Veranstaltungen und Publikationen
Narrative des Humanismus in der Weimarer Republik und im Exil: Zur Aktualität einer kulturpolitischen Herausforderung für Europa
Internationale Tagung (Deutschland, Italien und Österreich)
27.-30.09.2021 | Universität Paderborn
Vom 27. bis zum 30. September 2021 fand an der Universität Paderborn eine vom DAAD in der Förderlinie „Hochschuldialog mit Südeuropa“ finanzierte Tagung zum Thema „Narrative des Humanismus in der Weimarer Republik und im Exil. Zur Aktualität einer kulturpolitischen Herausforderung für Europa“ statt. Das Team der Veranstalter*innen Prof. Dr. Claudia Öhlschläger (Paderborn), Prof. Dr. Isolde Schiffermüller (Verona), Prof. Dr. Lucia Perrone Capano (Foggia) und Prof. Dr. Arturo Larcati (Verona/Salzburg) konzipierte diese internationale Zusammenkunft mit etablierten Wissenschaftler*innen aus dem Bereich der literaturwissenschaftlichen und philosophischen Humanismus-Forschung und mit Nachwuchswissenschaftler*innen, die sich im Bereich des Themenfelds Humanismus und Weimarer Republik qualifizieren.
Prof. Gregor Streim (Jena) eröffnete die Tagung mit einem Vortrag zu Thomas Manns ‚neuem‘ Humanismus der 1930er Jahre, wobei dieser ‚neue‘ Humanismus Semantiken aufweist, die sowohl religiös wie sozial motiviert sind und eine anthropologische wie psychologische Perspektive eröffnen (vgl. Th. Mann: „Freud und die Zukunft“, 1936). Thomas Mann ging es um eine humanistisch-ethische Wiederherstellung des Menschlichen unter Einbeziehung eines „nächtlichen Humanismus“, der jenseits der Vernunftbegabung des Menschen nach dem Dämonischen und dessen Selbstüberwindung bzw. Sublimation fragt (vgl. etwa Manns Essay „Bruder Hitler“(1938), das philosophische Duell zwischen Naphta und Settembrini in „Der Zauberberg“ (1924) oder gar die allegorische Darstellung vom bürgerlichen Abfall von der Vernunft im Teufelspakt des Adrian Leverkühn in Manns „Dr. Faustus“ (1947)). Thomas Manns antiidealistische Humanismuskritik stellt sich in den Dienst einer neuen Gemeinschaftsbildung. Diskutiert wurde Manns Projekt der Überwindung eines bürgerlichen Humanismus zugunsten eines sozialistischen Humanismus sowie sein Projekt einer sozialen Weltgemeinschaft. PD Dr. Matthias Löwe (Jena) beleuchtete in seinem Vortrag „Ernst Cassirer im Kontext zeitgenössischer Humanismus-Varianten“ das humanistische Konzept des Kulturphilosophen Ernst Cassirer, das sowohl Vorstellungen des Neukantianismus als auch der Gestalttheorie aufnimmt und Züge einer „Formalisierung von Humanismus“ trägt. Cassirers Erkenntnistheorie setzt auf die Vielfalt menschlicher Erfahrungswirklichkeit und vertritt die These, dass Wahrnehmung immer schon Symbolisierungstätigkeit impliziert. Der Mensch bändigt die Fülle der Sinneswahrnehmung und bündelt sie in der Form. Cassirers auf die Goethezeit zurückprojizierte Symbolphilosophie steht für eine Freiheitsidee, die sich gegen Determinismus richtet. Das ‚Ich‘ erscheint als Bildner seiner eigenen Schöpfung, sein Tun geht einher mit der Schaffung kultureller Existenz. Diskutiert wurde weiterhin Cassirers Deutung des Nationalsozialismus vor dem Hintergrund der Macht mythischen Denkens und einer Rückkehr zu deterministischen Menschenbildern. Im Vortrag von Prof. Dr. Isolde Schiffermüller (Verona) standen verschiedene Narrative des Humanismus in der Essayistik der 1930er Jahre im Fokus, Ernst Robert Curtius’ „Deutscher Geist in Gefahr“ und das dort artikulierte Glaubensbekenntnis eines an der Antike und an der Goethezeit ausgerichteten ‚neuen‘ Humanismus, Werner Jaegers „Paideia“ und das dort vertretene Konzept eines ‚Dritten Humanismus‘, das auf die politisch-pädagogische Erziehung des Menschen setzt und dabei unter Inanspruchnahme völkischen Vokabulars nationalkonservative Modelle aufruft, sowie der sozialistische Humanismus, der ab 1934 bürgerliche und kommunistisch gesinnte Intellektuelle erfasst (vgl. Ludwig Marcuse, Klaus Mann u.a.). Dr. Elisa Destro (Verona) reflektierte flankierend zum Vortrag von Isolde Schiffermüller den Zusammenhang von Bildungskrise und Humanismus bei Ernst Robert Curtius. Curtius sah im Bildungsabbau einen Grund für die Entwicklung von Kulturhass und Barbarei und schlug für den neuen Humanismus seiner Epoche, der sich an „dunklen Zeiten“ orientieren müsse, eine Rückbesinnung auf das lateinische Mittelalter vor. Im Vortrag von Dr. Gabriella Pelloni (Verona) wurden Metaphern der Männlichkeit sowie homophile Freundschaftsbünde und ihre Semantiken in Essays von Thomas und Klaus Mann in den Blick genommen. Frau Pelloni rekonstruierte und reflektierte anhand ausgewählter Essays der beiden Autoren Stereotypen binärer Geschlechtercodes, die einerseits im Zusammenhang von Schöpfungsmetaphoriken stehen, andererseits zum Ausdruck bringen, dass es insbesondere bei Thomas Mann um homosoziale Konstruktionen demokratischer Gesellschaften und in Anlehnung an Sigmund Freuds „Totem und Tabu“ um Fragen der Entstehung von Kultur (Vatermord), Schuld und Aggressionsbewältigung geht. Prof. Dr. Arturo Larcati (Salzburg/Verona) fragte in seinem Vortrag über Stefan Zweigs Projekt einer „Humanisierung der Welt“, wie der Autor anhand seiner Gestalten Erasmus von Rotterdam, Castellio, Cicero und Montaigne auf die Krisen der Zeit reagierte. Er identifizierte 1) das Prinzip der geistigen Selbständigkeit und Freiheit verbunden mit einer utopischen Vision einer „république de lettre“, 2) die Transformation eines utopischen zu einem kämpferischen, wehrhaften Humanismus bei Castellio und 3) das Konzept von Haltung und Würde, wie es sich für Michel de Montaigne und Cicero ausmachen lässt. Clemens Woldan (Salzburg) nahm Positionen des Todesstrafe-Diskurses im Kontext von Stefan Zweigs Denken über Humanismus in den Blick. Dr. Simone Lettner (Salzburg) untersuchte anhand einer vergleichenden intertextuellen Lektüre von Heinrich Manns „Die Jugend des Henri Quatre“ (1935) und „Die Vollendung des Henri Quatre“ (1938) Manns Orientierung an Montaignes Essayistik einerseits, und an antiken Quellen von Horaz, Lukrez, Cicero bis zu Juvenal und Seneca andererseits. Prof. Dr. Claudia Öhlschläger (Paderborn) entwickelte in ihrem Vortrag über Joseph Roths Feuilletonserie „Die weißen Städte“ (1925/26) das Konzept eines poetischen Humanismus: Am Leitfaden der Metapher des Lichts, die bei Roth sowohl meteorologisch, religiös und schließlich medienreflexiv motiviert ist, konnte sie zeigen, dass der Autor in „Die weißen Städte“ ein kosmopolitisch geprägtes Verständnis von Humanismus entfaltet und nachgerade zur Anschauung bringt. Denn Roth sieht die Städte und Städtchen der Provence als Abbilder seiner Phantasien, Vorstellungen, Träume und Imaginationen, die die „Requisiten“ für das Bühnenbild eines illuminierten Südens des Humanismus bereitstellen. Prof. Dr. Lucia Perrone Capano (Foggia) stellte kleine kulturpolitische Reportagen, Essays und Artikel von Erika Mann vor, in denen die Grenze zwischen Hochkultur und Populärkultur eingezogen wird. Frau Perrone Capano konnte zeigen, dass der Modus des „Durchfahrens“ Europas mittels moderner Verkehrsmittel, wie dem Auto, die Struktur von Erika Mann performativer Essayistik prägt: Erika Manns Sprache bleibt beweglich und entfacht eine schelmenhafte Beobachtungslust, die einhergeht mit der moralischen Verpflichtung einer Zeitzeugin, den epochalen Ereignissen eine Stimme zu geben. Erika Manns Humanismus denkt die Bedingungen seiner künstlerischen Erzeugung mit. Den Abschluss der Tagungsveranstaltung bildete der Vortrag von Dr. Myrtha de Meo-Ehlert (Foggia), in dem in einem ideengeschichtlichen und philosophischen Blick auf deutsch-italienische Kulturbeziehungen verschiedene Perspektiven auf Dante als Angelpunkt humanistischer Denkoperationen rekonstruiert wurden.
Intersections of Gender and Myth in Canadian Culture and Media / Intersections de Genre et Mythe dans la Culture et les Médias du Canada
Internationale und interdisziplinäre Nachwuchstagung
27.-29.06.2019 | Universität Kassel
Vom 27. bis 29. Juni 2019 hat an der Universität Kassel die 16. Tagung des Nachwuchsforums der Gesellschaft für Kanada-Studien stattgefunden; das Thema lautete "Intersections of Gender and Myth in Canadian Culture and Media / Intersections de Genre et Mythe dans la Culture et les Médias du Canada". Organisiert wurde die internationale und interdisziplinäre Veranstaltung vom Leitungsteam 2018/2019 des Nachwuchsforums, bestehend aus Maike Baumgärtner, M.A. und Tamara Schmitt, M.A. von der Universität Kassel sowie Ronja Hannebohm, M.A. und Anda-Lisa Harmening, M.A. von der Universität Paderborn. Der Dank des Organisationsteams gilt der Gesellschaft und der Stiftung für Kanada-Studien, der Botschaft von Kanada, den Universitäten Kassel und Paderborn, der IAG Frauen- und Geschlechterforschung der Universität Kassel sowie der Universitätsgesellschaft Paderborn, deren großzügige Unterstützung die Realisierung der Tagung möglich gemacht hat.
Die Tagung wurde am Donnerstagnachmittag durch das Leitungsteam des Nachwuchsforums sowie durch die Schirmherr_innen Prof. Dr. Susanne Bach (Universität Kassel) und Prof. Dr. Jörn Steigerwald (Universität Paderborn) eröffnet. Im Anschluss an die Grußworte führte Prof. Dr. Reingard M. Nischik (Universität Konstanz) mit einer Keynote in die Tagungsthematik ein und initiierte eine erste Diskussionsrunde mit Studierenden, Nachwuchswissenschaftler_innen und etablierten Forschenden, die beim Aperitif und beim gemeinsamen Abendessen im Restaurant im Renthof fortgesetzt wurde.
Der Freitagvormittag stand unter der Überschrift "Myth-Gender Interrelations in (Indigenous) Canadian Culture". Die Keynote von Feisal Kirumira, M.A. (University of Alberta) näherte sich sowohl über einen empirischen als auch einen kreativen Zugang einer Verknüpfung der Aspekte myth, gender und race; in zwei Vorträgen wurde Intersektionalität aus psychologischer und ethnographischer Perspektive betrachtet. Unter dem Titel "(De)Mythifications of Gender in Canadian Literatures" widmeten sich die Beiträge des Freitagnachmittags der Darstellung von Geschlecht in literarischen Werken. Dr. Vera Alexander (Universiteit Groningen) untersuchte in ihrer Keynote Geschlecht und Krisen, die in literarischen Gärten ausgehandelt werden; vier Vorträge beschäftigten sich mit indigenen und ostasiatisch-kanadischen Schriftstellerinnen sowie mit der international renommierten Autorin Margaret Atwood. Um den aus Deutschland, den europäischen Nachbarländern und Kanada angereisten Tagungsgästen auch einige Eindrücke von Kassel jenseits des Universitätscampus zu bieten, war für den späten Freitagnachmittag eine Stadtführung organisiert worden. Die Tour führte an der Fulda entlang in die Innenstadt Kassels, wo die Gruppe mehr über die Stadtgeschichte seit dem zweiten Weltkrieg erfuhr, und endete am Restaurant Il Convento, wo alle den zweiten Tagungstag ausklingen ließen.
Am Samstagvormittag drehte sich unter der Überschrift "Intersectional Gender Identities in Canadian Visual Media" alles um Videospiele, Filme und Serien. In seiner Keynote problematisierte Ass.-Prof. Dr. René Schallegger (Universität Klagenfurt) insbesondere Darstellungen von Homosexualität in kanadischen Videospielen und ließ das Publikum an eigenen Spielmitschnitten teilhaben; die drei Vortragenden der Sektion betrachteten Mythos und Geschlecht im Spielfilm sowie queere Identitäten in Serienformaten. Eine Open-Access-Publikation aller Keynotes und Vorträge ist für 2020 geplant. Nach einer letzten ausgiebigen Diskussionsrunde wurde die Tagung durch das amtierende Leitungsteam des Nachwuchsforums geschlossen und der Staffelstab an das nächste Leitungsteam übergeben.
Politische Interventionen und Spielräume in der Gegenwartsliteratur von Autorinnen
Binationaler Workshop (Universität Paderborn - Università degli Studi di Salerno)
10.-12.10.2018 | Università degli Studi di Salerno
Im Rahmen des binationalen Workshops "Politische Interventionen und Spielräume in der Gegenwartsliteratur von Autorinnen" diskutierten Komparatist_innen der Universität Paderborn mit Germanist_innen der Università degli Studi di Salerno über politisch engagierte Schriftstellerinnen und ihre Werke. Konzipiert und organisiert wurde die Veranstaltung von Prof. Dr. Lucia Perrone Capano, die einen vergleichenden Vortrag zu Jenny Erpenbeck und Melanie Mazzucco hielt, und Prof. Dr. Claudia Öhlschläger, die in die Veranstaltung einführte.
Von Paderborner Seite namen fünf Komparatist_innen am Workshop teil. Masterstudent Jakob Cyrkel stellte unter der Überschrift "Diskurse des Politischen in der Literatur" theoretische Reflexionen zum Workshopthema an. Dr. Leonie Süwolto und Doktorandin Anda-Lisa Harmening trugen gemeinsam zum Thema "'Ich hielt meinen Schmerz für eine Privatangelegenheit'. Biopolitik, Staat und Subjekt in Juli Zehs Corpus Delicti" vor, Doktorandin Ronja Hannebohm beschäftigte sich in ihrem Vortrag mit "Variablen der Wahrheit - Zitierspiele und Gesellschaftssatire in Emma Braslavskys Leben ist keine Art, mit einem Tier umzugehen" und Masterstudentin Kirsten Behr sprach zum Thema "Absurdes S/schreiben: Literarische Fraktur und gesellschaftliche Regeneration in Yanick Lahens' Failles".
Neben littérature engagée bot der Workshop auch italienische dolce vita: Für den Vormittag des ersten Tagungstages hatte die Università degli Studi di Salerno eine Stadtführung für die Paderborner Komparatist_innen organisiert, bei der der Germanistik-Student Christian Accardi von der Uferpromenade über kunstvoll verzierte Hinterhöfe bis zum Giardino della Minerva über den Dächern der Stadt viele Highlights Salernos zeigte. Während der Tagung konnten die Paderborner Gäste sich mit authentischer süditalienischer Küche stärken. Und am Tag nach Tagungsende blieb noch genug Zeit für einen Ausflug an der Amalfiküste entlang bis in das pittoreske Städtchen Positano. Die Abende konnten bei bestem spätsommerlichen Wetter in den Gassen Salernos bei einem Getränk ausklingen, sodass die produktiven Tage sich kaum nach Arbeit anfühlten, sondern vor allem ein Vergnügen waren.
Ein paar Eindrücke von den drei Tagen in Italien sind hier in Bildern festgehalten.
(Warum manche der Bilder sich nicht korrekt drehen, ist aktuell noch ein Mysterium, an dessen Lösung aber gearbeitet wird.)
Dementia and Subjectivity / Demenz und Subjektivität. Aesthetic, Literary and Philosophical Perspectives / Ästhetische, literarische und philosophische Perspektiven
Internationale und interdisziplinäre Tagung
12.-14.11.2015 | Universität Paderborn
Details zur Veranstaltung folgen in Kürze!
Die Vorträge sind im Anschluss in einem Tagungsband publiziert worden.
Daniela Ringkamp, Sara Strauß, Leonie Süwolto (Hg.): Dementia and Subjectivity / Demenz und Subjektivität. Aesthetic, Literary and Philosophical Perspectives / Ästhetische, literarische und philosophische Perspektiven. Frankfurt am Main: Lang, 2017.
Zeichen der Zeit. Figurationen des Zeitlichen in Literatur und Kultur
Internationale Doktorandentagung und Workshop
02./03.11.2011 | Universität Paderborn
Details zur Veranstaltung folgen in Kürze!
Die Vorträge sind im Anschluss in einem Tagungsband publiziert worden.
Claudia Öhlschläger, Lucia Perrone Capano (Hg.): Figurationen des Temporalen. Poetische, philosophische und mediale Reflexionen über Zeit. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2013.
Informationen auf der Seite des Vandenhoeck & Ruprecht-Verlags
Realismus nach den europäischen Avantgarden
Binationale Tagung (Universität Paderborn - Università degli Studi di Salerno)
06.-08.10.2010 | Universität Paderborn
Details zur Veranstaltung folgen in Kürze!
Die Vorträge sind im Anschluss in einem Tagungsband publiziert worden.
Claudia Öhlschläger, Lucia Perrone Capano, Vittoria Borsò (Hg.): Realismus nach den europäischen Avantgarden. Ästhetik, Poetologie und Kognition in Film und Literatur der Nachkriegszeit. Bielefeld: Transcript, 2012.