Nicht weniger als 350 Seiten umfasst der Reader mit studentischen Konzeptideen für ein neu gestaltetes Museum zur Geschichte des Politikers, Arztes und Literaten Friedrich-Wilhelm Webers in seiner Zeit, den Studierende der Universität Paderborn am 17.12.2025 in einem feierlichen Akt dem Museum und der F.-W.-Weber-Gesellschaft übergaben. In Empfang nahmen den Rader, der im Rahmen des geschichtsdidaktischen Hauptseminars „Geschichte des Museums – Geschichte im Museum“ erarbeitet wurde, Frau Andrea Gründer von der Bad Driburger Touristik GmbH und der Stadtratsbeigeordnete Herr Michael Scholle. Beide dankten den Studierenden und dem Leiter des Seminars Prof. Olaf Hartung mit einem Ausblick auf die weitere Arbeit zur Neugestaltung des Museums. In seiner Rede zu den studentischen Arbeiten verwies Hartung besonders auf die Vielfalt der im Seminar entwickelten Ideen. Die im Reader versammelten Beiträge greifen das Potenzial des bisherigen Museums und der Geschichte Friedrich-Wilhelm Webers in sehr unterschiedlicher Weise auf und führen es weiter. Einige Konzepte setzen am Raum an: Sie entwickeln Vorschläge,
wie das historische Fachwerkhaus und der Garten als soziale, museale und pädagogische Räume neu gefasst werden können – etwa durch die Inszenierung des Hauses als „Friedrich Wilhelm Weber‑Haus“ mit Themenräumen zu Dichtkunst, Heilkunst, Politik und Glaube oder durch den Ausbau des Dachbodens als Veranstaltungs- und Reflexionsraum. Andere Beiträge schlagen vor, das Museum nicht primär vom „Autor“ her zu denken, sondern gehen von übergreifenden Leitfragen aus, wie z.B. von der Frage nach der heutigen Bedeutung des „Heimat“-Begriffs, an denen sich Webers Werk exemplarisch, aber nicht exklusiv erschließen lässt.
Einen zweiten Strang bilden die museumspädagogischen Konzepte. Sie reichen von literaturdidaktischen Angeboten („Gedichtgestaltung“ mit und nach Weber), über historisch-politische Lernformate zur Demokratiegeschichte und zum Kulturkampf, bis hin zu spielerischen Zugängen wie Escape Rooms, Rallyes, Gamification-Elementen oder self-guided tours. Viele dieser Vorschläge teilen einen konstruktivistischen und multiperspektivischen Ansatz: Sie verstehen Ausstellung und Vermittlung nicht als Transport fertiger Deutungen, sondern als Anregung zur eigenen Fragenbildung, zur Auseinandersetzung mit Quellen, Objekten und Narrativen und zur Erprobung unterschiedlicher Perspektiven auf Weber und seine Zeit. Literatur, Architektur und materielle Kultur werden so als Medien gesellschaftlicher Aushandlung erfahrbar.
Schließlich widmet sich eine Reihe von Beiträgen der Frage, wie ein kleines Haus wie das Weber-Museum in eine zunehmend digitale und touristisch geprägte Umwelt eingebunden werden kann. Diskutiert werden die Konzeption einer Weber‑App, digitale Führungen und self‑guided tours, die Nutzung von QR‑Codes, Tablets und interaktiven Oberflächen, aber auch die Notwendigkeit, Öffentlichkeitsarbeit, Social Media und lokale Vernetzung systematisch zu denken, wenn das Haus als kultureller Akteur im Raum Bad Driburg sichtbar bleiben soll.
Die Studierenden haben sich in ihren Arbeiten an aktuellen geschichtsdidaktischen und museumspädagogischen Diskussionen orientiert: an Konzepten von Geschichtskultur und Geschichtsbewusstsein, an Forderungen nach Multiperspektivität, Dekonstruktion und Konstruktionstransparenz, an demokratietheoretischen Überlegungen zur Rolle von Museen als Orte öffentlicher Aushandlung. Zugleich sind die Texte konkret genug, um den Verantwortlichen vor Ort – der Friedrich‑Wilhelm‑Weber‑Gesellschaft, der Stadt Bad Driburg, möglichen Förderern – als Ideenspeicher und Argumentationsgrundlage für anstehende Entscheidungen zu dienen.
Die im Reader versammelten Ideen verstehen die Studierenden und Hartung daher in doppelter Hinsicht als Angebot: Er ist einerseits ein Beitrag zur konzeptionellen Weiterentwicklung des Friedrich‑Wilhelm‑Weber‑Museums. Viele der hier entwickelten Vorschläge werden sich in der Praxis nur schrittweise, manche vielleicht gar nicht oder in veränderter Form umsetzen lassen. Aber sie eröffnen einen Möglichkeitsraum, in dem Fragen, Prioritäten und Realisierungswege sichtbar werden. Andererseits dokumentieren die Arbeiten einen hochschulischen Lernprozess: Studierende haben sich – im wörtlichen wie im übertragenen Sinn – in ein Museum hineingedacht, Verantwortung für einen realen Ort übernommen und ihre theoretischen Kenntnisse in konkrete, adressatenbezogene Entwürfe übersetzt. Abschließend äußerte Hartung den Wunsch, dass die studentischen Ideen weiteren Debatten und Entscheidungen zur Neugestaltung des Weber-Museums produktiv begleiten – und dazu beitragen mögen, dass das Andenken an Friedrich-Wilhelm Weber in einem Haus lebendig bleibt, das sich seiner Vergangenheit bewusst ist und zugleich die Fragen der Gegenwart und Zukunft nicht scheut.