Systematische Theologie ist Artikulation des christlichen Glaubens und Rechenschaft für den christlichen Glauben unter den Bedingungen der Gegenwart: Sie zielt darauf, zur Sprache zu bringen, worin die Inhalte christlichen Glaubens bestehen (Artikulation). Sie stellt aber nicht lediglich ein Inventar des christlichen Glaubens zusammen, sondern tritt gleichzeitig für die Glaubwürdigkeit des Glaubens ein (Rechenschaft). Systematisch-theologische Forschung und Lehre lässt sich drei Schwerpunkten zuordnen: Dogmatik, Ethik und Religionsphilosophie. Dogmatik bedenkt die zentralen Inhalte des christlichen Glaubens wie z.B. die Lehre von Gott (Gotteslehre), die Lehre vom Menschen vor Gott (theologische Anthropologie) oder die Lehre von der Kirche (Ekklesiologie). Ethik fragt nach den Kriterien und den Bedingungen der Möglichkeit (moralisch) guten Handelns sowohl auf einer grundsätzlichen Ebene als auch mit Blick auf bestimmte Bereiche individuellen und gesellschaftlichen Handelns (z.B. Medizinethik). Religionsphilosophie im Rahmen von Theologie stellt einen Dialog her zwischen solchen Perspektiven auf Mensch, Welt und Gott, die religiösem Glauben verbunden sind, und solchen Perspektiven auf Mensch, Welt und Gott, die religiösem Glauben nur bedingt oder gar nicht verbunden sind. Themen der Religionsphilosophie sind z.B. die Frage nach dem Verhältnis von Vernunft und Glaube und die Frage nach dem Wesen religiöser Erfahrung.

Systematische Theologie ist Artikulation des christlichen Glaubens und Rechenschaft für den christlichen Glauben unter den Bedingungen der Gegenwart. Systematisch-theologisches Nachdenken ist immer auf bibelwissenschaftliche, kirchen- und  theologiegeschichtliche und praktisch-theologische Aufgaben und Fragen bezogen, sie hat aber ein eigenes Profil und hat eine eigene Forschungskultur herausgebildet. Der sichtbare Ausdruck systematisch-theologischer Forschungskultur ist die systematisch-theologische Forschungsliteratur. Auch wenn die Grenzen zwischen den theologischen Disziplinen durchlässig sind, gibt es doch bestimmte Fragen und Themen, die typischerweise in systematisch-theologischer Forschungsliteratur verhandelt werden. Einen guten Eindruck in die Art dieser Fragen und Themen geben z.B. die Inhaltsverzeichnisse der Lehrbücher “Dogmatik” [1] und “Ethik” [2] Wilfried Härles und demnächst das “Handbuch Religionsphilosophie” [3] von Heiko Schulz (u.a.). Systematische Theologie ist Nachdenken über diese Fragen im Wissen um die stattgehabten und aktuell geführten systematisch-theologischen Diskussionen dieser jeweiligen Fragen. Die Themen der Systematischen Theologie werden in allen theologischen Disziplinen im Horizont der jeweiligen disziplinären Schwerpunkte verhandelt. Ein Beispiel: Die Frage nach Gott, d.h. die Frage nach der Existenz Gottes und nach dem Wesen Gottes, spielt in allen theologischen Disziplinen eine Rolle. Aber nicht jede Thematisierung der Frage nach Gott ist systematisch-theologisch. Systematisch-theologisch ist die Diskussion der Frage nach Gott dann, wenn sie unter Berücksichtigung einschlägiger systematisch-theologischer Forschungsbeiträge geführt wird. So kann gesichert werden, dass nicht jede Theologin oder jeder Theologe immer wieder von vorne anfängt, so als hätte noch nie jemand über die jeweils diskutierten Fragen nachgedacht. Vielmehr kann sich jede Forschung selbst als Teil eines unendlichen und konzentrierten gemeinsamen Ringens um die besten Beschreibungen und die besten Argumente begreifen und unter den Bedingungen der Gegenwart den christlichen Glauben artikulieren und Rechenschaft für ihn ablegen.

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[1] Heiko Schulz/Knut Wenzel/Christian Wiese (Hgg.), Handbuch Religionsphilosophie. Geschichte – Konzepte – Kontroversen, Stuttgart 2019 (im Druck). 

[2] Härle, Wilfried, Dogmatik, 5. Aufl., Berlin/New York 2018. 

[3] Härle, Wilfried, Ethik, 2. Aufl., Berlin 2018.

Das Studium der Systematischen Theologie hat grundsätzlich das Ziel, Studierende dazu zu befähigen, im Rückgriff auf (u.a.) systematisch-theologische Forschungsliteratur an den besonderen Arten und Weisen des Nachdenkens teilzunehmen, durch das sich Systematische Theologie auszeichnet. Dies bedeutet nicht, dass sich das Studium der Systematischen Theologie nur als Beschäftigung mit systematisch-theologischen Texten vollzieht. Wohl aber besteht das Studium der Systematischen Theologie darin, im Lichte der Denkerfahrungen der Systematischen Theologie über Fragen und Texte nachzudenken, die im engeren oder im weiteren Sinne zur Systematischen Theologie gehören. Im engeren Sinne gehören die Texte zur Systematischen Theologie, die von systematischen Theologinnen und Theologen verfasst worden sind. Im weiteren Sinne können Texte zur Systematischen Theologie gehören, die sich eignen, solche Fragen aufzuwerfen, die für die Systematische Theologie kennzeichnend sind (z.B. Was kann die Rolle des Christentums in der Öffentlichkeit sein? Was ist Wahrheit? Was ist das Gute?), und diese Fragen so zu diskutieren, wie es die Systematische Theologie einübt. Durch diesen konstitutiven und durchgehenden Bezug auf systematisch-theologische Textvorlagen und auf systematisch-theologische Denkerfahrungen aus Geschichte und Gegenwart zeichnet sich eine systematisch-theologische Lehrveranstaltung aus. Das Ziel der Lehre in Systematischer Theologie ist, Studierenden einen Zugang zu Denkerfahrungen Systematischer Theologie zu erschließen. Ein solcher Zugang besteht nicht allein in einem Interesse an oder einem Wissen um Begriffe, die in der Systematischen Theologie eine Rolle spielen, sondern in der Fähigkeit, diese Begriffe und Fragen im Rückgriff auf Denkerfahrungen der Systematischen Theologie zu reflektieren. Dies kann im Studium nur exemplarisch geschehen, aber zumindest exemplarisch muss es geschehen. 

Das bedeutet für die Lernziele des Studiums der Systematischen Theologie: Wenn Studierende erfolgreich Systematische Theologie studiert haben, dann sind Sie a) geübt darin, systematisch-theologische Texte zu lesen und b) geübt darin, Fragen der christlichen Religion und des christlichen Glaubens auf Begriffe zu beziehen, die in der Systematischen Theologie diskutiert werden. Z.B. können Studierende, die erfolgreich Systematische Theologie studiert haben, die Frage nach dem Sinn des Leidens in der Welt mit dem Begriff “Theodizee” in Zusammenhang bringen oder die Frage nach dem Leben nach dem Tod mit dem Begriff “Eschatologie” in Zusammenhang bringen, und sie können auf systematisch-theologische Forschung zu diesen Begriffen zugreifen. Ziel des Studiums der Systematischen Theologie ist somit, dass Studierende dazu in der Lage sind, sich mit Denkerfahrungen der Systematischen Theologie auseinanderzusetzen, wenn sie mit Fragen zu tun bekommen, die typischerweise in der Systematischen Theologie diskutiert werden (s.o.).

Propädeutik ist die Einführung in das Studium einer wissenschaftlichen Disziplin v.a. mit Blick auf die Methoden und Begriffe der jeweiligen wissenschaftlichen Disziplin. Propädeutik in der Systematischen Theologie ist die Einführung in die Methoden und Begriffe der Systematischen Theologie, also das Kennenlernen des Handwerkszeugs dieses Faches. Der Schulbezug der propädeutischen Anteile des Studiums der Systematischen Theologie besteht - so wie vermutlich in allen propädeutischen Lehrveranstaltungen - im Kennenlernen von Maßstäben und im Einüben von Techniken der wissenschaftlichen Erarbeitung eines Themas. “Wissenschaftlich” bedeutet: orientiert an bewährten Methoden der Sicherung von Erkenntnissen und der Präsentation von Thesen und Argumenten. Hierzu zählen Verfahren der Textauslegung (Hermeneutik), Regeln rationaler Argumentation und Konventionen der genauen Verweise auf Gedanken Dritter (“Zitate” bzw. “Literaturbelege”). Auch wenn Religionspädagoginnen und -pädagogen im Zuge ihrer Berufstätigkeit typischerweise keine fachwissenschaftlichen Texte produzieren (müssen), sollten sie doch - so wie alle Lehrerinnen und Lehrer - im Laufe ihres Studiums belastbare Kompetenzen bzgl. der Sicherung von Erkenntnissen und der Bewertung von Behauptungen und Argumenten erworben haben. Ziel des Studiums der Propädeutik im Rahmen der Systematischen Theologie ist, dass Studierende Fragen wie z.B. die folgenden Fragen kompetent beantworten können: Was steht in diesem Text? Wie begründet die Autorin oder der Autor dieses Textes seine oder ihre Behauptungen? Welche Quellen verwendet sie oder er? Sind diese Begründungen überzeugend, genügen die Quellen wissenschaftlichen Anforderungen? Wenn ich selbst zu den in den Quellen diskutierten Fragen Position beziehe: Wie artikuliere ich meine eigene Position so, dass sie nachvollziehbar und überzeugend sein kann? Wie begründe ich meine Position? Wie kann ich auf Quellen zurückgreifen, um meine Position zu stärken? Wie finde ich weitere Quellen, die dabei helfen, die jeweils diskutierten Fragen zu klären? Propädeutische Bildung ist also nicht lediglich ein Aufwärmtraining für das Verfassen von Hausarbeiten. Propädeutische Bildung ist vielmehr die Vorbereitung dazu, an einer sachlichen und zielführenden Auseinandersetzung über strittige Fragen teilzunehmen. Eine zielführende Teilnahme an einer Auseinandersetzung über strittige Fragen kann nicht darauf basieren, dass man für wahr hält, was man irgendwo im Internet gelesen hat, und für richtig hält, was man beim Lesen mit Bezug auf das Gelesene gefühlt hat. Das Ziel wissenschaftlicher Bildung ist Freiheit gegenüber den Geltungsansprüchen, mit denen Expertinnen und Experten z.B. in den Massenmedien auftreten, Freiheit gegenüber der Deutungsmacht, die gesellschaftliche Institutionen sich zu eigen machen, Freiheit gegenüber den Vorentscheidungen und Interessen, die in Algorithmen von Internetsuchmaschinen hinterlegt sind. Das Ziel wissenschaftlicher Bildung ist Freiheit zum eigenen Urteil im jeweiligen wissenschaftlichen Fachgebiet. Diese Freiheit entsteht durch das Wissen darum, mit welchen Methoden wissenschaftliche Erkenntnisse in dem jeweiligen wissenschaftlichen Fachgebiet entstehen, wie wissenschaftliche Erkenntnisse kritisiert werden, wie der Streit über kontroverse Fragen so geführt wird, dass der wissenschaftliche Erkenntnisprozess ständig voranschreitet. Die propädeutischen Studienphasen dienen dazu, Studierende zur exemplarischen Anteilnahme am unendlichen Erkenntnisprozess von Wissenschaft zu befähigen. Das gemeinsame Ringen um die besten Beschreibungen und die besten Argumente ist Wissenschaft.

Der fachwissenschaftliche Schulbezug des Studiums Systematischer Theologie besteht darin, dass Studierende im Lichte der Auseinandersetzung mit Denkerfahrungen der Systematischen Theologie Übung darin gewinnen, begründet theologische Positionen zu beziehen. Dies üben Studierende in allen theologischen Disziplinen ein. Im Rahmen ihres Studiums der Systematischen Theologie widmen sie sich diesem Einüben in theologischer Urteilsbildung im Lichte von und im Rückgriff auf systematisch-theologische Denkerfahrungen.

Der fachdidaktische Schulbezug des Studiums Systematischer Theologie besteht in der Arbeit an der Frage, was die besondere, für die Systematische Theologie kennzeichnende und in einer systematisch-theologischen Lehrveranstaltung eingeübte Art des Nachdenkens über ein jeweiliges Thema für die Gestaltung des Schulunterrichts bedeutet. Den fachdidaktischen Schulbezug des Studiums der Systematischen Theologie gibt es daher nur vor dem Hintergrund der vorgelagerten gemeinsamen fachwissenschaftlichen Arbeit im Rahmen der jeweiligen systematisch-theologischen Lehrveranstaltung. D.h. fachdidaktische Bildung in Systematischer Theologie findet statt, wenn in systematisch-theologischen Lehrveranstaltungen die Frage gestellt wird: “Stellen Sie sich vor, die Frage xy, über die wir gerade diskutiert haben, wird Thema im Rahmen Ihres Religionsunterrichts. Was folgt aus unserer Diskussion über die Frage xy für die Gestaltung der Auseinandersetzung mit diesem Thema im Religionsunterricht?”

Personal des Fachs Systematische Theologie

Ehemaliger Professor*innen

Prof. Dr. Helga Kuhlmann (Ruhestand)
Prof. Dr. Jochen Schmidt (Universität Bonn)
Prof. Dr. Michael Weinrich (Ruhr-Universität Bochum)

 

 

Wissenschaftliche MitarbeiterInnen

Sandra Lenke Raum: N2.335
Telefon: 05251/ 60-4281
E-Mail: sandra.lenke@uni-paderborn.de

Lehrbeauftragte


Ehemalige  und Lehrbeauftragte vergangener Semester finden Sie hier.
 

Studentische Hilfskräfte

Michelle Ginder