Jahrestagung "Fragen der Regionalgeschichte" / "Fragen der Geschichte" (ab 2021)

Die Jahrestagung des Historischen Institutes fand unter Federführung von Prof. Dr. Frank Göttmann, seit 2007 gemeinsam mit Frau Prof. Dr. Eva-Maria Seng und seit 2021 auch mit Frau Dr. Maria Harnack, jährlich an der Universität Paderborn am ersten Samstag im November statt. Sie richtete sich insbesondere an die Vertreter regionaler historischer Institutionen wie Archive, Bibliotheken und Museen sowie an Ortsheimatpfleger, Denkmalpfleger, Geschichtsvereine und Laienhistoriker als die wichtigsten Träger der regional- und heimatgeschichtlichen Forschungen, Veranstaltungen, Publikationsreihen und Traditionspflege. Die Tagung präsentierte eine Reihe von Vorträgen unter jährlich wechselnden Rahmenthemen. Berichte über die Tagung werden jährlich in der Zeitschrift "Paderborner Historische Mitteilungen (PHM)" des "Vereins für Geschichte an der Universität Paderborn" veröffentlicht.

"Fra­gen der Re­gi­o­nal­ge­schich­te" / "Fra­gen der Ge­schich­te" an der Uni­ver­si­tät Pa­der­born: die The­men seit 1995

Wie jährlich am Beginn des Novembers wird auch dieses Jahr die traditionelle Tagung des Historischen Instituts der Universität Paderborn zu Fragen der Geschichte stattfinden. Sie steht diesmal unter dem Motto „Fremd(e) – Faszination, Ablehnung, Anverwandlung“.

Zum Thema

Nichts und niemand ist aus sich selbst heraus fremd. Fremdheit erscheint in unterschiedlichem Maße abhängig von der realen oder imaginierten Identität einer Einzelperson oder Gruppe. Sowohl Personen als auch Tiere, Orte oder Dinge können aufgrund zeitlicher oder räumlicher Distanz als fremd aufgefasst werden. Die Begegnung mit Fremdem löst Verunsicherung und häufig auch ambivalente Gefühle zwischen Faszination und Bedrohung aus. Zur Auflösung dieser Irritation haben Menschen schon immer mannigfaltige Formen des Umgangs gefunden – von der Zurückweisung über die Akzeptanz bis zur produktiven Vereinnahmung. Mit Fallbeispielen aus Geistes-, Kultur- und Sozialwissenschaften, Theologie und Linguistik möchte die Tagung die Mechanismen der Hervorbringung von Fremdheit und Zugehörigkeit durch individuelle oder kollektive, wandelbare Ordnungskategorien diskutieren und die willkürliche Bevorzugung, Marginalisierung oder Ablehnung, die sich bis zur destruktiven Fremdenfeindlichkeit auswachsen kann, problematisieren. 

Programm und Plakat

Bericht der Tagung

Zusammenfassung

Was: 30. Jahrestagung zu Fragen der Geschichte zu Thema „Fremd(e) – Faszination, Ablehnung, Anverwandlung“
Wann: Samstag, 4. November 2023, 9:00 bis 17:00 Uhr
Wo: Universität Paderborn, Hörsaal O 1 (Gebäude O, Pohlweg) 

Alle Interessierten sind herzlich willkommen.

Anmeldungen per

Telefon: 05251 605462 
E-Mail: mharnack@mail.upb.de

Veranstalter/-innen: Prof. Dr. Eva-Maria Seng, Prof. Dr. Frank Göttmann, Dr. Maria Harnack
Universität Paderborn, Historisches Institut / Lehrstuhl für Materielles und Immaterielles Kulturerbe

„Gegen den Luxus predigt man seit 2.000 Jahren in Versen und in Prosa und hat ihn doch immer geliebt.“ Dieses ambivalente Verhältnis, das Voltaire 1764 beschreibt, besteht auch in der Gegenwart fort. Was Luxus ist, ist sozial, kulturell, geografisch und historisch relativ. Dabei oszilliert die Bedeutung zwischen Verschwendung, positivem Wirtschaftsfaktor und einer Form der Selbstvergewisserung, Repräsentation und Distinktion. In der heutigen Krisenzeit dynamisiert sich der Aushandlungsprozess über den Wert von Luxusproduktion und -konsum vor dem Hintergrund von Klimawandel, Krieg und Pandemie zwischen Verzicht und Nachhaltigkeit, Überfluss und Mangel. Der sich bereits abzeichnende Rückgang der Kaufkraft droht Massenwaren zu Luxusgütern zu machen, was sich etwa im medialen Diskurs niederschlägt, wenn über die Teuerung von Sonnenblumenöl oder den Anstieg der Energiekosten berichtet wird. Der die soziale Ungleichheit verstärkende Aspekt von Luxus gerät wieder vermehrt in den Blick. Hinzu treten ethische Erwägungen, die zu paradoxen Angeboten wie „qualfreie Gänsestopfleber“ führen können. Nicht zuletzt sind Verschiebungen hin zu immateriellen Manifestationen von Luxus festzustellen: Welche Rolle spielen Zeit, Ruhe, Sinn, Emotionen im Vergleich zu Luxusgegenständen wie kostbaren Textilien oder Luxusfahrzeugen?

Luxus ist seit je eine wirkmächtige Kategorie mit konkreten sozialen und wirtschaftlichen Folgen. Die aktuellen Entwicklungen lassen es angeraten erscheinen, sich dem Thema zu widmen und es aus unterschiedlichen Perspektiven zu erkunden.

Programm und Plakat

Samstag, den 5. November 2022, 9:00–16:30 Uhr

Universität Paderborn, Hörsaal O 1 (Gebäude O, Pohlweg)

Veranstalter/-innen: Prof. Dr. Eva-Maria Seng, Prof. Dr. Frank Göttmann, Dr. Maria Harnack

Was ist Heimat? Das Nachsinnen des Einzelnen über den Begriff und die Selbstverortung in einer lokalen Gegebenheit und mentalen Befindlichkeit auf der einen Seite und die interessengeleitete Zuschreibung für Gebietseinheiten unterschiedlichen landschaftlichen, politischen oder kulturellen Charakters bringt die Uneindeutigkeit von „Heimat“ zwischen heimeliger Geborgenheit und Sehnsuchtsort einerseits und sozialer Zwangsinstitution andererseits an den Tag. Als Faktor der Bildung von Identität, ebenfalls ein vielschichtiger Begriff, bietet sie keineswegs das von vielen gewünschte Maß an existentieller Sicherheit, das von denen, die dazugehören, gewünscht wird, während andere ausgegrenzt werden. In modernem Wissenschaftsjargon gesprochen, inkludiert und exkludiert Heimat zugleich. Diese Ambivalenz ist evident, wenn man institutionelle und sachliche Zeugnisse, die unmittelbar auf Heimat verweisen, ausleuchtet wie auch Verhaltensweisen, Haltungen und Sachverhalte auf einen dahinterstehenden, scheinbar verborgenen Heimatgedanken befragt.

Diese komplexe real- wie auch mentalitätsgeschichtliche Problematik wird in den Tagungsbeiträgen aus unterschiedlicher Perspektive betrachtet und kritisch zur Diskussion gestellt. Insofern möchte die diesjährige Tagung an einem reflektierten Heimatbegriff arbeiten, der Orientierung im politischen, sozialen und kulturellen Alltagsleben bieten kann

Programm und Plakat

Samstag, den 6. November 2021, 9:00–16:30 Uhr

Universität Paderborn, Hörsaal O 1 (Gebäude O, Pohlweg)

Veranstalter/-innen: Prof. Dr. Eva-Maria Seng, Prof. Dr. Frank Göttmann, Dr. Maria Harnack

Nicht erst im heutigen Zeitalter der fakenews verwirren Mythen, Legenden, Gerüchte, Verschwörungstheorien die Wahrnehmung, Interpretation und Deutung politischer und gesellschaftlicher Sachverhalte. Ob sich dahinter in einem wechselseitigen Kommunikationsprozess zwischen Urhebern und Rezipienten schlicht Unvermögen und Unwillen, interessengeleitete Fehlinformation, manipulative Absichten und Realitätsverweigerung verbergen, ist kaum je zu durchschauen. Im Alltags- und politischen Leben halten sich oft Sichtweisen, die für sich Wahrheitsanspruch erheben und scheinbar keinen Argumenten zugänglich sind. Sie entfalten dann eine höchst problematische politische, gesellschaftliche und mentale Wirkmächtigkeit und werden selber zu unhinterfragbaren Tatsachen. Solchen unerfreulichen Aussichten gegenüber mag dann nach wie vor nur das Kantsche Postulat Hoffnung geben: „Habe Mut, Dich Deines eigenen Verstandes zu bedienen.“

Derartige Probleme sind besonders auch in den Kulturwissenschaften stets präsent, sei es, dass sie den Untersuchungsgegenstand bilden, sei es, dass sie unmerklich Methode und Ergebnis der Forschung und Darstellung beeinflussen. Die Tagung will aus unterschiedlicher Perspektive den Fragenkomplex erhellen und für die Probleme sensibilisieren.

Programm 

Bericht der Tagung

Samstag, den 9. November 2019, 9:00–16:00 Uhr

Universität Paderborn, Hörsaal O 1 (Gebäude O, Pohlweg)

Veranstalter/-innen: Prof. Dr. Eva-Maria Seng, Prof. Dr. Frank Göttmann, Dr. Maria Harnack

Fragen der Ernährung und der Versorgung der Bevölkerung spielen seit je sozial, politisch und kulturell in der Geschichte der Menschheit und gesellschaftlicher Gruppen eine zentrale Rolle. Ernährungsfragen sind in ihren unterschiedlichen Facetten in der Geschichte und in der heutigen medialen Öffentlichkeit allgegenwärtig, in außereuropäischen Ländern als Problem des Mangels, in der Ersten und Zweiten Welt als Problem des Überflusses – mit allen gesundheitlichen und sozialen Folgeerscheinungen. Die Komplexität des Gegenstandes äußert sich ebenso in der industrialisierten Produktion von Lebensmitteln und Nutztieren, welche von Umweltproblemen nicht zu trennen ist. Freilich ist Ernährung immer auch kulturell zu betrachten, wie etwa die Eintragung des gemeinsamen Mahls in Frankreich in die Liste des Immateriellen Kulturerbes der UNESCO oder die Herausbildung von Tischsitten als soziales Distinktionsmittel belegen.

Solche Aspekte sollen auf der Tagung aus interdisziplinärer Sicht von Referentinnen und Referenten aus Geschichte, Kunstgeschichte, Soziologie, Ernährungswissenschaft und Museumskunde sowie in einem Filmfeature aufgegriffen und in ihrer Komplexität diskutiert werden.

Programm

Bericht der Tagung

Samstag, den 3. November 2018, 9:00–16:00 Uhr

Universität Paderborn, Hörsaal O 1 (Gebäude O, Pohlweg)

Veranstalter/-in: Prof. Dr. Eva-Maria Seng und Prof. Dr. Frank Göttmann

Gerade in unserer sich immer rascher wandelnden Gesellschaft, in der individuelle und kollektive Lebensläufe an Struktur und Profil verlieren, bieten besondere Ereignisse, die das menschliche Leben gliedern und ihm Sinn verleihen, Halt und Orientierung. Daher scheint es von besonderer Relevanz, unter historischer Perspektive, die Orientierungswissen für die Gegenwart verheißt, entscheidende Wendepunkte im menschlichen Leben auf deren Vorgeschichte, deren rituellen Vollzug und deren Folgewirkungen zu untersuchen. Die klassische ethnologische Forschung fasst diesen materiell-geistigen Komplex unter dem Begriff der ,Rites de passage” Obergangsriten, wobei Zwischen einer Ablêsungs-, einer Zwischen- und einer Integrationsphase unterschieden wird. Auf den Begriff gebracht, können diese konkret in Gestalt von Trennungs-, Schwellen- oder Angliederungsriten auftreten. Solche theoretischen Vorgaben sollen auf der Tagung an konkreten Fällen diskutiert und auf ihre methodische Brauchbarkeit und sachliche Stichhaltigkeit überprüft werden.

Programm

Samstag, den 4. November 2017, 9:00–17.00 Uhr

Universität Paderborn, Hörsaal O 1 (Gebäude O, Pohlweg)

Veranstalter/-in: Prof. Dr. Eva-Maria Seng und Prof. Dr. Frank Göttmann

Daß Sport in der heutigen Gesellschaft höchste Relevanz besitzt, steht außer Frage. Dies war aber nicht zu allen Zeiten und an allen Orten gleichermaßen der Fall, was allein schon die Tatsache belegt, daß der moderne Sportbegriff ein Produkt des 19. Jahrhunderts ist und sich von England aus global verbreitete. Körperliche Betätigung und Ertüchtigung, verbunden mit Zeitvertreib und Unterhaltung sind allerdings ein viel älteres, die ganze Menschheitsgeschichte begleitendes Phänomen. Freilich war ihre gesell­schaftliche und kulturelle Bedeutung stets einem starken Wandel unterworfen. Heute unter dem Begriff Sport zu fassende Betätigungen lösten im Laufe der Geschichte einander ab, neue Sportarten entwickel­ten sich oder wurden gezielt etabliert. Blickt man auf den Ort des Geschehens, spielte die Stadt mit ihren urbanen Lebensformen und ihrer verdichteten Bevölkerung oftmals eine innovative Vorreiterrolle. Auf der anderen Seite wirkte die Notwendigkeit, für sportliche Aktivitäten entsprechende Räume bereitzustellen, wechselwirkend auf die räumliche und bauliche Struktur der Stadt zurück.

Solche und ähnliche Fragen sollen auf der Tagung behandelt werden. Die Planungen sehen zum Bei­spiel Vorträge zu städtischen Waffenspielen, zu Wettkampfbahnen und Hallen für Ballspiele, zum Fischerstechen und Eislaufen auf stadtnahen Flüssen, zur gesellschaftlichen Verankerung des Fußball­sports und allgemein zur Frage der Körpergesundheit durch Sport vor. Kurz, die geplante Tagung soll das Forum bieten, sich der historischen, politischen, kulturellen, gesellschaftlichen und städtebaulichen Dimensionen sportlicher Betätigung zu vergewissern und sie allgemein an ausgewählten Beispielen zu diskutieren.

Programm

Bericht der Tagung

Samstag, den 5. November, 9:00–17:00 Uhr

Universität Paderborn, Hörsaal O 1 (Gebäude O)

Veranstalter/-in: Prof. Dr. Eva-Maria Seng und Prof. Dr. Frank Göttmann

Seit etlichen Jahren ist die Museumslandschaft einem tiefgreifenden Wandel unterworfen: Das Heranwachsen einer neuen Generation von Museumsbesuchern, demographische und soziale Veränderungen, kulturelle und technische Entwicklungen wirken sich auch auf Zielsetzung, Modus, Struktur, Themen und Gegenstände musealer Präsentation und Vermittlung aus.

Entsprechend dem Auftrag der Museen, ein Ort des Bewahrens, Sammelns, Erforschens, Bekanntmachens und Ausstellens materieller und immaterieller Zeugnisse von Menschen und ihrer Umwelt zu sein, haben sich die Museen in den vergangenen Jahren nach einer Phase spektakulärer Museumsneubauten wieder verstärkt ihren Beständen und deren Erforschung und Vermittlung zugewandt. Neue Fragen an die Objekte entstehen aufgrund aktueller gesellschaftlicher Herausforderungen. Andere Objekte und gerade auch deren immaterielle Seite beziehungsweise nicht materielle Phänomene treten ins Blickfeld der Museen und ihrer Expositionen.

Das Museum reagiert so einerseits auf die gewandelten Wahrnehmungsweisen und Interessen des Publikums, andererseits auf den gesellschaftlich-politischen Wandlungsprozess und Bildungs- und Erlebnisauftrag. Es ist konzeptionell, wissenschaftlich, baulich, technisch, personell und hinsichtlich seines Selbstverständnisses einem äußeren und inneren Veränderungsdruck ausgesetzt, dessen Ergebnis und Ende noch nicht absehbar sind. Unsere Tagung soll das Forum bieten, sich der genannten Probleme sowohl methodisch als auch theoretisch zu vergewissern, sie in eine interessierte Öffentlichkeit hineinzutragen und sie allgemein und an ausgewählten Fallbeispielen.

Programm

Bericht der Tagung

Samstag, den 7. November 2015, 9:00–17:00 Uhr

Universität Paderborn, Hörsaal O 1 (Gebäude O)

Veranstalter/-in: Prof. Dr. Eva-Maria Seng und Prof. Dr. Frank Göttmann

Im Sommer 1914 rechneten die verantwortlichen Politiker und Militärs in Deutschland mit einem kurzen Kriegsverlauf. Nach verlust-, vor allem aber erfolgreichen Schlachten würden die Soldaten Weihnachten wieder zu Hause feiern, so die offiziellen Verlautbarungen. Die solchermaßen zuversichtlich eingestimmte Bevölkerung musste in den folgenden Monaten schmerzlich erfahren, wie die Nachrichten und Bilder der blutigen Schlachten nach und nach auf das Leben an der „Heimatfront“ übergriffen und sie bedrückten. Die diesjährige Tagung des Historischen Instituts befasst sich mit Wahrnehmungen und Wertungen des Krieges aus einer gesellschaftlichen Binnenperspektive. Vorgestellt werden Zeugnisse unterschiedlicher Art, die Auskunft darüber geben, wie die Zivilbevölkerung in Westfalen das Kriegsgeschehen, die wachsende Beschwernis ihres alltäglichen Lebens wie auch die herandrängenden Ereignisse von Tod oder Verwundung engster Verwandter wahrnahm.

Programm

Bericht der Tagung

Samstag, den 8. November 2014, 9:00–16.00 Uhr

Universität Paderborn, Hörsaal O 1 (Gebäude O, Pohlweg)

Veranstalter/-in: Prof. Dr. Eva-Maria Seng und Prof. Dr. Frank Göttmann

 

Samstag, den 27. Oktober 2012

Auditorium maximum der Universität Paderborn

Programm: Faltblatt 1 und 2

Plakat

Tagungsbericht

 

Samstag, den 7. November 2009

Auditorium maximum der Universität Paderborn

Programm 2009

Tagungsbericht 2009

 

Samstag, den 3. November 2007

Auditorium maximum der Universität Paderborn

Samstag, den 4. November 2004

Auditorium maximum der Universität Paderborn

Einen Bericht über die Tagung finden Sie unter

Tagungsbericht_2006

Auszüge aus der Eröffnungsansprache unter

Eröffnung 2006

Samstag, den 8. November 2003

Auditorium maximum der Universität Paderborn

„Wer nicht von dreitausend Jahren / Sich weiß Rechenschaft zu geben / Bleib im Dunkeln unerfahren / Mag von Tag zu Tage leben.“ (Goethe, Westöstlicher Divan)

Deutlich über einhundert Tagungsteilnehmer wurden vom Veranstalter Prof. Dr. Frank Göttmann in dessen Eröffnungsansprache an jenes Zitat erinnert und verstanden so das Thema der diesjährigen Regionalgeschichtstagung vielleicht als guten Anlass oder gar als Anleitung zur Orientierung in Dunkel und Diesseitigkeit.

Auch wenn der Titel „Antike in Westfalen“ als unhistorisch bewertet werden könnte, da sich in Westfalen keine Zeugnisse und Quellen aus antiker Zeit finden, Westfalen sogar aus dem Einflussbereich des römischen Reiches ausgeschlossen war, sei es doch eine triviale Tatsache, dass Antikes – und damit unbestreitbar auch das Christentum – Europa bis heute präge. Ziel der Tagung solle eine reflektierte Öffnung und Erschließung der Vergangenheit für Gegenwart und Zukunft sein und somit einen Beitrag leisten zur Zukunftsfähigkeit der Gesellschaft. Der Untertitel „Tradition und Rezeption“ weise diesbezüglich auf die beiden Perspektiven hin, in die solch eine Auseinandersetzung zu verorten wäre: durch die Weitergabe des Vergangenen in die Zukunft ebenso wie durch den Blick aus der Gegenwart in die Vergangenheit.

Die Vorträge boten verschiedene Facetten dieser Dialektik der Rezeption. Privatdozent Dr. Jörg Ernesti (Universität Mainz) eröffnete die Vortragsreihe mit einem Beitrag zu einer der prominentesten Paderborner Persönlichkeiten der Vergangenheit und widmete sich der Verknüpfung und Vernetzung von Antike und Barock, Glaube und Vernunft, europäischem und westfälischem Humanismus in der Biographie Fürstbischof Ferdinands von Fürstenberg. Sein Referat leistete einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung eines möglichen frühneuzeilichen (geistlichen) Herrschertypus wie auch zu der Verquickung von politischen Tätigkeiten, humanistischen Traditionslinien und persönlichen Vorlieben und Freundschaften. Dabei öffnete der Referent besonders den Blick für die Mehrdimensionalität der Person und auch der Figur eines Füstbischofs, der einerseits sowohl als Vertreter der Reichskirche in der zweiten Welle der katholischen Reform, andererseits als Seelsorger mit ausgeprägtem Wunderglauben und als später Humanist zu verstehen ist.

Mit seinem Vortrag zur Rezeption des römischen Rechts stellte Dr. Michael Ströhmer (Universität Paderborn) die Zusammenhänge zwischen der Zentralisierung, Professionalisierung und Verwissenschaftlichung bei der Anwendung des römischen Rechts auf der einen und den quantitativ rasch ansteigenden Hexenprozessen in der Frühen Neuzeit auf der anderen Seite vor. Die Formel, Rezeption habe zu einer Professionalisierung des neuzeitlichen Rechtswesens und damit zu einer höheren Rationalität der Urteilsfindung geführt, sei allerdings ambivalent. Auch seien mit der Übernahme des römischen Rechts traditionelle Rechtsgewohnheiten aus dem Gerichtsbetrieb nicht verschwunden, vielmehr habe sich in der Praxis ein Zusammenfließen beider Rechtstraditionen gezeigt. Hexerei war ein Tatbestand, der dem römischen Recht unbekannt war. Allerdings verfestigte sich in Juristenkreisen durch eine Gleichsetzung der Hexerei mit schwarzer Magie und politischem Hochverrat eine unpräzise Analogie zum spätantiken Majestätsverbrechen, die ein strenges Ausnahmeverfahren mit zügellosem Foltereinsatz im Hexenprozeß nach sich zog.

Auslöser für eine anregende Debatte, welche Forschungsdesiderate offenlegte, war der Beitrag von Prof. Dr. Brigitte Englisch (Universität Paderborn), die unter dem Titel „Auf alten Wegen – Reisen in Westfalen von der Antike bis zur Neuzeit“ dem „Mythos Hellweg“ als Hauptverkehrsader Westfalens in alten Zeiten auf den Zahn fühlte und als Alternative die Bedeutung der Wasserwege untersuchte. Mit Hilfe der historischen Kartographie wies sie nach, dass in den Karten Westfalens, selbst noch in der Karte des Hochstifts Paderborn aus dem 17. Jahrhundert, die Flüsse, jedoch nicht die Wege eingetragen waren und schloss, dass folglich die übliche Betonung des Hellwegs als dominante Verbindung nicht nachzuvollziehen sei und seine überregionale Bedeutung aus den Quellen letztlich nur indirekt erschlossen werden könne. Als Desiderat kristallisierte sich heraus, die Reisebedingungen der Region zwischen Rhein und Weser insgesamt zu erfassen, statt sich auf eine einzige Verbindung zugunsten einer umfassenden Berücksichtigung der topographischen und infrastrukturellen Bedingungen zu konzentrieren.

Einen gänzlich andersartigen Bereich historischer Forschung und Umsetzung von Ergebnissen stellte Dr. Vera Lüpkes (Weserrenaissance-Museum Schloß Brake) vor. Sie dokumentierte die Veränderung der historischen Arbeit und des jeweiligen Forschungsstands zur Weserrenaissance seit 1986, dem Eröffnungsjahr des Museums, gab darüber hinaus ebenso Einblicke in laufende Forschungsarbeiten und in die museale Präsentation von deren Ergebnissen in Dauer- und Sonderausstellungen. Dabei beleuchtete sie kritisch die Entwicklung und Etablierung des Begriffs „Weserrenaissance“ und zeigte die inhaltliche Schwerpunktverlagerung dieses Topos von Elementen des regionalen Baustils hin zu einer umfassenden kulturhistorischen Fragestellung.

Einen Bogen ganz eigener Art von der Antike in die Gegenwart und Zukunft schlug Roland Linde (Horn-Bad Meinberg) mit seinem Vortrag zum „Mythos Arminius und die unendliche Suche nach dem Ort der Varusschlacht“. In einer kurzweiligen Präsentation von Quellen und Pseudobelegen stellte der Referent weniger die Ereignisgeschichte der Geschehnisse im Jahr 9 n. Chr. dar, sondern gab vielmehr einen Einblick sowohl in die Grenzen der Wissenschaft als auch in die Instrumentalisierung von Geschichte, Tradition und Rezeption zur persönlichen Identifikation und/oder gar Profilierung. Bereits der Obertitel seines Vortrags offenbarte, wie sehr Antikes (stellvertretend vielleicht für die Vergangenheit als Ganzes) nicht nur akademische oder hochpolitische Auseinandersetzungen in Europa prägt, sondern den Alltag durchdringt: „Ankunft ‚Der Cherusker’ von Bielefeld nach Paderborn, Abfahrt 20:09“ – eine Assoziation zum 2000jährigen Jubiläum.

Die skizzierten Vorträge gaben lebendige Einblicke in die Vielfalt der Methoden und Inhalte, die das Thema der diesjährigen Tagung bot. Die rege Diskussionsbeteiligung bezeugte zudem den Bedarf an Auseinandersetzungen sowohl mit den einzelnen Vortragsthemen als auch mit dem Motto der gesamten Tagung. So kann auch die mittlerweile zwölfte Regionalgeschichtstagung mit ihren zahlreichen Teilnehmern als eine erfolgreiche Veranstaltung gewertet werden, die Ergebnisse und Erfahrungen aus Forschung und Praxis mit zukunftsweisenden Fragestellungen und aktuellen Debatten zu verknüpfen wusste.

Mareike Menne M.A.

Kontakt: Prof. Dr. Frank Göttmann, Fach Geschichte, Tel. 05251/602437, Epost goettmann[at]uni-paderborn.de

Samstag, den 9. November 2002

Auditorium maximum der Universität Paderborn

Der „geistliche Staat“ in der Frühen Neuzeit: Gute Regierung oder Schlendrian?

»Die gelinde Regierungsart der Bischöfe hat ihren Unterthanen viele Vortheile verschaffet, welche in einem weltlichen Staate nicht angetroffen werden [...]. Diese Vortheile betreffen den Adel, den Bürgers- und Bauernstand. Viele öffentliche Lasten, denen die Unterthanen eines weltlichen Staates unterworfen sind, finden in einem bischöflichen Lande nicht statt«

Mit diesen Worten kommentierte der Reichsjurist Johann Friedrich Eisenhart 1759 die zeitgenössische Redensart „Unter dem Krummstab ist gut leben“. Er griff damit in die politische Tagesauseinandersetzung ein, in der unter aufklärerischem Einfluß den geistlichen Staaten auf dem Boden des alten Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation zunehmend massiv die Existenzberechtigung bestritten wurde. Diesen meist von Bischöfen regierten Territorien, die fast ein Sechstel der Reichsfläche ausmachten und 30 % zur Finanzierung der Reichsaufgaben beitrugen, begegneten in der Öffentlichkeit ein ganzes Bündel von Vorwürfen und Vorbehalten. Diese zeichneten ein trostloses Bild von „Schlendrian“: von den politisch unfähigen Fürstbischöfen, die dem Spiel, der Jagd und noch ganz anderen Leidenschaften frönten, von Verwaltungswirrwarr und mangelnder Staatlichkeit, von kulturellem Tiefstand und militärischer Ohnmacht. Es hat das historische Urteil über den Bischofsstaat bis in jüngere Zeit beeinflußt und somit auch seine Aufhebung durch die Säkularisation 1803 im nachhinein legitimiert. Ob man ihm damit aber auch historische Gerechtigkeit widerfahren ließ, ist stark zu bezweifeln.

Auf diese Forschungsproblematik hat der Frühneuzeithistoriker Professor Dr. Frank Göttmann, der alljährlich im November für das Fach Geschichte die öffentliche Tagung „Fragen der Regionalgeschichte“ ausrichtet, in seinem Eröffnungsreferat hingewiesen. Er gab darin Einblicke in Forschungsinteresse, Ausgangslage, Fragestellungen, Ansatzpunkte und Perspektiven eines breit angelegten Paderborner Forschungsunternehmens, welches sich angesichts des zwiespältigen Bildes vornehmlich am Beispiel der nordwestdeutschen Fürstbistümer Köln, Münster, Osnabrück, Paderborn und Hildesheim mit den Problemen noch einmal von Grund auf befassen will. Es sucht Antworten auf die übergeordnete Frage, was denn überhaupt das Eigentümliche eines von einem geistlichen Würdenträger regierten Staatswesens ausmachte.

Sämtliche Referenten der diesjährigen Tagung, darunter drei junge Doktoranden, gehören der Paderborner Forschergruppe an. Zu Anfang widmete sich Dr. Bettina Braun unter dem Thema „Fürst, Bischof, Landesherr. Die geistlichen Fürsten in der Spätzeit des Alten Reiches“ dem Spannungszustand zwischen geistlichem Seelsorgeauftrag des Bischofs und weltlicher Regierungsaufgabe des Fürsten, welcher in dem Doppelbegriff Fürstbischof zum Ausdruck kommt. Im Vergleich zweier Paderborner Fürstbischöfe, Hermann Werner von Wolff–Metternich zur Gracht (1683–1704) und Clemens August von Bayern (1719–1761) entwickelte sie unter den Gesichtspunkten Erziehung, Bischofstätigkeit und familiäre Einbindung die Hypothese, daß das auf dem Trienter Konzil reformulierte Bischofsideal entgegen verbreiteter Ansicht durchaus auch für den geistlichen Reichsfürsten aus großem Hause zunehmend verpflichtenden Charakter gewann.

Diese These wurde durch Lars Reinking in einer architektur– und kunsthistorischen Analyse der Hauptraumfolge mit ihren Fresken in der Residenz jenes Clemens August als Kölner Erzbischofs und Kurfürsten flankiert („Herrschaftliches Selbstverständnis und Repräsentation im geistlichen Fürstenstaat des 18. Jahrhunderts. Das Beispiel Schloß Brühl des Kölner Kurfürsten Clemens August“). Ausgehend von der Prämisse, daß repräsentative Architektur als politischer Bedeutungsträger interpretiert werden könne, arbeitete Reinking an Hand von Lichtbildern überzeugend die Selbstdarstellung des Kurfürsten als Mäzen der schönen Künste, als Friedensfürst und treuer Vasall des Kaisers heraus.

Die Fragen nach der Funktion von Repräsentation und nach dem Aufgaben– und Anforderungsprofil eines Fürstbischofs erhielten eine weitere Dimension durch die Untersuchung der sog. Generalvisitation der Paderborner Diözese durch Dietrich Adolf von der Reck (1650–1661), welche Mareike Menne M.A. vorstellte („Bischöfliche Kirchenvisitation im 17. Jahrhundert. Seelsorge oder Instrument weltlicher Herrschaft?“). Die Referentin gelangte zu Schlüssen, die zweifellos – wie übrigens jeder der Vorträge auf seine Weise – die weitere Diskussion über das Wesen geistlicher Staatlichkeit befruchten werden: Bei der Visitation der Pfarrgemeinden sind die Absichten von Seelsorge und weltlicher Herrschaftsverdichtung faktisch nicht zu trennen.

Als politischen Widerpart und Partner der fürstbischöflichen Regierungsspitze zugleich nahm Andreas Müller die im westfälischen Raum ansässigen Adelsfamilien in den Blick. Sie entsandten Vertreter zu den Arnsberger Landtagen und stellten zahlreiche Domkapitulare in den nordwestdeutschen Domkapiteln („Die Ritterschaft des kurkölnischen Herzogtums Westfalen zwischen 1660 und 1802. Regionale Verflechtungen und politische Eigenständigkeit“). Im Zuge einer akribischen prosopographischen Analyse konnte er eine durch vielfältige Beziehungen verflochtene Kerngruppe von Familien herauskristallisieren, welche den maßgeblichen politischen Einfluß übten und die wichtigsten Positionen besetzten und innerhalb ihrer Verwandtschaft weitergaben.

So ist sicherlich auch die vorgebliche Unterwerfung der Stadt Paderborn unter die Herrschaft des Fürstbischofs als ihrem Stadtherrn differenzierter zu bewerten. In seinen Ausführungen konnte Dr. Andreas Neuwöhner am Beispiel des Paderborner Stadthaushalts im 17. Jahrhundert die schrittweise Integration der ehemals weitgehend autonomen Stadt in den Bischofsstaat demonstrieren („Städtische Finanzen und frühmoderner Bischofsstaat. Die Paderborner Finanzverwaltung im 17. Jahrhundert“). Für den Verlust städtischer Selbständigkeit war indessen weniger eine zielgerichtete stadtherrliche Politik als eine ruinöse Finanzlage aufgrund immer neuer Belastungen durch den Dreißigjährigen Krieg verantwortlich, welche eine Konsolidierung des Haushalts verhinderten, wozu auch eine zunehmende Abschöpfung der Paderborner Finanzkraft durch den Staat beitrug.

Die skizzierten Vorträge haben das Problem geistlicher Staat aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet und eine recht lebhafte Diskussionsbeteiligung der weit über hundert Teilnehmer aus Süd‑ und Ostwestfalen hervorgerufen. Nimmt man die vielen positiven Stimmen zu Inhalt und Verlauf, so darf auch die diesjährige Regionalgeschichtstagung als gelungen in die Annalen einer mittlerweile elfjährigen Tradition eingehen.