Rund 85 Prozent weniger CO2-Emissionen möglich
Der Automobilsektor erzeugt rund 14 Prozent der globalen Treibhausemissionen. Noch dazu werden erhebliche Mengen an Rohstoffen verbraucht. Eine gut organisierte Kreislaufwirtschaft könnte maßgeblich zu einem verbesserten Ressourcenmanagement sowie der Minimierung von Abfall und Schrott beitragen. Zu diesem Zweck hat die Universität Paderborn gemeinsam mit Partner*innen das „Digi4Circular“-Projekt ins Leben gerufen, bei dem eine digitale Plattform zur Förderung der Kreislaufwirtschaft entwickelt wird. Ziel ist es, eine ganzheitliche Lösung zu schaffen, die sämtliche Daten über den Lebenszyklus inklusive des Lebensendes und der damit einhergehenden Materialwiederverwertung in die Produktentwicklung überträgt. So sollen optimierte Designs für Kreislaufwirtschaften und spezifische Fertigungsverfahren erzeugt und dadurch Abfall minimiert und die Ressourcennutzung maximiert werden. Das Projekt zeigt konkret auf, wie der durch die Plattform ermöglichte erhöhte Einsatz von recyceltem Aluminium die CO2-Emissionen um ganze 85 Prozent reduzieren kann. Denn: Die EU-Automobilindustrie nutzt jährlich rund zwei Millionen Tonnen Aluminium, das inzwischen auf die Liste der kritischen Rohstoffe der EU aufgenommen wurde – dreimal mehr als jeder andere Sektor. „Digi4Circular“ wird mit einer Fördersumme von rund 5,7 Millionen Euro über eine Dauer von dreieinhalb Jahren von der EU unterstützt.
Transparente Lebenszykluskonzepte berechnen Umweltauswirkungen
Das Projekt integriert physikbasierte Methoden und maschinelles Lernen, um die notwendigen Daten für kreislauffähige Produkte bereitzustellen. Dazu gehören zum Beispiel das automatisierte Design von Bauteilen und -gruppen, die Integration von Normen, Standards und Expertenwissen sowie ein innovatives computerbasiertes Materialdesign, das Materialeigenschaften ohne aufwendige Experimente vorhersagen kann. Die digitale Plattform verbindet alle erforderlichen Software-Tools in einem Informationsraum, wobei Lebenszyklusdaten systematisch in einem digitalen Produktpass erfasst werden. Diese Informationen sind jederzeit und überall für Entwickler*innen zugänglich und bieten maximale Transparenz für die Nutzer*innen. Außerdem werden Lebenszykluskonzepte, die Bereiche wie Reparatur, Wiederaufarbeitung, Wiederverwendung und Recycling beinhalten, entwickelt.
„Das Vorgehen wird anhand konkreter Anwendungsfälle von Aluminiumdruckguss in der Automobilindustrie demonstriert. Durch die Kombination automatisierter Workflows mit Algorithmen, die teilweise von maschinellem Lernen unterstützt werden, ermöglicht die ‚Digi4Circular‘-Plattform kreislauffähige Produktdesigns – basierend auf den für End-of-Life-Szenarien berechneten Umweltauswirkungen“, erklärt Prof. Dr. Iryna Mozgova von der Universität Paderborn, die das Vorhaben leitet. Manuel Ott, Oberingenieur der Fachgruppe „Datenmanagement im Maschinenbau“, ergänzt: „Der digitale Produktpass gewährleistet maximale Transparenz für die Nutzer*innen hinsichtlich Herkunft, Herstellungsprozessen, Umweltauswirkungen und anderer relevanter Informationen über das Produkt.“ Neben der Fachgruppe sind außerdem der Lehrstuhl für Werkstoffkunde und der Bereich Produktentstehung am Heinz Nixdorf Institut der Universität an dem Projekt beteiligt.
Bedeutung für die EU
Die Technologien sollen die globale Führungsrolle der EU im digitalen und grünen Wandel stärken. Mozgova: „Die Rückverfolgbarkeit und Transparenz von Wertschöpfungsketten, ermöglicht durch den digitalen Produktpass, tragen zur strategischen Stärkung der EU bei. Die erhöhte Wiederverwendung und das Recycling von Primärmaterialien, insbesondere Aluminium, fördern die Sicherheit der Lieferketten und reduzieren die Abhängigkeit von Exporten.“
Mensch im Mittelpunkt
Das Projekt verfolgt einen menschenzentrierten Ansatz, indem es Expertenwissen integriert, Mitarbeiter*innen durch gezielte Schulungen befähigt und die negativen Auswirkungen des Aluminiumabbaus verringert. So unterstützt „Digi4Circular“ auch den europäischen Green Deal und mehrere Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDG, Sustainable Development Goals) der Vereinten Nationen.
In den kommenden Jahren arbeiten die Expert*innen daran, die Digitalisierung und Nachhaltigkeit in der Produktion voranzutreiben. Durch innovative Software- und Modellierungslösungen wird der Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft gefördert. Das soll nicht nur ökologische Vorteile bringen, sondern auch die Wettbewerbsfähigkeit der EU auf dem globalen Markt stärken.