Die Dissertation von Sarah Masiak trägt den Titel „Deüffelskinder“ Die besondere Wirkmacht eines gesellschaftlichen Stigmas am Beispiel der fürstenbergischen Hexenverfolgungen im Hochstift Paderborn (1601-1702). Der Promotionspreis der Bremer AG ist mit 1.500 € dotiert.
Auszug aus der Laudatio von Prof. Dr. Michael Ströhmer:
Gab es in der Frühen Neuzeit Hexen? In dieser ebenso schlichten wie provokanten Frage, welche von aufgeklärten Zeitgenossen oft mitleidig verneint wird, liegt das wesentliche Erkenntnisinteresse der hier zu lobenden Dissertation. In ihrer mikrohistorischen Feldstudie, welche Frau Masiak zu einer der intensivsten Hexenjagden im ehemaligen Fürstbistum Paderborn vorlegt, wird das Phänomen sogenannter „Teufelskinder“ erstmals multiperspektivisch untersucht. Wie das Etikett andeutet, geht es um Angehörige einer lokalen Hexensippe, deren Existenz sich im 1300-Seelenort Fürstenberg über fünf Generationen nachweisen lässt. Interessant an diesem Fall ist weniger die stigmatisierende Fremdzuschreibung an sich, einer zaubereifähigen Familie zu entstammen, sondern vielmehr der Befund, dass sich berüchtigte „Hexen“ offenbar selbst als solche verstanden. Dabei beruhte die Selbstzuschreibung von insgesamt 13 Familien, über Generationen mit Luzifer im Bunde zu stehen, auf einer komplexen gruppendynamischen Interaktion: Adelsherrschaft, dörfliche Mehrheitsgesellschaft und die stigmatisierte „Outgroup“ selbst produzierten gemeinsam Hexen, wobei die vermeintlichen Teufelskinder ihren (machtvollen) Ruf selbstbewusst zu nutzen wussten.
Das wissenschaftliche Verdienst von Frau Masiaks akribischer Quellenarbeit liegt primär darin, diesen Weg des „Hexenmachens“ durch mehrfachen Perspektivwechsel erstmals kritisch, kenntnisreich und scharfsinnig nachzeichnen zu können. Dabei konfiguriert die Verfasserin ihr Methodenset stets neu: Neben dem Instrumentarium der Historischen Kriminologie greift die Arbeit interdisziplinäre Ansätze aus der Neuen Devianzforschung oder der Sozialpsychologie auf. Erst durch diesen innovativen Methodenmix gelingt es, vereinfachende Täter-Opfer-Stereotype aufzubrechen. In summa: Die Arbeit von Frau Masiak bietet eine ebenso kenntnis- wie faktenreiche Mikrogeschichte, deren Erkenntnisse und Methoden weit über die Region hinausreichen dürften.