Nach­richt des In­sti­tuts für Ger­ma­nis­tik und Ver­glei­chen­de Li­te­ra­tur­wis­sen­schaft

39. Pa­der­bor­ner Gast­do­zen­tur für Schrift­stel­le­r­in­nen und Schrift­stel­ler – Fe­ri­dun Zai­mo­glu: „Ein­fall, Bild und Büh­ne“

Im Wintersemester übernimmt Feridun Zaimoglu die traditionsreiche Paderborner Gastdozentur für Schriftstellerinnen und Schriftsteller am Institut für Germanistik und Vergleichende Literaturwissenschaft der Universität Paderborn. Pandemiebedingt wurde sie vorab aufgezeichnet. Die Lesungen und Vorträge sind ab dem 14. Dezember über fünf Wochen hinweg immer montags ab 16.15 Uhr über das Videoportal der Uni abrufbar. Aus Rechtegründen können nur eingeloggte Hochschulangehörige die Videos anschauen. Dafür bitten die Veranstalter, Prof. Dr. Norbert Otto Eke und PD Dr. Stefan Elit, um Verständnis.

Das komplette Dozenturprogramm im Überblick gibt es hier.

Über Feridun Zaimoglu

Literarisch sorgsam stilisiert warf der junge Feridun Zaimoglu in den 1990er Jahren einen ebenso ernüchternden wie erschreckenden Blick auf die Lebensbedingungen der jungen türkischstämmigen Minderheit in Deutschland („Kanak Sprak“, 1995; „Abschaum“, 1997). Dass sich damit eine neue Stimme und einer neuer, ein ‚unerhörter‘ Sound Gehör verschafften, „klar, wuchtig, wütend, originell, rhythmisch, witzig und sinnlich“ (Yesilada), sprach sich schnell herum und verschaffte dem Autor Zaimoglu Aufmerksamkeit und Popularität. Gleichwohl hat er sich ab den 2000er Jahren zunehmend von diesen Anfängen und seiner von hier ausgehenden Vereinnahmung als Sprachrohr der jungen Generation von Migrantenkindern entfernt.

Bereits in dem Roman „Liebesmal Scharlachrot“ (2000) schiebt sich ein Kunstwille in den Vordergrund. Zwar spielt der Roman nach wie vor im Milieu der Deutschlandtürken (hier Kiel), andererseits greift Zaimoglu in der Darstellung von Milieu in diesem Roman nun auf eine ‚alte‘ literarische Form – den dialogischen Briefroman des 18. Jahrhunderts – zurück, was seinen Formungswillen und sein Traditionsbewusstsein unterstreicht. Dieser hier erstmals sichtbar werdende Wille zur Kunst wird sich in den folgenden Jahren weiter verstärken. Zugleich damit wird neben den Liebes- und Geschlechterbeziehungen das Thema der Religion (der islamischen und der christlichen) zunehmend wichtiger für den Autor, gipfelnd in seinem 2017 erschienen Luther-Roman „Evangelio“. Was Zaimoglu dabei nie aus den Augen verliert, ist das, was man Herkunft nennt. Mit „Leyla“ schuf er 2006 eine der großen Migrationserzählungen des 20. Jahrhunderts, indem er gleich drei thematische Linien eng miteinander verknüpfte: die Geschichte der türkischen „Gastarbeiter“ in Deutschland, die Geschichte der Türkei ab den 1950er Jahren und die Geschichte des Zerfalls einer Familie. Was in „Leyla“ unüberhörbar ist, ist der neue Ton, der in Zaimoglus Texten von nun an, mal mehr, mal weniger, durchaus aber konstant hörbar wird: eine leichte, gelassene Komik an Stelle der Wut, die seine Erstlingswerke noch grundiert hatte, die Hinwendung auch und gerade zur Romantik, die filigranere Entwicklung von Narrationen, etc. Das setzt sich über den Luther-Roman „Evangelio“ hinaus fort bis in die Stimmensammlung „Die Geschichte der Frau“ (2019), Zaimoglus bislang letzten großen Erzähltext, mit dem er konsequent den Weg einer Anverwandlung ans Weibliche weitergeht, den er mit „Leyla“ eindrucksvoll begonnen hatte.

Feridun Zaimoglu, geboren am 4. Dezember 1964 in Bolu/Türkei, wuchs als Kind von „Gastarbeitern“ in Deutschland auf. 1984 begann er ein Medizinstudium in Bonn, das er nach dem Physikum abbrach, um ab 1985 in Kiel Kunst zu studieren. 1998 war er Gründungsmitglied des Zusammenschlusses „Kanak Attack“ (geht auf Zaimoglus „Kanak Sprak“ zurück). 1999/2000 nahm Zaimoglu ein Engagement als Theaterdichter am Nationaltheater Mannheim an. 2004 war er Gastprofessur an der Freien Universität Berlin, 2007 hatte er die Poetikdozentur an der Universität Tübingen inne, 2016 erhielt er die Ehrenprofessur des Landes Schleswig-Holstein. Zaimoglu lebt als freier Schriftsteller, Journalist, Maler und bildender Künstler in Kiel.

Über die Paderborner Gastdozentur für Schriftstellerinnen und Schriftsteller

Die Reihe wurde 1983 von Prof. em. Dr. Dr. h. c. mult. Hartmut Steinecke begründet und wird seither in jedem Wintersemester durchgeführt. Seit 2006 wird die Veranstaltungsreihe von Prof. Dr. Norbert Otto Eke und PD Dr. Stefan Elit organisiert. Sie ist ein Angebot der Universität für alle, die in Paderborn und Umgebung an Literatur interessiert sind.

Weitere Informationen zur Gastdozentur gibt es hier

Kontakt

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Prof. Dr. Stefan Elit

Institut für Germanistik und Vergleichende Literaturwissenschaft

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E-Mail schreiben +49 5251 60-2872