mangelnden Vertrauen zum Staat, der ihre Erwartungen enttäuscht hat. Der Islam ist für die Jugendlichen eine Art Ersatz-Identität. Aus einer ‚Banlieue‘ zu kommen und arabisch zu sein macht es fast unmöglich, einen Arbeits- oder Ausbildungsplatz zu finden. Die Folge kann das Abgleiten in die Kriminalität sein. Gefängnisse sind häufig der Ort der Radikalisierung, nicht die Moscheen, wie Karaca betont.
Karaca sieht v.a. die Muslime Frankreichs in der Pflicht, sich für Frankreich verantwortlich zu fühlen und Humanität und Menschenwürde in den Mittelpunkt zu stellen.
An diesem Abend wurde aber auch betont, dass auch der französische Staat gefordert ist, die Situation der Jugendlichen in den Banlieues zu verbessern und dass dies weit wichtiger ist als eine Diskussion über Burka und Burkini.