Vom 11.-13. März 2019 fand an der Universität Paderborn die Jahrestagung des Netzwerkes Kinder- und Jugendtheologie 2019 statt. Thema war "Getrennte Welten? Lernortspezifische Jugendtheologie in Schule und Gemeinde". Ziel der Tagung war es zu klären, ob die Jugendtheologie - damit ist die diskursive Auseinandersetzung von Jugendlichen mit unentscheidbaren Fragen des Glaubens mithilfe theologischer Denkmuster gemeint - an einem der beiden Lernorte besser aufgehoben ist. Der Vortrag von Bernhard Grümme stellte noch einmal den Vorbehalt dar, der der Jugendtheologie an der Schule gegenübertritt: Mit dem Bezug auf die Theologie setzt die Jugendtheologie einen Glaubensvorbehalt, den die Schule programmatisch nicht einlösen kann, aber besser zu den Voraussetzungen von Gemeinde passen würde. In Zeiten von zunehmender Heterogenität wird die Jugendtheologie entweder den Bezug zu wirklicher Theologie aufgeben oder den Religionsunterricht überfordern. Damit ist die Frage nach den Lernorten als Orte mit differenten Voraussetzungen für die Jugendtheologie eröffnet. Die Vorträge von Harald Schroeter-Wittke und Matthias Gronover nehmen diese Lernortunterscheidung durchaus auf, unterlaufen sie aber wieder. Ob sich die Lernorte als Kontexte auswirken, hängt nicht vom Kern der religiösen Bildung an diesen Orten ab, sondern davon, wie stark die normativen Kontexte von den Akteuren repräsentiert werden (Gronover) oder Regeln, Verfahren, Methoden an den Orten zum Zuge oder eben auch wieder unterlaufen werden (Schroeter-Wittke).
In den Beiträgen von Henrik Simojoke, Tobias Faix, Judith Könemann/Rebekka Krain und Tobias Petzold werden die Lernorte, die Akteure und ihre Logik noch weiter ausdifferenziert. Orte wie die Konfirmandenarbeit (Simojoki), Junge Gemeinde (Petzold) oder die Jugendverbandsarbeit im schulischen Ganztag (Könemann/Krain) sind Orte, an denen die unterrichtliche Logik der formalen Bildung einerseits unterlaufen wird und die Freiräume für den Selbstausdruck der Lebensdeutung ermöglichen, anderseits erzeugen sie ihre eigenen Formalierungen und adaptieren auch für die eigene Struktur und Disziplinierung unterrichtliche/katechetische Muster. Die Hochreligiösen/Hochverbunden sind außerdem eine relevante Gruppe, die die Jugendtheologie mit ihren klaren inhaltlichen Vorstellungen, einer dialogischen Haltung und durchaus vorhandenen Selbstreflexivität bereichern könnten. Auch wenn sie auf den ersten Blick wie gemacht für den Glauben der Jugendtheologie sein könnten, stellt sich hier vom diskursiven Ansatz der Jugendtheologie, der auch mit der Erweiterung und Pluralisierung des Weltbildes rechnet, die Frage, wie anschlussfähig hierzu die Jugendtheologie ist. Wie schwer sich die Jugendtheologie in diesen spannungsvollen Erwartungen an die Jugendlichen der verschiedenen Lernorte tut, zeigen die kleinen Erhebungen von Reinhold Boschki/Sandra Biebl, Laura Otte/Anna Hans und Theresa Kohlmeyer. Theolgogische Gespräche unterscheiden sich im sprachlichen Stil in Schule und Gemeindearbeit/Jugendverbandsarbeit, die Schülerinnen und Schüler halten in der Schule Distanz zum Gegenstand, beobachten ihn geschickt mit den erlernten Techniken. Dass sie damit überfordert sind, lässt sich nicht ferststellen und trotzdem fehlt so etwas wie der Geist des Selbstausdrucks, der wiederum in der Jugendverbandsarbeit flüssig möglich ist oder auch zur offenen Stille führt. Mirjam Zimmermann wiederum zeigt, dass eine solche Zuschreibung an die Schule auch wieder von der Praxis unterlaufen sein kann, wenn man auf Resonanz achtet. Dann wird diese bei der Jugendtheologie in der Schule genauso sichtbar. Hanna Roose und Thomas Schlag haben mit ihren Beiträgen die Tagung gerahmt und dabei explizit die beiden Lernorte und die Jugendtheologie miteinander verbunden. Während bei Hanna Roose die unterrichtliche Logik der Schule die jugendtheologischen Gespräche systematisch erschwert, kann sie diese Logik auch für die Konfirmandenarbeit rekonstruieren. Es scheint, als würde die Jugendtheologie an keinem der beiden Orte so richtig zu sich finden. Autonomie und Partizipation in den Gemeinden und der Jugendverbandsarbeit werden mit geringer inhaltlicher Strukturierung erkauft. Für Thomas Schlag bietet die Jugendtheologie gerade die Möglichkeit Grenzen zu bearbeiten und die Jugendlichen mit ihren Grenzgängen die jeweiligen Orte zu bereichern. Oliver Reis hat in seinem die Tagung begleitenden Tafelbild sichtbar gemacht, dass die in der Jugendtheologie liegende inneren Spannungen zwischen Subjekt- und Inhaltsorientierung, Wertschätzung gegenüber der Lernendenintuition und Aufbau reflexiver Distanz, Spontanität der Gesprächsverläufe und der klaren Struktur usw. gerade die Jugendtheologie prägt und nicht auflösbar ist. Die Jugendtheologie verändert sich an den Orten, aber nicht schematisch, weil auch die Orte in ihrer Bedeutung sehr variabel sein können. Im Grunde hat die Tagung die Jugendtheologie über die Lernortdifferenzen auf die Kernprobleme zurückgeworfen, wie diese Spannungen bearbeitet werden können. Die Jugendtheologie einem Lernort zuzuordnen, löst dieses Problem gerade nicht. Es scheint fast so, als würde die Jugendtheologie erst im Zusammensein der Orte entlastet, weil man sieht, wie über die beiden Lernorte hinweg, die Breite an Möglichkeiten Jugendtheologie zu versuchen in den Spannungen an Struktur gewinnt.
Eine Teilnehmerin fasst die Tagung deshalb auch so zusammen: "Getrennte Welten, da würde ich das Fragezeichen durch ein Ausrufezeichen ersetzen. Aber hinter den Untertitel mit der lernortspezifischen Jugendtheologie, da würde ich ein Fragezeichen machen. Es geht nicht um hier oder da, sie gewinnt erst im Miteinander an Gestalt, sonst ist sie halb."