Publizistische Reisenarrative der Weimarer Republik im politischen Kontext: Mobilität, Gender, Ethnizität

Das Forschungsprojekt fragt nach publizistischen Reisenarrativen der 1920er und frühen 1930er Jahre, in denen Reisemobilität im Zusammenhang von Gender und Ethnizität bzw. Kolonialismus verhandelt wird. Ein besonderes Augenmerk gilt Schriftstellerinnen der Zwischenkriegsjahre wie etwa Annemarie Schwarzenbach, Vicki Baum, Erika Mann, Gulla Pfeffer, Gabriele Tergit, Margret Boveri u.a., deren Blick auf die europäische und außereuropäische Fremde zu Positionen von Autoren reisejournalistischer Texte ins Verhältnis gesetzt wird: Gekennzeichnet sind viele dieser Reisenarrative von einer  emanzipatorischen, mobilen ‚Landnahme‘ transgressiven Zuschnitts, etwa durch das Auto, den Zug oder das Dampfschiff, und durch eine stereotypisierende und kolonialistische Lesart ‚schwarzer‘ Kultur, die wiederum für die Rezeption von Jazz und Tanz in den europäischen Großstädten eine zentrale Rolle spielt. Aber auch der Zusammenhang von Orientalismus, Gender und Eurozentrismus gewinnt durch teils trivialjournalistische, teils theoretisch und intellektuell ambitionierte Stellungnahmen im Feuilleton der Zwischenkriegszeit an Brisanz. Das Forschungsprojekt möchte einen Beitrag zur Geschichte des Kolonialismus leisten und zeigen, dass genderpolitische und technologische Fortschrittskonzepte von Moderne zutiefst mit der Erzeugung und der Kolportage rassistischer Stereotype verbunden sind. Dieser bisher für die Journalliteratur der Weimarer Republik noch nicht systematisch erschlossene Zusammenhang ist von großer gesellschaftspolitischer und kulturgeschichtlicher Relevanz, da das breite Themenspektrum der (illustrierten) Presse der Weimarer Republik alle Gesellschaftsschichten erreichte und die kleine journalistische Form für die politische Bildung dieser historischen Krisenära eine nicht zu unterschätzende Rolle spielt.

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Prof. Dr. Claudia Öhlschläger

Komparatistik/Vergleichende Literatur- und Kulturwissenschaft

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