Einsatz des MonArch-Datenarchivierungssystem an der Domklausur in Brandenburg an der Havel

[Prof. Dr. Ulrike Heinrichs, Universität Paderborn / Dipl. Rest. Mechthild Noll-Minor, Brandenburgisches Landesamt für Denkmalpflege (BLDAM), 7.12.2019 | Zusammenfassung des Vortrags, gehalten am 11. Oktober 2019 auf dem MonArch-Workshop (10.-11. Oktober 2019, Universität Passau/IFIS)] 

Das MonArch-Datenarchivierungsprojekt an der Brandenburger Domklausur ist ein integriertes Unterprojekt des durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) finanzierten interdisziplinären Tandemprojekts (Sachmittelprojekte der DFG der Universität Paderborn (DFG-HE 4556/3-1, Kunstgeschichte, Leiterin: Prof. Dr. Ulrike Heinrichs) und der Hochschule für Angewandte Kunst und Wissenschaft Hildesheim (HAWK) (DFG_USch 4556/3-2, Restaurierungswissenschaft, Leiterin: Prof. Dr. Dipl. Rest. Ursula Schädler-Saub) mit dem gemeinsamen Obertitel „Der Wandmalereizyklus zu den Wissenschaften und Künsten in der Brandenburger Domklausur“. Im Sinne der grundlegenden Erforschung dieses Komplexes bündelt das DFG-Projekt verschiedene fachwissenschaftliche Perspektiven wie insbesondere auch historische, baugeschichtliche und naturwissenschaftliche Ansätze.

Als integriertes Unterprojekt wird der Einsatz des MonArch-Datenarchivierungssystems hier durch die Universität Paderborn (Kooperation mit IFIS Universität Paderborn für Schulung, informationstechnische Anpassungen und Hosting) und die HAWK (Kooperation mit pmp- Architektin/Dipl. Ing. Architektur Sabine Herrmann für die Erstellung des Graphen und Integration von Planzeichnungen von pmp-Architekten) finanziert. Mit dem Ziel, die Nachhaltigkeit des DFG-Sachmittelprojekts im Sinne des Erhalts und der Vermittlung des Monuments zu fördern, fokussiert dieses Unterprojekt zugleich auf eine Kooperation mit dem Brandenburgischen Landesamt für Denkmalpflege und Archäologischem Landesamt (BLDAM), dem Domstift Brandenburg und dem durch das Domstift Brandenburg beauftragten Büros pmp-Architekten/Dombaumeister Jürgen Padberg sowie der Universität Passau-IFIS und dem IMT sowie der Universitätsbibliothek der Universität Paderborn.

Durch folgende inhaltliche und methodische Besonderheiten zeichnet sich diese Anwendung des MonArch-Datenarchivierungssystems aus: Erfasst werden nicht nur der Standort der zu erforschenden spätmittelalterlichen Wandmalereien im Nordflügel der Domklausur, sondern in der Gebäudestruktur sind bereits alle Gebäude im Besitz des Domstifts Brandenburg auf der Brandenburger Dominsel angelegt. Dieser Standort bildet den historischen Ausgangspunkt für die Entstehung der Mark Brandenburg und des Bistums Brandenburg im hohen Mittelalter. Die Bauten, Kunstwerke und Archive des Domstifts, die hinsichtlich der Entstehung teilweise bis auf das 12. Jahrhundert zurückreichen, sind von großer kunstgeschichtlicher und landesgeschichtlicher Bedeutung.

Dies dient zum einen der Kontextualisierung der Wandmalereien in Bezug zu ihrem baulichen Umfeld bis hin zu möglichen Bezügen zu Werken der Malerei und Skulptur im Dom und im Dommuseum und zu Planzeichnungen und Urkunden im Domstiftsarchiv. Es ermöglicht zum anderen die Vorbereitung von Anschlussprojekten, die sich z.B. auf baugeschichtliche und archäologische Themen oder auf ein Inventar der Gebäude insgesamt beziehen können.

Das MonArch-Datenarchivierungssystem dient neben der digitalen Archivierung der vorhandenen sowie der im Projekt erstellten Dokumente auch als Medium der Darstellung und Vermittlung von Ergebnissen des DFG-finanzierten Tandemprojekts. Dies betrifft werkimmanente, auf das Monument selbst konzentrierte Dokumentationen der beiden Disziplinen Restaurierungswissenschaft und Kunstgeschichte wie insbesondere digitale Visualisierungen und Digitalisate, die das Projekt selbst generiert, oder die es bündelt und auswertet. Dies betrifft z.B. bereits vorliegende Dokumentationen zu baulichen Befunden und ältere Restaurierungsdokumentationen.

Als Medium und archivalische Plattform des DFG-finanzierten Tandemprojekts bringt es dessen Thematik zum Ausdruck und ist auf dessen Forschungsergebnisse hin modelliert. Daher wird der sogenannte Obere Kreuzgang mit dem spätmittelalterlichen Wandmalereizyklus im Bereich der ehemaligen Bibliothek des Domkapitels durch eigens modellierte Themenschwerpunkte zur „Wandmalerei“, zur „Instandsetzung und Restaurierung“, zur „Werktechnik“ oder zum „Bildthema“ besonders differenziert beschrieben und erfasst dabei materialgeschichtlich und kunsttechnologisch relevante Befunde ebenso wie die restaurierungsgeschichtliche Einordnung und einen ungewöhnlich motivreichen, einzigartigen Bereich der bildenden Kunst zwischen profanen und sakralen Funktionen. Die ausgewählten Lexiken werden durch die Forscherteams auf der Grundlage ihrer Forschungsergebnisse entwickelt. Sie identifizieren geeignete Vorbilder (z.B. ICONCLASS für die Ikonographie, Alois Riegl für die Ornamentik, Wasmuths Lexikon der Baukunst für die Baubeschreibung, EwaGLos für die konservierungswissenschaftliche Terminologie), treffen hier eine Auswahl bzw. nehmen Erweiterungen vor und tragen somit zur Weiterentwicklung von terminologischen Standards bei.

Ein weiteres Thema ist die Verknüpfung von graphischen Strukturen in Kartierungen zu semantischen Strukturen in Themengraphen. Durch die perspektivisch angestrebte Implementierung des Importes von grafischen Auswertungen der bildgebenden Untersuchungen (u.a. Aufnahmen unter ultravioletter Strahlung und Aufnahmen mittels Hyperspektralkamera) im Programm MetigoMap werden bildliche Motive und restaurierungswissenschaftlich erfasste Phänomene von Alterung und Degradation – z.B. Ergebnisse von Schadensprozessen wie Pigmentumwandlungen – referenziert und weiterführenden Untersuchungen zugänglich gemacht.

Die strukturelle Beschaffenheit des MonArch-Datenarchivierungssystems fördert besonders die Vertiefung von einer Reihe von wichtigen Reflexionsbereichen des Tandemprojekts, die durch andere Medien nicht oder nicht mit vergleichbarer Effizienz erreicht werden, wie Charakteristik und Vergleich der interdisziplinär verfassten heterogenen Visualisierungen der fragmentarisch überlieferten Wandmalerei an ihrem baulichen Standort. Hierdurch wird der Charakter des Monuments als begehbares und – auf Bild- und Textebene – visuell zu erfassenden Wissensarchiv aus dem späten Mittelalter überzeugend vermittelt.

Gleichzeitig dient die Zusammenführung und gebäudebezogene Referenz der vorhandenen Daten und Dokumentationen als Grundlage und unterstützendes Instrument für den Erhalt der baulichen Strukturen und der mittelalterlichen Wandmalerei durch Monitoring und hierdurch veranlasste Wartung und Pflege.

Ulrike Heinrichs und Mechthild Noll-Minor, 7.12.2019