Fiktionale Geschichtsnarrative im Spanischen Bürgerkrieg
Spätestens seit Hayden White muss die fiktionale historische Erzählung als ernstzunehmender Verwandter der wissenschaftlichen Historiographie angesehen werden. Nicht nur haben namhafte Historiker*innen wie Golo Mann das besondere narrative Potential der Fiktion in ihrem eigenen Schreiben genutzt (Wallenstein, 1971), auch finden ausgewählte historische Romane mitunter die Anerkennung der Geschichtswissenschaft als unerreichte Darstellungen vergangener Zeitverläufe. So urteilte Hans-Ulrich Wehler über den Roman "Der Untertan", dass kein Historiker das Bürgertum im wilhelminischen Deutschland in einer Eindringlichkeit schildern könne, die Heinrich Mann gleichkäme.
Die Autor*innen historischer Romane sind jedoch in aller Regel weit weniger der Neutralität verpflichtet, als dies für Wissenschaft gilt, sodass fiktionale Geschichtsdarstellungen oftmals stark wertend bis tendenziös ausfallen. Hier stellt sich die Frage, in welcher Form die besonderen narrativen Möglichkeiten der fiktionalen Geschichtsdarstellung womöglich bewusst genutzt werden, um gezielt politische Inhalte zu kommunizieren. Anhand von sechs Beispielen soll die Wechselwirkung zwischen der historischen Sinnbildung im fiktionalen Narrativ und den politischen Anliegen der Autor*innen untersucht werden. Den geschichtlichen Rahmen stellt hier der Spanische Bürgerkrieg dar, der aufgrund der multimedialen Dimension der ihn begleitenden internationalen Propaganda wie auch wegen der großen politischen Heterogenität beider Kriegsparteien als besonders geeignet scheint, ein möglichst breites Spektrum an Narrativen zu untersuchen.
Der Vortrag geht im Besonderen auf Gustav Regler und seinen Roman "Das große Beispiel. Roman einer internationalen Brigade" (1940) ein.