En­de ei­ner Ära: Mu­sik­wis­sen­schaft­ler Prof. Dr. Joa­chim Veit in den Ru­he­stand ver­ab­schie­det

Über hundert Kolleg*innen, Weggefährt*innen und Freund*innen von Prof. Dr. Joachim Veit folgten am Sonntag, 26. Juni, der Einladung des Musikwissenschaftlichen Seminars Detmold/Paderborn zu einem Festakt anlässlich des Ruhestands des Musik- und Editionswissenschaftlers.

Verdienst für die Musikwissenschaft gewürdigt


Die Universitätspräsidentin, Prof. Dr. Birgitt Riegraf, der Rektor der Hochschule für Musik, Prof. Dr. Thomas Grosse, und der Dekan der Fakultät für Kulturwissenschaften, Prof. Dr. Volker Peckhaus, hoben in ihren Grußworten die Verdienste Veits für die Musikwissenschaft und den Standort Paderborn/Detmold hervor. In seiner fast 35-jährigen Forschertätigkeit an der Universität Paderborn habe Veit tragfähige Netzwerke aufgebaut und durch sein frühes, anfänglich noch geradezu visionäres Eintreten für digitale Methoden im Bereich der Musikedition und interdisziplinäre Zusammenarbeit mit der Informatik zu einem international führenden Standort ausgebaut. Hierfür stehe etwa das von Veit initiierte und über viele Jahre geführte Zentrum Musik – Edition – Medien (ZenMEM) mit seinen zahlreichen nationalen und internationalen Kooperationen, nicht zuletzt im Bereich der Kodierungsstandards der Text Encoding Initiative (TEI) und der Music Encoding Initiativ (MEI).

Ebenfalls würdigte der Generalsekretär der Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz, Prof. Dr. Claudius Geisler, den weit über die von Veit selbst geleiteten Langzeitforschungsprojekte im Programm der Union der deutschen Akademien der Wissenschaften – genannt seien hier stellvertretend nur die „Carl-Maria-von-Weber-Gesamtausgabe“, das Projekt „Freischütz digital“ und „Beethovens Werkstatt: Genetische Textkritik und Digitale Musikedition“ –  hinaus reichenden grundlegenden Charakter von Veits wissenschaftlichem Lebenswerk. Auch dem persönlichen Dank, der wärmstens aus all diesen Grußworten sprach, schlossen sich die vier aktiven Professor*innen des Musikwissenschaftlichen Seminars an, nicht ohne zu betonen, dass es maßgeblich Veit zu verdanken sei, dass das Musikwissenschaftliche Seminar Detmold/Paderborn über die Jahre stetig gewachsen ist und heute mit über 40 Mitarbeitenden in den unterschiedlichsten Funktionen eines der größten musikwissenschaftlichen Institute in Deutschland ist.

Ausführlich rekapitulierte der Musikwissenschaftler Prof. Dr. Walter Werbeck in seiner Laudatio den wissenschaftlichen Werdegang und die Persönlichkeit Veits. Er legte dabei Wert auf dessen digitale Projekte, aber auch auf die herausragende Qualität seiner ‚konventionellen‘ Forschungsbeiträge zur Musik des frühen 19. Jahrhunderts und der von ihm besorgten musikalischen Werk-Editionen.

Musikalisch umrahmte den Festakt Prof. Florian Ludwig (HfM Detmold); auch er ist ein langjähriger Gesprächspartner Veits in Sachen Orchesterpartituren und Aufführungen der Werke Webers. Am Klavier interpretierte Ludwig zunächst gemeinsam mit der Fagottistin Arati Kober Camille Saint-Saëns’ „Sonate für Fagott und Klavier op. 168“, später gemeinsam mit der Sopranistin Hyewon Ju das Lied „September“ aus Richard Strauss’ „Vier letzten Liedern“ und eine virtuose Arie aus Charles Gounods „Roméo et Juliette“.

„Musikwissenschaftliche Rocket Science“


Die zweite Hälfte des Festakts gestaltete der von Veit als Arbeitsgruppe und Forschungsnetzwerk initiierte, längst nicht mehr nur auf die Universität Paderborn beschränkte „Virtuelle Forschungsverbund Edirom“ (ViFE) mit einem Poster-Slam, welcher in kurzweilig-heiterer, persönlicher Weise zentrale Stationen des wissenschaftlichen Schaffens von Joachim Veit ins Bewusstsein rückte und kommentiert beleuchtete. Musikinformatiker Dr. Axel Berndt und Musikwissenschaftler Prof. Dr. Andreas Münzmay musizierten – in ungewohnter Rolle als Bariton-Tubisten – zwei Duette, die sie eigens für den Anlass arrangiert und komponiert hatten, um biographisch einen Bogen von Veits jugendlicher Raumfahrtbegeisterung in den 1960er-Jahren bis zu seiner unermüdlichen, außerordentlichen Leidenschaft für die digitale Editionsarbeit als „musikwissenschaftliche rocket science“ zu spannen. Den Höhepunkt bildete die Freischaltung der im Verlauf des letzten Jahres vom ViFE kollektiv erarbeiteten Open-Access-Fassung der Digitalen Edition von Carl Maria von Webers Klarinettenquintett op. 34 - jenem Werk, das Veit 2004 als erste historisch-kritische digitale Musikedition überhaupt herausgebracht hatte. Die Neufassung der Edition beruht weitgehend auf den Daten der damaligen CD-ROM-Publikation, macht diese aber technisch endlich leicht und breit verfügbar. ViFE widmet die Fassung Joachim Veit, nicht zuletzt in Bezug auf dessen Vorreiterrolle in Sachen Open Science.

Joachim Veit verband seinen Dank mit der eindringlichen Mahnung, die Belange des wissenschaftlichen Mittelbaus, der eine tragende Rolle spiele und unverzichtbar für die Qualität und Kontinuität universitärer Forschung und Lehre sei, stets im Blick zu behalten, und lud abschließend mit einem Gedicht zum Büffet.

Führend im Bereich „Digitale Edition“ dank Joachim Veit


Dass die Universität Paderborn heute als weltweit führend im Bereich „Digitale Edition“ gilt, ist maßgeblich Prof. Dr. Joachim Veit zu verdanken. Frühzeitig erkannte er das Potenzial digitaler Verfahren für musikwissenschaftliche Editionen und löste einen Paradigmenwechsel in der Editionswissenschaft aus. Das Forschungsgebiet „Digitale Editionstechnik“ wurde durch von ihm geleitete Langzeit-Projekten wie der „Carl-Maria-von-Weber-Gesamtausgabe“, „Beethovens Werkstatt. Genetische Textkritik und digitale Musikedition“, der DFG-Projekte „Edirom", „Digital Music Notation Data Model and Prototype Delivery System", „Freischütz digital" oder „Detmolder Hoftheater“ in der Musikwissenschaft fest etabliert. Die von ihm und seinem großen Team an Mitarbeitenden auf den Weg gebrachten Entwicklungen haben intensive und erfolgreiche Forschungsanstrengungen von Musikwissenschaft, Informatik und Informationswissenschaft initiiert. 2005 erhielt Veit von der Fakultät für Kulturwissenschaften der Universität Paderborn den Titel Honorarprofessor.

Joachim Veit war neben unzähligen anderen Mitgliedschaften Vorstandsmitglied der VG Musikedition und Mitglied des Advisory Committee der Digitalen Mozart-Edition. Er gehörte zu den Gründern des Verbands Digital Humanities im deutschsprachigen Raum (DHd) und wirkte viele Jahre in dessen Vorstand. Seine ausführliche akademische Vita ist auf der Kontaktseite von Joachim Veit zu finden.

 

Foto (Universität Paderborn, Nikolaos Beer): Prof. Dr. Joachim Veit.

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