War­um Künst­liche In­tel­li­genz alle Re­li­gion­en heraus­fordert – Lebendige Diskus­sion in Pader­born lieferte wer­tvolle Im­pulse

 |  Institut für Katholische Theologie

Künstliche Intelligenz, oder kurz: KI, ist ein maßgeblicher Megatrend unserer Zeit, der Auswirkungen auf nahezu alle Lebensbereiche hat. Dementsprechend groß war das Interesse an der öffentlichen Ringvorlesung mit dem Titel „Anthropologie der Digitalisierung – Chancen und Herausforderungen von künstlicher Intelligenz für die Theologien“, die jetzt im Tagungs- und Bildungshaus Liborianum in Paderborn stattfand.

Das Paderborner Institut für Islamische Theologie, die Professur für Systematische Theologie am Institut für Katholische Theologie, das Zentrum für Komparative Theologie und Kulturwissenschaften (ZeKK) und das Forum der Religionen Paderborn sowie das Bildungs- und Tagungshaus Liborianum hatten eingeladen.

Im Rahmen einer Podiumsdiskussion wurden die vielschichtigen Perspektiven erkundet, die sich aus dem Einsatz von KI für die theologische Betrachtung in christlichen, islamischen und jüdischen Kontexten und einer kritischen philosophischen Anfrage daran ergeben.

Auf dem Podium diskutierten Dr. Anne Weber (Forschungsinstitut für Philosophie Hannover), Prof. Dr. Dr. Benedikt Göcke (Ruhr-Universität Bochum), Prof. Dr. Idris Nassery (Universität Paderborn) und Rabbiner Dovid Gernetz (Kahal Adass Jisroel Berlin). Rainer Fromme (Dekanat Paderborn & Forum der Religionen) moderierte die Veranstaltung.

Während auf dem Podium und im Auditorium unterschiedliche Meinungen im Umgang mit KI-Anwendungen formuliert wurden, herrschte beim Fazit Einigkeit: „Wir müssen gemeinsam mündig mit der Entwicklung umgehen und die Herrschaft über die KI behalten“, fasste Rainer Fromme zusammen. In diesem Zusammenhang seien alle Religionen herausgefordert „weil sie einen wichtigen ethischen Beitrag zur Diskussion leisten, der so vermutlich in unserer Gesellschaft von keiner anderen Seite eingebracht wird“, so Fromme.

Nach der Begrüßung durch Thomas Kemper (Forum der Religionen) formulierte Prof. Dr. Johannes Grössl (ZeKK) in einem Eröffnungs-Statement die Frage, wie weit KI bereits heute in der Lage sei, den Menschen zu ersetzen. An dieser Basisfrage orientierte sich die folgende Diskussion.

Prof. Dr. Idris Nassery machte deutlich, dass es in der islamischen Theologie bislang lediglich rudimentäre KI-Anwendungen gebe. Es würden im aktuellen Diskurs Gefahren und Chancen gleichermaßen betont.

Dr. Anne Weber beleuchtete ethische Fragen rund um KI. Sie forderte ein Gefahrenmanagement ein, wenn die Potenziale der sich zunehmend etablierenden Anwendungen genutzt werden sollen.

Prof. Dr. Benedikt Göcke nannte aus christlicher Perspektive als zentralen Begriff die Schöpfungsverantwortung, die einen Bedeutungswandel erfahre: „Das Ideal der Humanität kann verwirklicht werden, aber auch das Gegenteil ist der Fall.“

Rabbiner Dovid Gernetz warnte davor, dass „Informatik versucht, das Menschliche zu eliminieren“ und dass eine große Gefahr darin bestehe, wenn Religion als Moralkompass keine Rolle mehr spiele.

Im Rahmen der Diskussion wurde deutlich, dass im theologischen Kontext noch viele Fragen ungestellt sind. Dabei spielten Aspekte wie die Deutungshoheit über historisches theologisches Gedankengut und der Bedeutungsverlust des menschlichen Wirkens ebenso eine Rolle wie zunehmende Vereinsamung in der Gesellschaft und die unreflektierte Technikgläubigkeit.

Einig waren sich alle Teilnehmenden, dass sich die KI unaufhaltsam weiter entwickeln wird und das Abwägen von Chancen und Risiken eine ebenso große Herausforderung sei wie das rechtliche und technische Eingrenzen der KI-Anwendungen.

Die Diskussion dazu müsse jetzt in der gesamten Weltgemeinschaft und religionsübergreifend geführt werden.

Die Veranstaltung in Paderborn war ein kleiner aber umso wichtigerer Beitrag, der sicher einer Fortsetzung bedarf.

Info: Die Podiumsdiskussion wurde im Rahmen einer vom Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen geförderten Kooperationsplattform zum gesellschaftlichen Transfer Komparativer Theologie unterstützt. Das Projekt hat das Ziel, die Ideen der Komparativen Theologie in Form von stadtöffentlichen Veranstaltungen von der Universität in den Dialog mit den Partnern des öffentlichen Lebens in die Gesellschaft zu bringen. Die Beteiligten setzen sich damit für die Förderung der Dialogfähigkeit der Religionen in Auseinandersetzung mit konkreten gesellschaftlichen Herausforderungen und eines wertschätzenden Umgangs miteinander ein.

Bild: Trafen auf interessierte Gäste (v. l.): Prof. Dr. Johannes Grössl, Rainer Fromme, Dr. Anne Weber, Dovid Gernetz, Prof. Dr. Dr. Benedikt Göcke, Prof. Dr. Idris Nassery und Thomas Kemper.

 

Foto: Heiko Appelbaum

 

Den Orginalbeitrag finden Sie hier.

Informationen zu der Ringvorlesung "Anthropologie der Digitalisierung" finden Sie hier.