Auch wenn dieses Sommersemester erneut digital abgehalten wird, haben Studierende und Dozierende gemeinsam die Situation und Möglichkeit genutzt, wieder besondere Gäste im Bachelor- und Masterstudiengang „Populäre Musik und Medien“ einzuladen. So konnten wir in diesem Sommer online sehr prominente Seminargäste aus den Popular Music Studies, den Club-/Eventkulturen, der Musikpraxis und der Musikproduktion digital begrüßen. Der Studiengangsleiter Prof. Dr. Christoph Jacke freute sich, wieder so erfahrene Spezialisten in die Lehre und Forschung integrieren zu dürfen: „Die Studierenden nutzen das Wissen der Gäste und diese geben das sehr gerne weiter. Super, dass auf zumeist persönliche Initiative aus dem Team der Pop-Dozierenden Kontakte hergestellt werden und das online sogar ja noch etwas einfacher für die Gäste ist und wir wieder so viele tolle Profis einladen konnten. Nächstes Mal sollten freilich wieder mehr Frauen darunter sein.“
Adj. Prof. Dr. Giacomo Bottà zu Besuch
Ende April war Adj. Prof. Dr. Giacomo Bottà aus den Urban, Social und Popular Music Studies von der Universität in Helsinki als Gast im wissenschaftlichen Seminar „New Wave und Post Punk: Postmoderne, Ironie, Inauthentizität, Androgynität“ unter der Leitung von Prof. Dr. Christoph Jacke zu Besuch. Als Autor des Buches „Deindustrialisation and Popular Music - Punk and ‚Post-Punk‘ in Manchester, Düsseldorf, Torino and Tampere“ fungiert Professor Giacomo Bottà als Experte für die Leitthemen, mit denen sich das Seminar beschäftigt. In seinem Vortrag diskutierte er die Begrifflichkeiten rund um Punk und ‚Post-Punk‘ und arbeitete einen Zusammenhang der Lebenswelten heraus, die sich Ende der 1970er bzw. Anfang der 1980er in den Städten herauskristallisierten, die in seinem Buchtitel erwähnt werden. Die kulturfeindliche Politik des Neoliberalismus führte in den sowieso schon deindustrialisierten Städten paradoxerweise und in Reaktion zu Aktivitäten der Kulturszenen und ihrer Produktivität, Ästhetik sowie Kreativität. Die Studierenden hörten dem vielseitigen Vortrag gespannt zu und stellten danach zahlreiche Fragen zu den Studien des italienischen Wissenschaftlers, sodass sich das Gefühl entwickelte, es könnte noch weit über das Seminar hinaus über die aufgeführten Punkte diskutiert werden. Giacomo Bottà hatte sichtlich Spaß und ließ sich auch nicht durch den spontanen Besuch seines Kindes im Home Office in Helsinki aus der Ruhe bringen. Am 06.07. wird Bottà, der bereits vor einigen Jahren schon mal in Paderborn vortrug, das Seminar ein zweites Mal besuchen, um dort mit den Studierenden über ihre eigenen Forschungsfragen zu Texten und Kontexten von New Wave und Post Punk zu sprechen und sie dabei zu unterstützen.
Homepage Adj. Prof. Dr. Giacomo Bottà: https://giacomobotta.wordpress.com/
Cool, uncool, leider geil?! Ernst, Spaß, Kunst oder Quatsch: Konzertrituale bei Deichkind
Vortrag und Diskussion mit Björn Beneditz (Deichkind)
Auch im Bachelor-Seminar „Trash und Müll: Medienkulturelle Strategien der Uncoolness“ unter der Leitung von Prof. Dr. Christoph Jacke wurde die Möglichkeit genutzt, einen illustren Gast in den digitalen Kursraum zu holen: Der Raum- und Medienkünstler Björn Beneditz hielt Anfang Mai seinen Vortrag über seine künstlerische Tätigkeit als Mitglied des Hamburger Elektro-Pop-Kollektivs Deichkind. Er erzählte, wie er als Kunststudent zu der Band gekommen ist, wie ihn bis heute die kreative Spaltung des Musik- und Kunst-Kollektivs und seiner Fans zwischen ‚Dinkels‘ (die konzeptionieren und reflektieren) und Saufis (die Party-People) fasziniert, welche Ästhetik ihn in seiner Arbeit anspricht und ging anschließend mit dem Seminar der Frage nach: Was ist Kunst? Was ist Ironie, Verweis und Trash? Und wie ordnet sich Pop dort ein? Neben vielen Einblicken in seine Arbeit bei Deichkind auf und neben der Bühne sowie u.a. auch für Scooter oder Fünf Sterne Deluxe hat sich der Kurs insbesondere mit den Konzertritualen, Konzepten und ‚theatralischen‘ Inszenierungen bei Deichkind auseinandergesetzt.
Homepage Björn Beneditz: www.beneditz.de
Jan Müller von Tocotronic zu Gast im Forschungsseminar „Musikjournalismus im postdigitalen Zeitalter: Ein Koop-Projekt mit dem Institut für Pop-Musik der Folkwang Universität der Künste“
Ein weiterer Gast, den wir im Master-Seminar von Prof. Dr. Christoph Jacke und Dr. Stefanie Roenneke (Folkwang Universität der Künste, Institut für Pop-Musik) begrüßen durften, war Jan Müller. Seit über 25 Jahren ist Jan Müller Gründungsmitglied und Bassist der Band Tocotronic und zahlreicher Seitenprojekte, seit fast zwei Jahren interviewt er zudem selbst verschiedene Musiker_innen in seinem Podcast „Reflektor“, zuletzt u.a. Haftbefehl, Götz Alsmann, Ilgen-Nur oder Max Müller von der Band Mutter. Der Fokus liegt dabei besonders darauf, eben gerade keine Standard-Interviews, sondern persönliche und authentische Gespräche mit für Müller auf irgendeine Art und Weise zu diskutierenden Künstler_innen zu führen und dabei über ihre Werke, aber auch über größere Fragen wie beispielsweise „Darf Punk erfolgreich sein?“ und „Wie passen Pop und Wahrhaftigkeit zusammen?“ zu reden.
Während des Seminarbesuchs Ende Mai standen Fragen über die Auswahl der Podcast-Gäste, Social Media, die heutigen technologischen Möglichkeiten und die Zukunft und Relevanz des Musikjournalismus im Zentrum. Jan Müller konnte den Studierenden aus seinen Interview-Erfahrungen sowohl als in jeder Hinsicht sehr erfolgreiches Band-Mitglied als auch als Podcast-Macher berichten und stellte in den Raum, dass der Musikjournalismus an Wert verliere, da durch das Teilen von Inhalten auf Social Media alles sowieso schon transparenter sei als zu Hochzeiten etwa der Musikzeitschriften. Jedoch seien Talk-Formate, so Müller, in denen man Face-to-Face über Themen sprechen und diskutieren kann, eine schöne abwechslungsreichere Alternative. Es hat sich besonders durch Entwicklung der Technologie und Social Media viel in Sachen Zugang und Berichterstattung verändert. Diese teilweise Flut an Informationen und der Dauerblick in den privaten Raum sind für Jan Müller eher befremdlich, allerdings erläuterte er, dass die technologischen Errungenschaften revolutionär für die Musikproduktion gewesen seien und er zugleich überrascht und erfreut ist, dass Formate wie Podcasts von jung und alt offenbar sehr gut angenommen werden. Es wurden während der unterhaltsamen Diskussion einige interessante Denkanstöße gegeben, die eine gute Grundlage für weitere gemeinsame Reflexionen und Forschungsübungen im Seminar schaffen. Dazu wird Jan Müller auch zusätzlich für ein Leitfaden-Interview mit einer Studierenden-AG des Koop-Seminars zur Verfügung stehen. Der sympathische Musikbegeisterte bedankte sich bei den Pop-Studierenden und zog das Fazit, sehr gerne wieder zu kommen.
Podcast „Reflektor“: https://viertausendhertz.de/reflektor/
Band Tocotronic: https://tocotronic.de/home
Frank Strobel zu Gast im Seminar „Artistcoaching - Murnau Movie Music”
Im musikpraktischen Bereich gab es auf Einladung vom Dozenten Thorsten Drücker auch Seminargäste zu Besuch, unter anderem Frank Strobel - Dirigent, Arrangeur, Produzent und Studiomusiker. Er gilt seit Jahren als einer der wichtigsten Protagonisten im interdisziplinären künstlerischen Bereich von Film und Musik. Dank seines persönlichen Engagements hat der Film mit Live Orchester Einzug in führende Opern- und Konzerthäuser gehalten. Neben seiner filmmusikalischen Tätigkeit hat Strobel internationale Anerkennung für Erst- und Wiederaufführungen von Werken der Komponisten Franz Schreker, Alexander von Zemlinsky und Siegfried Wagner erlangt. Vor kurzem war Strobel beim diesjährigen Artistcoaching-Seminar „Murnau Movie Music” zu Gast. Als Berater für das Stummfilmprogramm von ZDF/Arte konnte er den Studierenden des Seminars wertvolle Ratschläge mit auf den Weg geben und offene Fragen beantworten. Das Seminar unter der Leitung von Thorsten Drücker setzt in diesem Semester einen besonderen Schwerpunkt: In Kooperation mit der Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung Wiesbaden, vertonen Studierende des Studiengangs „Populäre Musik und Medien“ erstmalig den Stummfilm „Schatten der Weltstadt“ von 1925. Die insgesamt über 65 Teilnehmer*innen werden dabei den knapp 100 Jahre alten Film mit Stilmitteln zeitgenössischer Popmusik unterlegen. Eine nahezu ausgestorbene Kunstform soll auf diese Weise reanimiert werden.
Die Abschlussveranstaltung am 20.07.2021 (voraussichtlich in digitaler Form) wird zugleich zur Uraufführung einer neuen Komposition und einer Wiederaufführung eines vergessen Schatzes der Filmkunst.
Homepage Frank Strobel: https://www.frankstrobel.de/
Bilderbuch-Produzent Zebo Adam zu Gast im Musikproduktionsseminar
Ende Mai war ferner der renommierte Produzent Zebo Adam zu Gast im Musikproduktionsseminar unter der Leitung von Thorsten Drücker. Adam hat in seinem Wiener Studio neben einigen Arbeiten für die Beatsteaks unter anderem die ersten vier Bilderbuch-Alben (u.a. Schick Schock, Magic Life) produziert und wurde im Seminar live zugeschaltet. Er sprach viel über den Studioalltag, die Gruppendynamik zwischen Band und Produzent, die Bilderbuch-Alben oder bestimmte Produktionstechniken. Im Rahmen des Seminars lernen die Studierenden grundlegende Techniken der Musikproduktion kennen. Das Bilderbuch-Album „Schick Schock“ ist in diesem Semester eine wichtige Inspiration.
Die Studierenden hatten zusätzlich die Möglichkeit ihre zahlreichen eigenen Fragen an Zebo Adam zu stellen. Im Seminarverlauf produzieren sie ihre eigenen Versionen von Bilderbuch-Songs und konnten vom Wiener Produzenten wertvolles Feedback einholen.
Die Abschlussveranstaltung, bei der die Songs der Studierenden präsentiert werden, findet voraussichtlich am 21.07.2021 statt.
NEUBAU Zebo Adam: https://neubaumusic.com/artist/zebo-adam/
Schließlich gelang es dem Lehrbeauftragten und Doktoranden Niklas Blömeke, den erfahrenen Clubbesitzer („Tresor“ Berlin) und Aktivisten Dimitri Hegemann zum Vortrag und Talk in das Seminar „Clubs, Venues, Spielstätten – Herausforderungen und Potentiale für Orte der Livemusik“ einzuladen. Da dieser Besuch erst nach Redaktionsschluss stattfinden wird, berichten wir gerne demnächst ausführlicher. Bleibt festzuhalten: Bei allem Vermissen des Analogen und der physischen Präsenz werden mannigfaltig digitale Lösungen für das Studium gefunden, die oft weit mehr als nur ein Ersatz sind oder sogar nur in dieser Form stattfinden konnten.
Sophie Holzmann, Michelle Maurer, Diana Pfeifle, Nikolai Schirrmeister, Simon Tubbesing