Wintersemester 2024/25
SILOGESPRÄCHE
„Sammellust & Bilderflut“
Im Wintersemester 2024/25 setzen wir die Silogespräche zum aktuellen Thema „Sammellust und Bilderflut“ fort. Gemeinsam mit Künstler*innen und Wissenschaftler*innen aus unterschiedlichen Gattungen und Disziplinen richten wir dabei verstärkt den Blick auf Praktiken des (ästhetischen) Sammelns und Speicherns von biografischen Erinnerungsstücken und Alltagsfragmenten und fragen nach den spezifischen Transformationen in enzyklopädische Formate wie Sammlung, Archiv oder Ausstellung. Fortschritt und Verlust, Verschwinden und Vergessen, Kollaborierens und Konstellierens kennzeichnen als Phänomene, Prozesse oder Praktiken u.a. unsere krisenhafte, „brüchige Gegenwart“. Das Sammeln verschafft dabei vermeintlich Sicherheit und Sinn, was einerseits in der Handlung und Tätigkeit des Sammelns, andererseits in der Materialität gesammelten Gegenstände, Daten, Bilder usw. begründet liegt. Transport und Speicherung, numerische Aufreihung, rechnerische Verknüpfung oder konstellierter Schaukontext bringen Zusammenhalt und Ordnung in unsere Wissensbestände und organisieren unsere Wahrnehmung (global brain): Die in den Archiven angehäuften (Wissens-)Vorräte scheinen kompakt gesichert, permanent verfügbar, leicht übertragbar und verknüpfbar. Doch Sammlungsbestand, Raum und Zeit entwickeln immer auch ganz eigene Logiken. Sie bilden gemeinsam ein Feld, in welchem Zustände des Zusammenkommens und des Sich-Naheseins ebenso möglich sind wie Prozesse der Zerstreuung und Fragmentierung. Dabei interessiert uns, welche epistemischen und ästhetischen Dynamisierungen den unzähligen Massen von Sammlungsgegenständen und Erinnerungsfragmenten insbesondere durch seine ordnende Situierung im Archiv widerfährt. Wie können wir mit digital bzw. fortan auch verstärkt mit KI-generierten Materialien hinsichtlich einer zukünftig angestrebten Langzeitverfügbarkeit ästhetisch, künstlerisch und wissenschaftlich verfahren? Und in welcher Weise sind wir als Subjekte in die objektiven Bedingungen allen Sammelns, d.h. Dinge zu erblicken, zu nehmen, zu tragen und zu arrangieren, stets verstrickt und entwickeln imaginativ oder real ganz eigene Mikroarchive?
Die Reihe wird eröffnet am Dienstag, den 7. Januar 2025. Eingeladen ist der Kultur- und Literaturwissenschaftler Jens Birkmeyer (Münster), der sich in seinem Vortrag mit Bild- Textkonstellationen im Werk von Alexander Kluge beschäftigt. Zwei neue Buchpublikationen Kluges stehen für die erweiterten Erzählräume von Kluge im Mittelpunkt: „Das Separatrix Projekt“ (2022) mit der Künstlerin Katharina Grosse sowie „Der Konjunktiv der Bilder. Meine virtuelle Kamera (K.I.)“ (2024). In ihnen collagiert und konstelliert Kluge Kommentare und Erzähltexte zu (1.) Bildern der von Katharina Grosse und mit (2.) selbst hergestellten KI-Bildern durch „Stable Diffusion“. Beide Projekte verstehen sich als Fortführung der Aufklärung mit erweiterten künstlerischen Mitteln. Im Kern geht es in beiden Varianten um die konstellative Ausweitung und vertikale Vertiefung des Möglichkeitsraumes von Wahrnehmung, Wissen und Vorstellungsvermögen. Die für Kluges biographisch geprägte Grundorientierung („Pluriversum“), soll um eine multimediale Sammlung für eine Enzyklopädie des 21. Jh. durch einen Medienmix aus Minutenfilmen, Filmstills, Narrationen, Foto- und Bildbearbeitungen ausgeweitet werden. Disparate Materialien, Verweise und Assoziationen ermöglichen Konstellationen und polyphone Gegenbilder gegen simplifizierende Linearität, orientierungslose Kontextlosigkeit sowie kurzatmige Banalisierungen des Wahrnehmens, Vorstellens, Denkens und Sprechens.
Jens Birkmeyer, Dr. phil. (1957), nach Promotion 1992 über Peter Weiss „Die Ästhetik des Widerstands“, Lehrtätigkeit an Uni Ffm. und TU Darmstadt, Gymnasiallehrer (Deutsch, Politik, Philosophie), 1995-2022 OStR. i.H. für Literaturwissenschaft/Literatur- u. Filmdidaktik Universität Münster. Seit WS 2022 im Ruhestand.
Arbeitsgebiete und Forschung: die Literatur des 20. und 21. Jahrhunderts (bes. Walter Benjamin, Peter Weiss, Rose Ausländer, Edgar Hilsenrath und Alexander Kluge); Holocaustliteratur und Erinnerungskultur; Kritische Theorie der Kultur sowie philosophische und ästhetische Diskurse der Bildungstheorie und Literaturdidaktik.
Ausgewählte Publikationen: Selbstthematisierung / Autofiktion. In: Schulte/Siebers (Hrsg.): Alexander Kluge-Handbuch (2025); „Kongs große Stunde: Chronik des Zusammenhangs“. In: Alexander Kluge-Handbuch (2025); Entgötterte Menschlichkeit. Feuerbachs Spuren in Gottfried Kellers Bildungsroman „Der grüne Heinrich“. In: Reitemeyer (Hrsg.): Realer Humanismus im Vormärz (2022); Betreten verboten! Elemente einer philosophischen Kritik der Mondbenutzung. In: Feldmann/Höppner (Hrsg.): Wie über Natur reden. Philosophische Zugänge zum Naturverständnis im 21. Jahrhundert (2020); Die Infamie der Schuld. Vom Briefroman zur Tätergroteske: Edgar Hilsenraths »Der Nazi & der Friseur«. In: Braun (Hrsg.): „… was wir mitgenommen haben ist das Erinnern.“ (2020); Im Bildraum des Kindes. Perzeption und Latenz bei Walter Benjamin, in: Pompe (Hrsg.), Bild und Latenz. Impulse für eine Didaktik der Bildlatenz (2019).
Das Silogespräch am 7. Januar 2025, das Prof. Dr. Sabiene Autsch moderieren wird, findet von 18-20 Uhr (s.t.) in Präsenz statt.
Alle Interessierten der Universität, insbesondere die Studierenden der Fakultät für Kulturwissenschaften sind herzlich in das Atelier im Silo, Warburger Str. 100 eingeladen.
Weitere Infos zu den SILOGESPRÄCHEN sind der Homepage zu entnehmen: kw.uni-paderborn.de/fach-kunst/projekte/silogespraeche
Konzept: Prof. Dr. Sabiene Autsch (Kunst/Kunstgeschichte und ihre Didaktik), Prof. Max Schulze (Malerei).