For­schungs­pro­jekt: „Miss­brauch im Erz­bis­tum Pa­der­born – Ei­ne kir­chen­his­to­ri­sche Ein­ord­nung. Die Amts­zei­ten von Lo­renz Jae­ger und Jo­han­nes Joa­chim De­gen­hardt (1941–2002)“

Das Thema „Missbrauch“ hat infolge der MHG-Studie im innerkirchlichen Raum heftige Debatten ausgelöst und wesentliche Fragen blieben unzureichend beantwortet. Vor diesem Hintergrund hat das Erzbistum Paderborn die Universität Paderborn mit einer historischen Studie beauftragt. Es wurden uneingeschränkte Akteneinsicht und Unabhängigkeit der Forschung zugesichert. Die Notwendigkeit einer unabhängigen Erforschung von Missbrauchsfällen in der katholischen Kirche wurde jüngst auch durch die Erklärung der Katholischen Bischofskonferenz unterstrichen, in allen Bistümern entsprechende Forschungskommissionen einzurichten.

Das Projekt soll vertiefende Erkenntnisse zum Umfang des Missbrauches, über die Gewalterfahrungen der Betroffenen und die daraus resultierenden Folgen für ihren weiteren Lebensweg sowie zu den Umgangsweisen der Verantwortlichen erzielen. Es gilt zu fragen, welche Personenkreise innerhalb der Kirche von Missbrauchsfällen wussten, wie Entscheidungen über das Ergreifen oder Unterlassen weiterer Maßnahmen getroffen wurden und ob strukturelle Bedingungen existierten, die Missbrauchshandlungen fördern konnten. Alle bisherigen Forschungsergebnisse stellen heraus, dass sich die kirchlichen Institutionen lange vor einer Auseinandersetzung mit diesem Thema scheuten und so das Leid der Betroffenen nicht ausreichend anerkannten. Auch gesamtgesellschaftlich wurden Ausmaß und Folgen des sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen anhaltend unterschätzt und als ‚Ausnahmehandlung‘ betrachtet. Vor diesem Hintergrund werden ebenso die kirchlichen, juristischen und medizinischen Fachdebatten analysiert, die eine solche Haltung begünstigten, sowie der gesellschaftliche Perspektivwandel in Bezug auf sexuellen Missbrauch.

Neben der Analyse administrativer Quellen aus kirchlichen und staatlichen Archiven, darunter Personal- und Strafakten, sind Interviews mit Zeitzeuginnen und Zeitzeugen geplant. Die Ergebnisse des Projektes werden nach Abschluss der vierjährigen Forschung in Buchform veröffentlicht und in regelmäßigen Abständen wird über Zwischenergebnisse informiert.

Ak­tu­el­les

Missbrauch im Erzbistum Paderborn – Studienergebnisse im Frühjahr 2026 Schon die Zwischenbilanz der unabhängigen und durch das Erzbistum Paderborn geförderten historischen Studie, die Wissenschaftlerinnen der Universität Paderborn seit Anfang 2020 durchführen, hat für Empörung gesorgt: Kirche und Gesellschaft haben bei Missbrauch systematisch weggesehen und Straftaten in mehreren Fällen sogar billigend in Kauf genommen. Beschuldigte Kleriker wurden nur selten sanktioniert. Mitgefühl für die Betroffenen? Häufig Fehlanzeige. Für ihre auf fünf Jahre angelegte Studie sichten Prof. Dr. Nicole Priesching und Dr. Christine Hartig umfangreiches Material und führen Interviews mit Zeitzeuginnen sowie Betroffenen und sorgen so für Aufklärung eines dunklen Kapitels der katholischen Kirche. Die Studie fokussiert den Zeitraum von 1941 bis 2002 und damit die Amtszeiten der Kardinäle Lorenz Jaeger und Johannes Joachim Degenhardt. Ein zweites Forschungsprojekt unter der Leitung von Prof. Priesching untersucht seit 2023 zudem die Amtszeit von Erzbischof Hans-Josef Becker, die sich von 2002 bis 2022 erstreckte.

Wie die beiden Wissenschaftlerinnen jetzt bekannt geben, dauert die Sichtung und Verarbeitung des Materials länger als zunächst angenommen. Das liegt zum einen an den damaligen Einschränkungen der Coronapandemie hinsichtlich des Aktenzugangs in Archiven sowie der Kontaktaufnahme mit Zeitzeuginnen. Zum anderen gibt es deutlich mehr Quellen als erwartet. „Das versetzt uns aber auch in die Lage, das Handeln des Paderborner Leitungspersonals und die Situation von Betroffenen vor dem Hintergrund gesamtgesellschaftlicher Entwicklungen zu betrachten, was auch diözesanübergreifend von Relevanz ist“, so Priesching. Notwendige rechtliche Prüfungen führen zusätzlich zu Verzögerungen. Die Ergebnisse zu den Amtszeiten Jaeger und Degenhardt werden der Öffentlichkeit nach aktuellem Stand im Frühjahr 2026 vorgestellt.

Ver­öf­fent­li­chun­gen aus dem Pro­jekt

Kirche arbeitet sexuellen Missbrauch weiter auf. In: Neue Westfälische Zeitung, 13.12.2021. (PDF, 844KB; © Neue Westfälische Zeitung, 2021).

Erzbistum reagiert doch auf Missbrauchsstudie. In: Radio Hochstift, 10.12.2021.

Missbrauchsstudie: Paderborner Kardinäle zeigten Mitgefühl nur mit Beschuldigten. In: Radio Hochstift, 7.12.2021.

Uni-Studie: Erzbistum Paderborn hat bei Missbrauch systematisch weggeschaut. In: Radio Lippe, 7.12.2021.

Sexualisierte Gewalt im Erzbistum Paderborn: Gebilligt und weggesehen. In: WDR, 7.12.2021.

160 Beschuldigte in Kirchenakten des Erzbistums. In: die Glocke. 7.12.2021. (PDF, 303KB; © Die Glocke, 2021).

Paderborner Bischöfe schützten Täter. In: Neue Westfälische Zeitung, 7.12.2021. (PDF, 284KB; © Neue Westfälische Zeitung, 2021).

Studie: Jaeger und Degenhardt haben Täter geschützt. In: Westfälische Nachrichten, 6.12.2021.

„Es gab keinerlei Sensibilität für den Schaden an Kindern.“ In: Westfälisches Volksblatt, 6.12.2021.

Missbrauchsstudie: Systematisches Wegsehen. In Kirche und Gesellschaft. In: EPD, 6.12.2021. (PDF, 207KB; © epd, 2021).

"Viele haben etwas gewusst" Prof. Dr. Nicole Priesching und Dr. Christine Hartig im Exklusiv-Interview. In: Der Dom, Nr. 48, 5. Dezember 2021 (PDF, 1,95 MB; © Der Dom. Katholisches Magazin im Erzbistum Paderborn 2021).

"Wie konnte es dazu kommen?" Historikerin Nicole Priesching sieht ähnliche Aktenlage im Erzbistum Paderborn. In: Der Dom, Nr. 12, 28. März 2021 (PDF, 283 KB; © Der Dom. Katholisches Magazin im Erzbistum Paderborn 2021)

Größtmögliche Transparenz. Turbulenzen in Köln beeinflussen auch die Arbeit an der Paderborner Studie.(Interview mit Prof. Dr. Nicole Priesching). In: Der Dom, Nr. 47, 22.November 2020 (PDF, 1,09 MB; © Der Dom. Katholisches Magazin im Erzbistum Paderborn 2020).

Monika Willer: Missbrauch im Erzbistum. Zeugen gesucht. In: Westfalenpost, 22. Oktober 2020 (PDF, 4,3MB; © Westfalenpost 2020).

Thomas Jansen: Goebbels und die Missbrauchsdebatte. Die antikatholische NS-Kinderschänder-Propaganda als Schutzschild für kirchliche Täter?. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 17. Oktober 2020 (PDF, 406KB; © Frankfurter Allgemeine Zeitung 2020).

Missbrauch: Uni sucht Zeugen. In: Westfalen-Blatt, 17. September 2020.

Uni Paderborn sucht Missbrauchsopfer für Studie. In: Rheinische Post Düsseldorf, 17. September 2020.

Katholische Kirche sucht Opfer von Missbrauch. In: Radio Sauerland, 17. September 2020.

Universität Paderborn sucht Zeitzeugen zum Missbrauchsskandal der katholischen Kirche. In: Radio Hochstift, 16. September 2020.

Sexueller Missbrauch im Erzbistum Paderborn:Uni sucht Zeitzeugenhttps. In: Radio Gütersloh, 16. September 2020.

Missbrauchsfälle in katholischer Kirche: Forscher suchen Zeitzeugen. In: WDR, 16. September 2020

Claudia Auffenberg und Andreas Wiedenhaus: Heraus aus der Sprachlosigkeit. Ein Gespräch mit Nicole Priesching über ihr Forschungsprojekt zum sexuellen Missbrauch im Erzbistum. In: Der Dom 27/28, 5. Juli 2020 (PDF, 6,7MB; © Der Dom. Katholisches Magazin im Erzbistum Paderborn 2020).

Christian Althoff: Über Täter und Vertuscher. In: Westfalen-Blatt, 5. Juni 2020.

Uni Paderborn arbeitet Missbrauchsfälle auf. In: Der Patriot, 5. Juni 2020.

Studie zu Missbrauch in der Katholischen Kirche. In: Westfalenspiegel, 5. Juni 2020.

Erzbistum Paderborn startet unabhängige Missbrauchsstudie, KNA-Meldung, 4. Juni 2020 (PDF, 21KB; © Katholische Nachrichten-Agentur 2020.)

Uni Paderborn: Studie zu Missbrauch in der katholischen Kirche. In: WDR Nachrichten, 4. Juni 2020.

Uni untersucht Missbrauch im Erzbistum Paderborn. In: Süddeutsche Zeitung, 4. Juni 2020.

Christine Hartig/Nicole Priesching: Dokumente und Deutungen. Interpretationsprobleme anhand eines Fallbeispiels von sexuellem Kindesmissbrauch in Kärnten 1939. In: Lisa Alessandro,  Anja Middelbeck-Varwick, Doris Reisinger  (Hg.),Kirchliche Macht und kindliche Ohnmacht.  Konturen, Kontexte und Quellen theologischer Missbrauchsforschung, Paderborn 2023, S. 145-163.

Christine Hartig: Jaegers Umgangsweisen mit Missbrauchstätern: Seelsorge, Tätersorge oder Institutionenschutz. In: Nicole Priesching, Georg Pahlke (Hg.): Lorenz Jaeger als Seelsorger, Paderborn, 2022, S. 94-128

Hartig, Christine, "Können wir es verantworten, ihn frei herumgehen zu lassen?“ Sexuelle Gewalt eines Klerikers im Feld von Theologie, Psychiatrie und Justiz (1950er–1970er Jahre). In: Aschmann, Birgit, Katholische Dunkelräume. Die Kirche und der sexuelle Missbrauch. Paderborn 2022. S.208-228.

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Pro­jekt­ko­or­di­na­ti­on

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Dr. des. Christine Hartig

Kirchen- und Religionsgeschichte

Projektkoordination „Kirchenhistorische Einordnung zum Missbrauch im Erzbistum Paderborn (1941–2002)“

E-Mail schreiben +49 5251 60-4432