Neuer Son­der­forschungs­bereich zu gan­zzah­li­gen Struk­turen

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Universitäten Paderborn und Bielefeld erhalten 10,7 Millionen Euro

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) fördert ab Januar 2023 für zunächst vier Jahre den neuen Sonderforschungsbereich/Transregio „Ganzzahlige Strukturen in Geometrie und Darstellungstheorie“ (SFB/TRR 358). Der Verbund wird von den Universitäten Bielefeld und Paderborn getragen. Beteiligt an dem Transregio ist zudem die Universität Bonn. Sprecher ist Prof. Dr. Kai-Uwe Bux von der Universität Bielefeld, stellvertretender Sprecher ist Prof. Dr. Igor Burban von der Universität Paderborn. In 20 Teilprojekten untersuchen die Wissenschaftler*innen ganzzahlige Strukturen. In der Geometrie beispielsweise treten solche Strukturen unter anderem als Pflasterungen auf – sich wiederholende Teilflächen, symmetrisch und lückenlos angeordnet, die komplexe mehrdimensionale Muster ergeben können. Die Fördersumme für den Transregio beträgt 10,7 Millionen Euro.

„Ich gratuliere den am Antrag beteiligten Mathematiker*innen unserer Universität und ihren Kolleg*innen aus Paderborn herzlich, dass sie diesen neuen Sonderforschungsbereich einwerben konnten“, sagt Prof. Dr.-Ing. Gerhard Sagerer, Rektor der Universität Bielefeld. „Die neue Förderung der Forschung zu ganzzahligen Strukturen würdigt die wissenschaftliche Leistung der mitwirkenden Wissenschaftler*innen. Hinzu kommt: Dass es sich um den zweiten gemeinsamen Transregio der beiden Universitäten handelt, ist eine eindrucksvolle Bestätigung unserer jahrelangen Zusammenarbeit.“ 

Prof. Dr. Birgitt Riegraf, Präsidentin der Universität Paderborn: „Die Entscheidung der DFG, den standortübergreifenden Sonderforschungsbereich einzurichten, freut uns außerordentlich. Sie ist Ausdruck und Anerkennung der mathematischen Spitzenforschung an den Universitäten Paderborn und Bielefeld. Wir alle sind sehr stolz auf die herausragenden Leistungen aller beteiligten Wissenschaftler*innen und gratulieren ihnen zu diesem Erfolg.“

Prominent sichtbar sind ganzzahlige Strukturen in der Alhambra

Ganzzahlige Strukturen begegnen Mathematiker*innen nicht nur in der Geometrie, sondern auch in Algebra, Analysis, Zahlentheorie und weiteren mathematischen Teilgebieten. So ist zum Beispiel ein Schachbrettmuster ganzzahlig aufgebaut. Es handelt sich um eine einfache Pflasterung – ein Gitter aus Vierecken mit gleich langen Kanten. Täglich bewundert werden Pflasterungen in dem maurischen Alhambra-Palast in Granada, Spanien. Verzierungen aus Rankenornamenten, den Arabesken, schmücken Wände und Säulen des Palastes. Die Muster basieren auf Dreiecken, Rechtecken oder auch Rauten. Durch Drehungen und Spiegelungen dieser Komponenten ergeben sich die Muster. Diesen Pflasterungen lassen sich Ornamentgruppen zuordnen, die die Symmetrien der Pflasterung algebraisch kodieren. Die Alhambra-Verzierungen bilden insgesamt 17 Ornamentgruppen ab – und das erschöpft auch alle Möglichkeiten im zweidimensionalen Raum. Beim Übergang von der zweidimensionalen Fläche in den dreidimensionalen Raum ergeben sich insgesamt 230 Raumgruppen. Mit ihnen lässt sich zum Beispiel der Aufbau von Kristallen beschreiben. Je höher die Dimension, desto mehr unterschiedliche Pflasterungen und Ornamentgruppen treten auf. Die Mathematik kann mit Dimensionen weit jenseits des dreidimensionalen Raums arbeiten.

„Am Beispiel der Ornamentgruppen und ihrer Varianten zeigt sich, wie faszinierend ganzzahlige Strukturen sind“, sagt Prof. Dr. Kai-Uwe Bux, Sprecher des neuen Transregio 358 und Mitglied der Arbeitsgruppe „Gruppen und Geometrie“ an der Universität Bielefeld. „Mit Blick auf ganzzahlige Strukturen stellen sich etliche Fragen, die mathematisch bedeutsam sind. Zum Beispiel: Wie viele Arrangements einer bestimmten Form gibt es? Wie variiert die Anzahl der Gitterpunkte in einem Ausschnitt mit dessen Radius? Oder gibt es Muster mit besonders vielen Symmetrien und haben sie auffällige Besonderheiten zum Beispiel in analytischer oder algebraischer Hinsicht? Um diese und verwandte Fragen anzugehen, reicht es nicht, dass wir uns auf ein mathematisches Teilgebiet beschränken. Die Forschung reicht etwa von algebraischer Geometrie über die Analysis auf Mannigfaltigkeiten bis zur Darstellungstheorie assoziativer Algebren.“

Prof. Dr. Igor Burban, stellvertretender Sprecher des SFB und Leiter der Arbeitsgruppe „Algebra“ an der Universität Paderborn: „Im Rahmen des SFB-Verbundes werden bereits bestehende Kooperationen zwischen den beiden Standorten in den Bereichen der algebraischen Geometrie und der kategorialen Darstellungstheorie ergänzt und vertieft. Allerdings werden auch neue Brücken geschlagen, zum Beispiel zwischen der Darstellungstheorie endlich dimensionaler Algebren und der geometrischen Gruppentheorie. Harmonische Analysis auf reellen lokal symmetrischen Räumen gehört zu den Schwerpunktthemen der mathematischen Forschung in Paderborn.“

Transregio baut auf zwei Sonderforschungsbereichen und Graduiertenkolleg auf

Der Transregio vereint die Expertise von 23 Professor*innen aus den verschiedenen Teilgebieten der Mathematik. In den 20 Teilprojekten des Forschungsverbundes werden 32 Doktorand*innen und 28 Postdoktorand*innen tätig sein. Die große Mehrzahl der Projekte ist standortübergreifend und bezieht mindestens zwei der beteiligten Universitäten ein.

Wie intensiv sie mathematische Teildisziplinen verbinden können, haben Wissenschaftler*innen der Universitäten Bielefeld und Paderborn bereits in früheren Forschungsverbünden gezeigt, auf denen der neue Transregio aufbaut: In den Sonderforschungsbereichen „Diskrete Strukturen in der Mathematik“ (SFB 343) und „Spektrale Strukturen und Topologische Methoden in der Mathematik“ (SFB 701) der Universität Bielefeld sowie im Graduiertenkolleg „Geometrie und Analyse von Symmetrien“ (GRK 1133) der Universität Paderborn.

Fachwissen und Forschungspotentiale der Universitäten Bielefeld und Paderborn ergänzen sich nicht nur im Transregio. Die Wissenschaftler*innen blicken auf eine lange und fruchtbare Kooperation zurück. Dazu zählen gemeinsame Projekte, Forschungskollegs und -programme, zum Beispiel im Forschungsfeld künstliche Intelligenz (KI) und in den Kulturwissenschaften.

Die Universität Bielefeld genießt in der Mathematik international einen hervorragenden Ruf. Das zeigt sich auch in ihrer Platzierung im aktuellen Förderatlas der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Darin steht die Universität Bielefeld im Forschungsfeld Mathematik gemessen an der DFG-Bewilligungssumme deutschlandweit auf Platz drei. Im aktuellen Shanghai-Ranking wiederum zählt sie in der Mathematik weltweit zu den besten 100 Universitäten. Ihre Kompetenzen in den Teilgebieten Algebra und Analysis ergänzen die Bielefelder Forschenden in dem Transregio unter anderem um Expertise zur geometrischen Gruppentheorie und der Kombinatorik.

Die Paderborner Mathematiker*innen bringen eine ausgewiesene Expertise auf den Gebieten der Algebra und Analysis mit, was sich unter anderem in den guten Platzierungen des Shanghai-Rankings der vergangenen Jahre zeigt. Die mathematische Forschung an der Schnittstelle der beiden Teilgebiete kennzeichnet das wissenschaftliche Profil des Paderborner Instituts für Mathematik. Dabei sind es insbesondere die Arbeiten des Schwerpunktbereichs „Harmonische Analysis, Darstellungstheorie und Zahlentheorie“, die in den SFB einfließen.

Zwei weltweit renommierte Forschende wirken im Transregio mit

Als Gastwissenschaftlerin forscht die ukrainische Mathematikerin Prof. Dr. Maryna Viazovska von der Schweizer École polytechnique fédérale de Lausanne (EPFL) in dem Transregio. Sie ist bekannt für ihren bahnbrechenden Beitrag zur Theorie dichtester Kugelpackungen. Viazovska ist seit diesem Jahr Trägerin der Fields-Medaille, der höchsten wissenschaftlichen Auszeichnung in der Mathematik. Ebenfalls am Transregio beteiligt sein wird der australische Mathematiker Prof. Dr. Amnon Neeman von der Australian National University. Er leistete Pionierarbeit bei der Entwicklung von triangulierten Kategorien. Beide Forschende werden als Mercator-Fellows von der DFG gefördert.

Sonderforschungsbereiche (SFB) sind langfristig angelegte Forschungseinrichtungen der Universitäten, in denen Wissenschaftler*innen im Rahmen eines fächerübergreifenden Forschungsprogramms zusammenarbeiten. Transregio heißt ein Sonderforschungsbereich, wenn er von zwei oder drei Universitäten gemeinsam beantragt und getragen wird. Von der Forschung im neuen Transregio verspricht sich Burban viel: „Dank der Förderung haben bereits bestehende Arbeitsgruppen jetzt die Möglichkeit, neue Arbeitsgemeinschaften und Seminare zu aktuellen Forschungsthemen zu gestalten. Der SFB wird den Standort Paderborn damit noch attraktiver für Postdoktorand*innen und Gäste machen“, so der Wissenschaftler.

Foto (Universität Bielefeld, S. Jonek): Durch die Auseinandersetzung mit ganzzahligen Strukturen soll das Forschungsprogramm des neuen Sonderforschungsbereichs mathematische Teilbereiche zusammenführen.
Foto (privat): Prof. Dr. Igor Burban von der Universität Paderborn ist stv. Sprecher des Sonderforschungsbereichs.

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