Forschung­s­pro­jekt zum Per­son­al­is­ier­en

Hier erhalten Sie Hinweise zum Forschungsprojekt „Textprozeduren der Personalisierung in der printmedialen Politikberichterstattung. Konstitution und Wandel am Beispiel von Berichten über die „Grünen“ und „Piraten“ in überregionalen deutschen Zeitungen (1979-2014)“. Die Datenerhebung und konzeptionelle Ausgestaltung erfolgte mit Torsten Steinhoff (Universität Siegen) sowie mit Susan Holtfreter (Universität Paderborn). Die Hinweise beziehen sich auf die Motivation und zum Forschungsdesign. 

Motivation

Der Begriff „Personalisierung“ wird in der Medien-, Politik- und Sozialwissenschaft zur Bezeich­nung eines grundlegenden Wandels in der Kommunikation zwischen Politik, Medien und Bevölkerung in den vergangenen etwa 30 Jahren verwendet. Dieser Wandel zeichne sich dadurch aus, dass einzelnen politi­schen Akteuren, vorwiegend in Spitzenpositionen, zunehmend mehr Bedeutung beigemessen werde. Eine Schlüsselrolle wird dabei den Massenmedien zugeschrieben. Sie hätten durch eine Betonung der Relevanz politischer Akteure eine entsprechende Inszenierung auf Seiten der Politik und Wahrnehmung auf Seiten der Bevölkerung ver­stärkt. Als ein besonders prägnantes Beispiel wird die Inszenierung von Spitzenkandidat/inn/en bei jüngeren Bundestagswahlen angeführt.

Beobachtungen wie diese werden nicht selten kulturkritisch gedeutet. Der Fokus auf Personen lasse politische Prozesse in den Hintergrund treten und müsse als Anzeichen eines Verfalls der journalistischen und politischen Kultur verstanden werden. Es finden sich aber auch andere Deutungen, nach denen die Fokussierung von Personen der Vermittlung jener Prozesse diene, weil Politik für breitere Bevölkerungsschichten so erst verständlich werde. In jedem Fall aber ist die Personalisierung ein Phänomen, das gesellschaftlich von enormer Bedeutung ist, weil es die – über die Massenmedien vermittelte – politische Partizipation im Kern betrifft. Deshalb wird es in verschiedenen Disziplinen intensiv erforscht.

Forschungsdesign

Vor diesem Hintergrund überrascht es, dass ein für die Erfor­schung der Personalisierung zentraler Gegenstand bislang kaum in den Blick genommen worden ist: die Sprache. In der Lin­guistik wird der Begriff „Personalisierung“ nur sehr selten und dann zumeist intuitiv gebraucht; entsprechend fehlen breit angelegte empirische Untersuchungen. Hier setzt das Forschungsvorhaben an. Es  untersucht die Personalisierung in der printmedialen Politikberichterstattung, da die sprachliche Dimension des Personalisierens im Gegensatz zur audiovisuellen Medien hier dominiert, als Komposition von Textprozeduren. Als „Textprozeduren“ werden grundlegende Einheiten sprachlichen Handelns verstanden, deren Muster ebenso wie deren kreative Abwandlungen ermittelt und ihre Typizität und Funktionalität beschrieben werden sollen. Das Vorhaben zielt darauf ab, diese Komposition in ihrer Differenziertheit korpusgestützt zu beschreiben. Der vermutete Wandel soll also nicht von vornherein als Kulturverfall gewertet, sondern deskriptiv präzise erfasst werden. Auf diese Weise leistet das Projekt einen wertvollen Beitrag zur Grundlagenforschung in der Linguistik, insbesondere in der Text- und Medienlinguistik.

Die empirische Grundlage des Projekts bildet ein Korpus, das im diachronen Längsschnitt erhoben wird. Es umfasst gegenwärtig rund 1500 digitalisierte Pressetexte aus den überregionalen Tageszeitungen „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ und „Süddeutsche Zeitung“ sowie der Wochenzeitung „Die ZEIT“. Qualitätszeitungen erheben bis heute den Anspruch, politisches Handeln verständlich zu machen, kritisch zu begleiten und zu evaluieren. Um zu ermitteln, welcher Status den Textprozeduren des Personalisierens beim Einlösen dieses Anspruchs zukommt, konzentriert sich das Forschungsvorhaben auf einen Vergleich der Pressetexte zur Konstitution der Partei „Die Grünen“ in den Jahren 1979 bis 1984 und der Partei „Die Piratenpartei“ in den Jahren 2009 bis 2014. Dafür werden Teilkorpora erstellt und ausgewertet. Im Vordergrund stehen herausragende Ereignisse wie Parteitage und Wahlen. Die Auswertung des Korpus erfolgt computergestützt auf mehreren Ebenen durch das Programms EXMARaLDA und folgt methodisch dem quantitativ-qualitativen Ansatz der Korpuslinguistik.