Am 6. März 2023 verstarb Prof. Dr. Jörg Jarnut in seinem 81. Lebensjahr nach langer Krankheit. Als Inhaber der Professur für Mittelalterliche Geschichte forschte und lehrte er von 1983 bis 2008 an der Universität Paderborn. Die Anfänge seiner wissenschaftlichen Karriere lagen in Bonn, wo er 1970 mit einer Dissertation zur Prosopographie und Sozialgeschichte des Langobardenreichs promoviert wurde und sich 1977 mit einer Studie über die Verfassungs-, Sozial- und Wirtschaftsgeschichte Bergamos vom frühen Mittelalter bis ins 11. Jahrhundert habilitierte. Mit seiner Berufung nach Paderborn traten neben seinen Schwerpunkten in der Geschichte der Langobarden, des hochmittelalterlichen Italiens und der Karolingerzeit Forschungen zur Ethnogenese im früheren Mittelalter stärker in den Vordergrund, was sich auch in den von ihm betreuten Dissertationen widerspiegelt.
Immer wieder engagierte sich Jörg Jarnut in der akademischen Selbstverwaltung. Er war Sprecher des Historischen Instituts und sorgte als Dekan des Fachbereichs 1 Mitte der 80er Jahre, als Mitglied des Senats und seit 2003 als Prorektor für Planung und Finanzen dafür, dass das Historische Institut auf allen Ebenen der Universität Präsenz zeigte. In besonderer Weise profitierte das Historische Institut von seinem Engagement, als das Land Nordrhein-Westfalen 1999 einen Expertenrat einsetzte, der neue Formen der Finanzierung der Universitäten erarbeiten und strukturelle Fehlentwicklungen abstellen sollte. Mit dem vom Rektorat unterstützten und dann auch schnell umgesetzten Plan, an der Universität Paderborn ein Institut für die interdisziplinäre Erforschung des Mittelalters und seines Nachwirkens zu errichten, gelang es Jörg Jarnut, das Geschichtsstudium in Paderborn zu sichern. Ohne seine vielfältigen Kontakte im Fach, seine Fähigkeit zur interdisziplinären Zusammenarbeit und sein Organisationstalent wären dieses, kurz IEMAN genannte Forschungszentrum niemals entstanden und das Historische Institut an der Universität Paderborn geschlossen worden. In den nachfolgenden Jahren veranstaltete das neugegründete Institut eine Fülle von Tagungen, bei denen Jörg Jarnut in der von ihm geliebten Gastgeberrolle nicht nur größten Wert auf eine perfekte Organisation legte, sondern alles tat, damit sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer so gut wie nur möglich betreut und aufgehoben fühlten. Darüber hinaus steht die Gründung dieses Institut für seine vielfältigen Bemühungen, die Forschung am Historischen Institut mit dem Kulturleben der Stadt und ihrer Region zu verzahnen. So verknüpfte das Forschungszentrum die verschiedenen mediävistischen Forschungen an der Universität mit den kunstgeschichtlich beziehungsweise archäologisch ausgerichteten Mittelalteraktivitäten an den Paderborner Museen und bescherte der Stadt Paderborn mehrfach größere, deutschlandweit wahrgenommene kulturhistorische Ausstellungen. Nicht vergessen sei in diesem Zusammenhang die voluminöse dreibändige Geschichte der Stadt Paderborn vom Mittelalter bis in die Gegenwart, die Jörg Jarnut gemeinsam mit Kollegen des Historischen Instituts herausgab und die sich ganz bewusst „an die Bürgerinnen und Bürger Paderborns und seiner Region wendet“. Und schließlich organisierte Jörg Jarnut jedes Semester eine gemeinsame Vortragsveranstaltung mit dem Altertumsverein Paderborn, um aktuelle Forschungen dem städtischen Publikum vorzustellen und dem spürbaren Interesse in der Stadt für die mittelalterliche Vergangenheit gerecht zu werden.
Als anerkannter Spezialist für das frühere Mittelalter blickte Jörg Jarnut in all den Jahren seines Wirkens über sein eigenes Fach hinaus und suchte die Zusammenarbeit mit Kolleginnen und Kollegen aus anderen Epochen und Fächern. Zugleich wusste er die Interessen des Historischen Instituts zu verteidigen und dessen Nutzen für die Stadt Paderborn und ihre Museen sichtbar zu machen. Das Historische Institut wird ihm stets ein ehrendes Andenken bewahren.
Prof. Dr. Johannes Süßmann
(Sprecher des Instituts)