Geschichte der Steuermoral
Die „Suisse Secrets“ zeigen es ebenso wie die „Paradies“ und die „Panama Papers“: das unehrliche Steuerzahlen wird im öffentlichen Bewusstsein immer stärker als Problem wahrgenommen, und skandalisiert. Denn Steuern könnten helfen, die Kosten der derzeitigen Corona-, Ukraine- und Klimakrisen einigermaßen gerecht über die Gesellschaft zu verteilen und eine weitere Öffnung der sozialen Schere zu verhindern – wenn denn alle ihre Steuern zahlen würden, wenn die Steuermoral nicht so schlecht wäre.
Steuermoral - was ist das eigentlich?
Im Projekt wird Steuermoral verstanden als die Normen des Steuerzahlens, die das Ziel haben, abweichendes Verhalten von Individuen zu verhindern, und die immer wieder neu ausgehandelt werden müssen. Dementsprechend untersucht das Projekt die Diskurse um das ehrliche Steuerzahlen zwischen dem Zweiten Weltkrieg und den 1980er Jahren, und zwar in den drei Beispielländern Westdeutschland, Spanien und den USA. Wer äußerte sich zu dem Thema wie, und welche Interessen verfolgten die Beteiligten? Wie wurden die Normen des Steuerzahlens, d.h. die Steuermoral, immer wieder neu verhandelt? Welche Narrative des Steuerzahlens entwickelten sich unter ganz unterschiedlichen wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Rahmenbedingungen? Wovon hing es ab, ob sich ein Narrativ in der öffentlichen Diskussion durchsetzen konnte, das Steuerhinterziehung oder -umgehung als Notwehr der Bürger*in gegen völlig überzogene staatliche Forderungen erklärte – oder eines, das Steuersünder*innen als Kriminelle darstellte, die das Allgemeinwohl gefährdeten?
Welche Quellen stehen für eine Geschichte der Steuermoral zur Verfügung?
Antworten auf diese Fragen der Historikerin finden sich in unterschiedlichsten Quellengattungen, vom Zeitungsartikel bis zur Fernseh-Diskussionrunde, von der Stellungnahme eines Kirchenvertreters bis zum Parteiprogramm, vom ökonomischen Modell bis zum Vortrag eine*r Lobbyvertreter*in, vom Unterrichtsmaterial zur Steuererziehung bis zum Steuerratgeber. Wie entwickelten sich die Normen des Steuerzahlens im öffentlichen Diskurs in der frühen Bundesrepublik, in Spanien unter Franco und nach der Transición zur Demokratie, in den USA während des Kalten Krieges? Das historische Verständnis der Entwicklung ist unabdingbar zur Analyse gegenwärtiger Herausforderungen auf dem Gebiet der Steuermoral.
Das Projekt wird von der DFG im Rahmen des Heisenberg-Programms von 2018-2025 gefördert.