Bericht zur Iran-Reise 2019

Interreligiöses Lernen im Iran

Eindrücke der Reisenden im Februar 2019

 

20.02.2019

Der erste Tag nach unserer Anreise startete nach einer kurzen Nacht und ca. drei Stunden Schlaf. Anders als sonst wurden nach der Dusche nicht die Haare gemacht, sondern das Kopftuch gebunden und darauf geachtet, keine zu engen Sachen zu tragen. Die Frage, was genau zu eng sei und ob etwas lang genug ist, wurde ausgiebig diskutiert. Beim ersten Frühstück im Hotel testete man sich durch die verschiedenen Speisen und vermisste ein wenig den frisch gekochten Kaffee. Also musste der schwarze Tee die Müdigkeit verdrängen.
Nach einer holprigen Busfahrt standen wir also endlich vor der University of Religions and Denominations. Wir wurden in den Konferenzraum der Universität geführt und dort begrüßt. Im Anschluss begann das Seminar von Prof. Klaus von Stosch. Der Titel seines Artikels lautet „Kant als Herausforderung moderner Theologie“. Schritt für Schritt wurden die Fragen, welche am Ende der Texte standen, besprochen. Angefangen bei der Vorstellung der kopernikanischen Wende Kants und ihres essentiellen Perspektivwechsels vom Objekt zum Subjekt über die Unterscheidung von Rationalismus und Empirismus endete die erste Sitzung mit der Feststellung, dass jeder Mensch den Drang „warum?“ zu fragen, in sich trägt.
Nach der Pause startete Prof. Helga Kuhlmann mit einer Einführung in das Thema „Offenbarung Gottes in der Moderne“. Sie betonte, dass sich die Bedeutung von Offenbarung nach Kant fundamental verändert hatte und dass die Texte der Bibel in einer modernen Lesart interpretiert werden müssen. Die Religion tritt in Europa mehr und mehr in den Hintergrund und religiöse Menschen werden zu Experten, die ihr Wissen weitergeben und die Frage nach der Präsenz Gottes in der modernen Welt beantworten. Verschiedenen Beispiele und Wege der Offenbarung wurden hierzu vorgestellt und diskutiert.
Der Nachmittag verflog durch Diskussionen und dem andauernden Kampf gegen die größer werdende Müdigkeit. Mit dem Besuch eines Restaurants und einem gemeinsamen Spaziergang zurück zum Hotel endete der erste Tag im Iran recht früh.

 

21.02.2019

Der zweite Tag in Qom begann mit Prof. von Stoschs Seminar über die Philosophie nach Kant als Basis für die moderne christliche Theologie. Nach dem Klären von Fragen des Vortages folgte ein Kurzvortrag über die Wahrheitsfrage. Anschließend wurde in Kleingruppen diskutiert. Um besser in Kontakt mit den iranischen Studierenden zu kommen, wurde in gemischten Gruppen gearbeitet. Dabei wurden folgende Fragen besprochen: Warum verändert Kant so grundlegend die Methodik der Metaphysik? Worin besteht seine kopernikanische Wende? Dabei stellte sich heraus, dass Kant in der schiitischen Theologie bisher noch unbekannt ist – und die iranischen Studierenden zeigten viel Interesse an seinen Theorien. In der anschließenden Plenumsdiskussion haben die Studierenden zusammen ihre Ergebnisse präsentiert.

Nach einem gemeinsamen Mittagessen reiste die deutsche Gruppe nach Isfahan. Begleitet von einigen iranischen Kommilitonen und Kommilitoninnen folgte dort ein kulturelles Programm. Es wurden zwei Programmpunkte zur freien Auswahl angeboten: die Teilnahme an einem Vortrag von Professor von Stosch in der öffentlichen Stadtbibliothek oder die Besichtigung des alten Stadtkerns und des Basars. Am Abend kam die Gruppe im Abbasi Hotel zusammen, einem der ältesten Hotels der Stadt mit historischer Bedeutung. Dort wurde abschließend zusammen zu Abend gegessen.

 

22.02.2019

Nachdem wir am späten Donnerstagnachmittag in Isfahan angekommen waren, verbrachten wir den Freitag dort, um uns einige Sehenswürdigkeiten anzuschauen und mehr von der iranischen Kultur kennen zu lernen. Morgens hatten wir zudem die Gelegenheit, eine Synagoge zu besuchen und mit einigen Gläubigen ins Gespräch zu kommen.

Wegen des Freitags hatten viele Geschäfte geschlossen und es war für eine Großstadt verhältnismäßig ruhig. Unsere Tour startete mit einem Besuch der armenischen Gemeinde in Isfahan. Der Dom dort beinhaltet ein kleines Museum, in dem wir mehr über die Kirche und Gemeinde erfahren konnten.

Von dort fuhren wir zur ca. 400 Jahre alten Si-o-se-pol-Brücke, die an diesem Tag leider trocken lag. Von unserer Tourguide erfuhren wir, dass der Fluss, über den die Brücke führt, an manchen Tagen geflutet wird, da die Brücke aus Eierschalen und Erde gebaut wurde und ansonsten instabil werden würde. Von dort ausgehend erkundeten wir die Stadt zu Fuß und besuchten den 8-Räume- und den 40-Säulen-Palast. Beide Paläste wurden von den damaligen Herrschern hauptsächlich genutzt, um dem heißen Wüstenklima zu entfliehen und Entspannung zu finden. Nach einem Mittagessen in einem alten öffentlichen Badehaus, das nun zu einem Restaurant umfunktioniert worden war, besuchten wir den Imam-Platz. Vom Dach des dortigen Palastes konnte man einen Eindruck von ganz Isfahan bekommen. Besonders interessant war, dass die dortige Moschee kaum noch für Gebete, sondern hauptsächlich nur noch für touristische Zwecke genutzt wird. Ein Grund dafür sei, dass diese Moschee mittlerweile zu klein sei, wenn ca. 4000-5000 Muslime zu Freitagsgebet zusammenkämen. Aus diesem Grund wurde an einer anderen Stelle in Isfahan eine neue, größere Moschee gebaut.

 

23.02.2019

Am Samstagmorgen begann der Workshop mit einer Präsentation von Prof. Helga Kuhlmann über den Begriff der Offenbarung im Christentum, besonders aus Sicht der evangelischen Theologie. Vor dem Beginn ihres Vortrags bat Prof. Kuhlmann die Student*innen, Kleingruppen zu bilden, die aus Mitgliedern von mindestens drei Konfessionen (Katholiken, Protestanten und Schiiten) bestanden. Jede Gruppe hatte die Aufgabe, sich mit dem Begriff der Offenbarung aus der Sicht jeder Konfession auseinanderzusetzen und die Ideen miteinander zu vergleichen. Nach der Gruppenarbeit entstand eine fruchtbare Diskussion zwischen den Teilnehmer*innen, die erheblich zu gegenseitigem Verständnis über diesen Begriff beitrug. Prof. Kuhlmanns eigener Vortrag behandelte das Thema der Offenbarung basierend auf der Begriffsbestimmung des Gottesnamens JHWH.

Nach dem Mittagessen begann die dritte Lehrveranstaltung von Prof. Klaus von Stosch. Dabei ging es um die Theologische Anthropologie Karl Rahners und die Rolle der Transzendentalphilosophie in der Entwicklung einer modernen Theologie.

Nach dem Unterricht besuchten wir den traditionellen Basar Qoms. Am Abend versammelten sich die Mitreisenden der Universität Paderborn im Café des Hotels, um ihre Meinungen über den Workshop auszutauschen und Rückmeldungen zum bisherigen Programm zu geben. In der Runde wurden nicht nur Ansichten über das Programm ausgetauscht, sondern auch bewegende Bemerkungen über die interreligiösen Freundschaften gemacht.  

 

24.02.2019

Der Sonntag, 24. Februar, begann zunächst mit der Wahrnehmung des unterschiedlichen Wochenablaufs in einem muslimischen Land: als regulärer Werktag also. Im Unterricht beschäftigten wir uns an diesem Morgen weiter mit der theologischen Anthropologie, unter anderem mit dem Freiheitsdenken Thomas Pröppers – auch im Vergleich zu Karl Rahner, bei dem Freiheit bereits als Vermögen begriffen wird, „über sich selbst zu entscheiden und sich selbst zu tun“, also die Personenperspektive zu nutzen.  

Vor der Nachmittagseinheit, in der neben den Implikationen von Rahners Unterscheidung zwischen Person und Subjekt auch die Soteriologie thematisiert wurde – Darstellung und Beurteilung des Paradigmenwechsels durch Pröpper – stand das interreligiöse Gebet auf dem Programm. Dessen Ziel für die Gruppe sollte die tatsächliche Er-Fahrung der fremden Religion sein, soweit (das muss man anmerken, um die Erwartungen realistisch zu halten) dies in einer etwa 20-minütigen Andachtszeit eben ansatzweise gelingen kann. Da es für mehrere der rund 30 Gebetsteilnehmer jedoch die erste Begegnung mit der jeweils anderen Religion im Vollzug war, hinterließen die je fremden Rituale – zumindest Rückmeldungen zufolge – intensive Eindrücke. Ein iranischer Teilnehmer etwa, der sagte, er habe noch nie zuvor gesehen, wie christliche Religion gelebt wird, zeigte sich ergriffen vom Klang der Lieder. Einer deutschen Teilnehmerin kam der Ruf „Allahu akbar“ beim Azan ganz neu entgegen, ursprünglich nämlich, weil losgelöst vom politischen Kontext, in dem sie ihn bisher ausschließlich wahrgenommen hatte.

Im Holy Shrine (Schrein der Fatima Masuma) – bekannt für seine goldene Kuppel – den wir nach dem Unterricht besuchten, fiel im Bereich für die Frauen (zu dem alleine ich etwas sagen kann) vor allem ein Raum wegen seiner lückenlosen, kristallenen Verspiegelung auf. Die betenden Frauen darin sowie auch in den anderen Räumen ließen sich durch den großen Tumult des Kommens, Gehens und Sich-Begegnens der anderen nicht im Geringsten stören. Von der Beobachterposition aus stellte sich die Frage, ob das Gebet im Holy Shrine – schließlich benannt nach der Schwester von Imam Reza, die sich zum Sterben nach Qom hatte bringen lassen – für manche der Frauen mit besonderer Intensität verbunden ist. Die Moschee, wie der Gästeführer (seinerseits gebürtig aus Thailand) nachher sagte, ist stellenweise besonders feminin gestaltet, erkennbar etwa an den Blumenmotiven, an der edelsteinartigen Beleuchtung sowie an der Geometrie.

Anschließend hatte uns Ayatollah Alavi Borujerdi, Enkel des Großayatollahs Borujerdi in sein Wohnhaus eingeladen, hielt eine Rede über Islam, Koran und Politik und beantwortete im Anschluss die Fragen der Gruppe.

Mit einem Abendessen in traditioneller Art auf dem Teppichboden (angenehmerweise allerdings im ofengeheizten Zelt) wurde der Tag beendet.

 

25.02.2019

Auch nach fünf Tagen im Iran war der 25. Februar kein Montag wie jeder andere. Denn jeder Tag der Reise hielt bis dato neue Themen, neue Begegnungen und neue Inspirationen bereit.

Aufgelockert von Pausen mit schwarzem Tee, Instantkaffee und iranischen Gebäckspezialitäten, ging es in der Seminareinheit am Vormittag um verschiedene Auffassungen von Ursünde. Die Seminarteilnehmenden diskutierten dabei angeregt in multikonfessionellen und multikulturellen Gruppen über die Ansätze von Karl Rahner, Thomas Pröpper und Apostel Paulus (Römer 7,19-23). Diskussionsfördernde Momente im christlich-muslimischen Dialog markierten dabei Fragen zur Immanenz einer menschlichen Neigung zum Bösen, der Notwendigkeit zur eigenen Akzeptanz menschlicher Begrenztheit im Handeln sowie zum Verständnis von der Schwachheit Gottes kraft seiner/ihrer Stärke als notwendige Bedingung für eine Erlösung aus christlicher Perspektive.

Über diese und andere Fragen wurde auch angeregt in den Pausen weiterdiskutiert – im Seminarraum oder bei einem Spaziergang durch den universitätseigenen Park.

Durch organisatorische Treffen der Lehrpersonen am Nachmittag, hatten die Teilnehmenden des Seminars die Möglichkeit, sich ihre Zeit frei einzuteilen. Eine Gruppe mit vier Paderborner Teilnehmerinnen und zwei Teilnehmenden aus Qom nutzte die Gelegenheit, um persönliche Kontakte sowie das Verständnis der jeweiligen Kultur zu vertiefen. Neben Souvenirshopping mit Farsi-Crashkurs war es vor allem der gemeinsame Besuch in einem neu eröffneten Café in Qom, der die interkulturelle und interreligiöse Verständigung für alle Beteiligten nachhaltig prägte. Nicht nur die Spezialisierung auf Kaffee ist im iranischen Kulturkontext ein Novum, sondern auch das Konzept des Cafés als Begegnungsstätte für Menschen aller Nationen, Kulturen und Religionen im Wohnzimmerflair erscheint innovativ und manifestiert den moder-nen Iran kommender Generationen. Gefüllte Bücherregale und ausgestellte Kunstwerke prägen die Cafélandschaft. Wöchentliche Veranstaltungen, wie ein Lesekreis, poetische Lesungen aus den Werken der persischen Dichterkoryphäe Hāfez sowie eine von der Tante des Besitzers geleitete Gesprächsrunde erwecken das Cafékonzept zum Leben. Besonders erfahrbar wurde die heimische und intime Atmosphäre vor Ort für die Paderbornerinnen durch das hautnahe Erleben iranischer Traditionen. Es gehört zur iranischen Tradition, in der längsten Nacht des Jahres (Shab-e Yalda) gemeinsam mit Familie und Freundeskreis Lesungen und Schicksalsdeutungen anhand der bekanntesten Gedichtsammlung von Hāfez (Dīwān) vorzunehmen. So durften auch die Paderborner Studentinnen ihrem Hāfez’schen Schicksal auf Persisch lauschen und anschließend darüber miteinander ins Gespräch kommen. Bei Tee und Kaffee erklungen ebenfalls die melodischen Töne der Sitar, auf die der Cafébesitzer eigenhändig spielte. Am Ende des Abends war man sich einig, dass eben solche authentischen Erfahrungen der anderen Kultur auch notwendiger Faktor für die Gelingensbedingungen interreligiösen Dialogs sind.

 

26.02.2019

Heute war im Iran ein besonderer Tag, denn heute jährt sich der Geburtstag der Prophetentocher Fatima, die sowohl Ehefrau des Imams Ali als auch die Mutter der beiden Imame Hasan und Husain ist. Innerhalb der schiitischen Tradition wird ihr somit eine wichtige Rolle als Verbindung zwischen dem Propheten Mohammed und seinen Nachfolgern, den Imamen, zugeschrieben. Fatima ist wohl die bedeutendste Frau innerhalb der schiitischen Tradition, von der gesagt wird, dass sie als erste Frau ins Paradies eintreten wird. Der Prophet selbst identifiziert sich sehr stark mit seiner Tochter, indem er sagt: „Fatimas Zufriedenheit ist meine Zufriedenheit; ihr Zorn ist mein Zorn. Wer Fatima liebt, liebt mich, wer ihr Freude macht, macht mir Freude; wer sie verärgert, verärgert mich.“ Aber nicht nur Fatima wird an diesem Tag im Iran gedacht, sondern allen Frauen und ganz besonders allen Müttern. Entsprechend werden Frauen von ihren Männern und Kindern mit Blumen und anderen Aufmerksamkeiten beschenkt, wie es auch in Deutschland am zweiten Sonntag im Mai dem Brauch entspricht.

Erleben durften wir diese Tradition dann schon am Morgen vor dem eigentlichen Seminarbeginn: Einer der iranischen Studierenden hatte einen Strauß mit vielen bunten Rosen dabei und verteilte sie an die anwesenden Damen. Die erste Kaffeepause wurde dann von zwei schön verzierten Kuchen versüßt, die Mojtaba zu Ehren der Frauen besorgt hatte. Die Menge an Kuchen erlaubte, dass auch die Männer ein Stück Kuchen abbekamen. Inhaltlich beschäftigten wir uns mit evangelischen Positionen zur Macht Gottes und wie diese im Zusammenhang mit der Schöpfung und der Liebe Gottes für die Schöpfung gedacht werden kann. Gerade die These, dass Gott sich durch und in seiner Liebe zur Schöpfung mitfühlend und verletzlich gegenüber den Menschen zeigt und gerade in diesem Zulassen von Schwäche seine Macht deutlich wird, war meiner Beobachtung nach für viele Muslime eine neue Art über Gottes Macht nachzudenken.

Nach dem Seminar sind wir direkt zu dem Berg Khezer am Rande Qoms gefahren, von dem man eine fabelhafte Aussicht hat. Als wir den Berg aus der Ferne sahen, bekamen viele von uns einen leichten Schreck, da keiner von uns auf Bergsteigen eingestellt war. Glücklicherweise fuhr unser Bus den Berg noch ein ganzes Stück hinauf und wir mussten nur die letzten 20 Minuten bis zur Spitze zu Fuß gehen. Auf dem Weg nach oben kamen uns viele Iraner entgegen, da es nicht mehr lange bis zum Gebet war. Oben angekommen konnte unsere Gruppe den wunderbaren Ausblick über Qom fast ganz allein genießen: Es brach langsam die Dämmerung an und das Licht der Sonne wurde von der Beleuchtung der Straßen und Häuser Qoms abgelöst. Als wir den Berg in der abendlichen Dunkelheit wieder hinabstiegen, um im Anschluss zu der großen Dschamkarān-Moschee zu fahren, hörte man die Muezzine über die ganze Stadt zum Abendgebet rufen. Dschamkarān ist eine der größten Wallfahrtsstätten im Iran, deren Bau und Entstehung laut Überlieferung auf den 12. Imam Mahdi, der bis heute in Verborgenheit lebt, zurück gehen soll. Nachdem wir Zeit hatten, uns die Moschee anzusehen und auf dem Weg zurück in den Bus waren, fiel auf, dass eine unserer Seminarteilnehmerinnen abhandengekommen war. Glücklicherweise wurde sie von einem der vielen Guides in der Moschee zurück zu unserer Gruppe geführt. Der Guide war so erfreut über unseren Besuch, dass er uns Süßigkeiten, Informationsmaterial und ein Gebetsbuch auf Deutsch mitgab. Zurück im Hotel angekommen, ließen wir die Eindrücke und Erlebnisse des Tages bei Burger und Pizza im Hotelrestaurant Revue passieren.

 

27.2.2019

Der letzte Seminartag befasste sich erneut ausführlich mit der Frage der Macht und der Ohnmacht Gottes. Die Vorstellung des schwachen und leidenden Gottes provoziert gerade im christlich-muslimischen Gespräch. Dies wurde in den Gesprächen beim Tee und in den Kleingruppen während des Workshops noch einmal deutlich. Zugleich wurde klar, dass beide Theologien vor vergleichbaren Fragen stehen: Wie kann Gottes Verhältnis zur Geschichte gedacht werden? Kann sich Gott vom Leiden seiner Geschöpfe betreffen lassen? Was ist gemeint, wenn Bibel und Koran Gott als leidenschaftlich, liebend oder zornig beschreiben?

In der letzten Stunde des Intensivseminars schrieben die Teilnehmer einen Test über die Inhalte, die in den vergangenen Tagen diskutiert worden waren. Auf Persisch, Deutsch oder Arabisch beantworteten sie Fragen über die Bedeutung von Kants kopernikanischer Wende und skizzierten ein modernes christliches Verständnis der Begriffe „Erlösung“ und „Erbsünde“. Immer wieder hatten wir während der vergangenen Tage auch die übersetzten Texte diskutiert, die am Ende des Projekts im Jahr 2021 veröffentlicht werden sollen, damit langfristig eine Brücke zwischen den Universitäten und ihren Theologinnen und Theologen gebaut wird.

Für unser letztes iranisches Abendessen lud uns Prof. Meftah von der University of Religions and Denominations ein, so dass wir noch einmal die traditionellen Kebabs, Reiskuchen und Auberginencreme genießen konnten. Viele der iranischen Lehrenden und Studierenden werden wir hoffentlich beim Gegenbesuch wiedersehen, der Ende August in Paderborn stattfinden wird.