Kunst - Re­­li­­gi­on - Um­­welt | ZeKK & The Arts The­­men­wo­che

Kunst - Religion - Umwelt 

Themenwoche der AG “Zekk and the Arts” in Paderborn

17.-22. November 2025

Auch wenn angesichts der aktuellen politischen Entwicklungen in der Welt umweltbezogene Themen derzeit nicht im Fokus der medialen Öffentlichkeit stehen, dürfte unumstritten sein, dass die Umweltzerstörung und der Klimawandel zu den drängendsten Problemen weltweit zählen. Die globalen Veränderungen haben bereits jetzt massive Auswirkungen auf die Gesellschaften, die Lebensweisen sowie die politischen Diskurse. Es entstehen verschiedene Narrative, speziell um den Klimawandel, aber auch dessen Auswirkungen zu beschreiben: Es sind – um nur zwei Beispiele zu nennen, die die Weite aufzeigen – einerseits technikpositive Erzählungen zu vernehmen, in denen technischer Fortschritt als Schlüssel zur Lösung der Probleme angeführt wird, während andererseits vermehrt eine Krisenrhetorik herangezogen wird, die bisweilen zu apokalyptischen Erzählungen führt. Immer wieder wird die Diskrepanz zwischen den naturwissenschaftlichen Erkenntnissen sowie den sich daraus ergebenden notwendigen Veränderungen deutlich. In dieser Gemengelage fällt nun der Kunst eine nicht unwesentliche Funktion zu, indem sie etwa versucht, die Dimensionen der globalen Veränderungen erfahrbar zu machen. Auch in den religionsbezogenen Diskursen nimmt die Bedeutung umweltbezogene Themen seit einigen Jahrzehnten zu. 

Exemplarisch sei im christlichen Kontext darauf verwiesen, dass der Ökumenische Rat der Kirchen seit den 1970er Jahren an umwelt- und klimaorientierten Konzepten für nachhaltige Gemeinden arbeitet, dass im sogenannten Konziliaren Prozess seit den 1980er Jahren die „Bewahrung der Schöpfung“ einen zentralen Platz einnimmt und dass sich 2015 Papst Franziskus, angesichts weltweiter Umweltschäden, prominent in der Enzyklika „Laudato si“ geäußert hat. Auch in islamischen Diskursen gewinnt der Umweltgedanke zunehmend an Bedeutung. So betonen islamische Gelehrte und Organisationen verstärkt das Konzept der amāna (Verantwortung) des Menschen gegenüber der Schöpfung sowie die Prinzipien der Nachhaltigkeit (istiʿmār) und der Maßhaltung (iʿtidāl), die tief in der islamischen Ethik verwurzelt sind. Dies zeigt sich unter anderem in ökologischen Fatwas oder Initiativen wie der „Islamic Declaration on Climate Change“ von 2015, die Muslime weltweit zu einem bewussten Umgang mit der Umwelt aufruft. Schließlich verweist auch die jüdische Tradition auf die Verantwortung, für unseren Planeten zu sorgen und Gottes Schöpfung zu bewahren. Die Zerstörung der Erde ist daher nicht nur ein Umweltproblem, sondern auch eine Missachtung göttlichen Eigentums. Das jüdische Prinzip bal tashchit („du sollst nicht zerstören“) verbietet unnötige Zerstörung und unterstreicht die ethische Pflicht, die Welt zu schützen und zu bewahren.

Von Donnerstag bis Samstag kommen Wissenschaftler*innen verschiedenster Disziplinen (Theologien, Literaturwissenschaft, Musikwissenschaft, Kunstgeschichte) zusammen, um interdisziplinär und öffentlich das Thema mit Blick auf die Literatur, die bildende Kunst und die Musik diskutieren und die in den verschiedensten vorangegangenen Formaten aufgespannten Fäden zusammenführen. In den Literaturwissenschaften sind in den vergangenen beiden Jahrzehnten im Zusammenhang des Ecocriticism bzw. der Kulturökologie (u.a. Hubert Zapf 2002 und 2008) Fragen nach dem Verhältnis von Mensch und Umwelt und der Bedeutung von kulturellen Äußerungen und Praktiken für dieses Verhältnis differenziert aufgearbeitet worden. Wichtig und produktiv war zuletzt die Diskussion, wie sehr ästhetisch-literarische Gattungsbestimmungen in ihren Tiefenstrukturen Mensch-Umwelt-Verhältnisse reflektieren und modellieren (Evi Zemanek 2018). Umso auffallender ist, dass bisher für die Bestimmung dieser anthropologisch und umweltethisch profilierten Zusammenhänge und Strukturen die Verbindung von religiösen und theologischen mit ästhetischen, literarischen und medialen Aspekten noch nicht wirklich fruchtbar gemacht worden ist. Die in der literaturwissenschaftlichen Sektion vorgesehenen Beiträge diskutieren dies grundlegend neu, auch unter Einbeziehung gattungstheoretischer Aspekte am Beispiel von Bertolt Brecht (für Drama und Medien) und der Lyrik und Prosa der Gegenwart (Christian Lehnert, Andreas Maier und Katharina Hacker). 

Schon seit den frühen 1980er Jahren lassen sich Markierungen im Feld „Religion – Kunst – Umwelt“ für die christliche Praktische Theologie / Religionspädagogik ausmachen. Dies nicht zuletzt im Zusammenhang mit dem bereits erwähnten Konziliaren Prozess für Gerechtigkeit, Frieden und die Bewahrung der Schöpfung. Zeitgleich etabliert sich eine grundlegende religionspädagogische Revision artifizialistisch und anthropozentrisch geprägter Schöpfungsmodelle. Damit einher geht auch eine deutliche Revision von Bildprogrammen, die den „schöpfungsbewahrenden“ Paradigmenwechsel an Werken der christlichen Bildtradition aufzeigt. Im Blick auf Werke der bildenden Kunst der Moderne und der Gegenwart werden strukturelle Analogien zwischen künstlerischer Formensprache und -suche und natur- und umweltbezogenen Prozessen betont. Explizit religionspädagogische Auseinandersetzungen mit Schöpfung / Ökologie situieren sich gegenwärtig unter dem Oberbegriff Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE). Konzepte einer religiösen Bildung für nachhaltige Entwicklung (rBNE) verstehen sich als partizipativ und kommunikativ offene theologische Perspektivierungen. Es wird zu fragen sein, ob der Umgang mit Kunst und Prozesse ästhetischen Lernens in diesem Zusammenhang grundlegende Beiträge zu einer kritisch-emanzipatorischen rBNE liefern können, die ihrerseits als Bestandteil einer transformativen Bildung anzusprechen ist, welche systematisch Widersprüche und Ambivalenzen offenhält. 

Auch in der Musikwissenschaft nimmt die Auseinandersetzung mit umweltbezogenen Themen inzwischen einigen Raum ein. Zugleich ist eine bemerkenswerte Zunahme an Kompositionen und Klanginstallationen zu beobachten, die sich auf vielfältige Weise mit den ökologischen Krisen unserer Zeit auseinandersetzen. Ob im Bereich der Instrumentalmusik (bspw. Bongani Ndodana Breen, Rainmaking in Memoriam of Queen Modjadi), religiöser Vokalgattungen (bspw. Paul Walde, Requiem for a Glacier, oder Matthias Drude, Alles, was atmet, lobe den Herrn), elektronischer Musik (bspw. Meryl van Noie, scratch study 2, oder In/Visibilities von Maya Marshak und Cara Stacey) oder Projekten der sogenannten ‚Ecological sound art‘ (bspw. Seaphony von Chris Watson, Tony Myatt und Theresa Baumgartner), die Beispiele sind vielfältig und international. Auffällig ist jedoch, dass der Aspekt der Religion gerade im musikwissenschaftlichen Diskurs um Ecocriticism allenfalls am Rande eine Rolle spielt. In den musik- und ritualbezogenen Vorträgen werden Beispiele aus unterschiedlichen Religionen und auch Gattungen analysiert. Dabei spielen – vergleichbar den literaturwissenschaftlichen Beiträgen – gattungsbezogene Fragestellungen (etwa mit Blick auf die Formen Requiem, Oratorium und Oper) ebenso eine Rolle wie solche nach den aktuellen Lesarten eines „traditionell“ gewordenen Repertoires. 

Wer veranstaltet die Themenwoche?

Die Themenwoche wird gemeinsam von dem Zentrum für Komparative Theologie und Kulturwissenschaften (ZeKK) der Universität Paderborn und der Theologischen Fakultät Paderborn veranstaltet. Sie ist eine Veranstaltungsreihe des Forums für Komparative Theologie, welches vom Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen (MKW NRW) gefördert wird. 

Außerdem wird die Veranstaltungswoche durch die Universitätsgesellschaft Paderborn (UG) gefördert.

Organisator*innen:

Prof. Dr. Rita Burrichter (Institut für Katholische Theologie, UPB)
Prof. Dr. Dominik Höink (Musikwissenschaftliches Seminar Detmold/Paderborn)
Prof. Dr. Lothar van Laak (Institut für Germanistik und Vergleichende Literaturwissenschaft, UPB)
Prof. Dr. Stephan Wahle (Theologische Fakultät Paderborn)

Alle Veranstaltungen innerhalb der Themenwoche sind öffentlich und die meisten sind kostenlos. Bei Veranstaltungen mit begrenzter Kapazität ist eine vorherige Anmeldung notwendig. 

Die Anmeldung ist bereits möglich. Alle Infos zum Programm können Sie dem Flyer zur Themenwoche entnehmen oder s. unten.

 

Vorläufiger Veranstaltungsplan


Montag, 17. November 2025, 17.00-21.00 Uhr 

Musik, Religion und Kultur in Zeiten des Klimawandels – Workshop mit Bernhard König
Ort: Theologische Fakultät Paderborn, Raum: Hörsaal 1
Anmeldung bitte per Mail an kunst-religion-umwelt[at]uni-paderborn.de.

**Achtung: Workshop entfällt! **
 

Dienstag, 18. November 2025, ab 19.00 Uhr

Filmabend des Programmkinos Lichtblick im Pollux Kino Paderborn
Gezeigt werden die Filme „The Mission“ und „La memoria de las mariposas“


ab Mittwoch, 19. November

RoadMapFuture

Öffentliche Ausstellung mit partizipativem Kunstprojekt von Hermann Josef Hack und Andreas Pohlmann
Ort: Universitäts- und Marktkirche, Am Kamp 
 

Mittwoch, 19. November 2025, 09.45-14.00 Uhr

Öffentlicher Workshop mit Iyad Shraim zur arabischen Kalligraphie (Universität Hamburg) - Einblicke vom letzten Workshop
Ort: Theologische Fakultät Paderborn, Hörsaal 1
Anmeldung bitte per Mail an kunst-religion-umwelt[at]uni-paderborn.de.

 

Donnerstag, 20. November - Samstag, 22. November 2025

Wissenschaftliche Perspektiven auf “Kunst - Religion - Umwelt”
Ort: Theologische Fakultät Paderborn

Öffentliche Tagung inkl. multireligiöse Reflexionen und Gebet & Veranstaltung im Diözesanmuseum
Eine Anmeldung ist nicht erforderlich.

 

Wissenschaftliche Perspektiven auf “Kunst - Religion - Umwelt”

 

Donnerstag, 20. November 2025


14.00 – 14.30 Uhr 

Einführung / Begrüßung

Grußworte 
des Präsidenten der Universität Paderborn, Prof. Dr. Matthias Bauer
des Rektors der Theologischen Fakultät Paderborn, Prof. Dr. Aaron Langenfeld
des Vorsitzenden des ZeKK, Prof. Dr. Zishan Ghaffar

Moderation: Cornelia Dockter (Paderborn)

14.30 – 16.00 Uhr 

Jochen Schmidt (Mainz), Apocalypse Now. Versuch über eine Ethik des Futur II

Jonas Hagedorn (Paderborn), Klimawandel und Klimapolitik. Sozialethische Überlegungen

 

Kaffeepause

 

Sektion Ritual

16.30 – 18.00 Uhr 

Stephan Wahle (Paderborn), Ein Requiem für einen Gletscher? Trauerrituale im Angesicht des Klimawandels

Christiane Strothmann (Essen), Im rituellen Gespräch mit der Umwelt: Naga-Rituale der Bön-Religion des Himalaya als musikalische Konstituenten eines indigenen Nachhaltigkeitsbewusstseins

 

19.00 Uhr 

„Grüner wird’s nicht“ – Multireligiöse Reflexionen mit Musik und Gebet (Mohammed Abdelrahem, Yael Attia, und Katja Grashöfer)
Ort: Theologische Fakultät Paderborn, Hörsaal 1
(Eine Anmeldung ist nicht erforderlich.)

 

Freitag, 21. November 2025

 

Sektion Literatur

Moderation: Johannes Süßmann (Paderborn)

 

9.00 – 10.30 Uhr 

Katrin König (Paderborn), Seufzende Schöpfung. Ästhetische, ethische und theologische Wege zu einem Ethos der Mitgeschöpflichkeit

Lothar van Laak (Paderborn), „Ein Fisch ist jetzt durch uns geschwommen.“ Naturverhältnisse beim frühen Bertolt Brecht

 

Kaffeepause

 

11.00 – 12.30 Uhr 

Ludmilla Gerlitz (Paderborn), Ökologie und Transzendenz in Marion Poschmanns Laubwerk. Zur Poetik des Stadtbaums – Literatur als Erkenntnismodus und Erfahrungsraum 
 

Nathalie Hansen (Paderborn), Bewahrungsversuche – Natur und Heimat zwischen Erhaltung und Erinnerung bei Katharina Hacker und Andreas Maier

 

Mittagspause

 

Sektion Bildende Kunst

Moderation: Marion Keuchen (Paderborn)

 

14.00 – 15.30 Uhr 

Ulrike Heinrichs (Paderborn), Studium und Praxis, Arbeit und Erholung – Spielräume geschöpflichen Sich-Verhaltens im Wandmalereizyklus der spätmittelalterlichen Bibliothek am Dom in Brandenburg

Tuba Isik (Berlin): Verantwortung gestalten – Nachhaltigkeit in muslimischer Kunst

 

Kaffeepause

 

16.00 – 17.30 Uhr

Rita Burrichter (Paderborn), Produktive Störungen?! Kunstwerke in schöpfungstheologischen Vermittlungsprozessen

Claudia Gärtner (Dortmund), Stärkung des Umweltbewusstseins durch (religiöse) Kunst? Religiöse Bildung für nachhaltige Entwicklung durch ästhetisches Lernen

 

18.30 - 21.00 Uhr

Themenbezogene Veranstaltung im Diözesanmuseum, 18.30 - 21.00 Uhr

Das Museum als Endlager schwach strahlender Substanzen? Ausstellungsräume als Orte gesellschaftlichen Diskurses
(Eine Anmeldung ist nicht erforderlich.)

 

 

Samstag, den 22. November 2025

 

Sektion Musik

Moderation: Rebekka Sandmeier (Kapstadt)

 

9.00 – 10.30 Uhr 

Yael Attia (Paderborn), Mimouna: Music between Jewish Traditions

Raid Al-Daghistani (Paderborn), Samāʿ - die Praxis des religiösen Musikhörens im Sufismus

 

Kaffeepause

 

11.00 – 12.30 Uhr 

Sara Beimdieke (Siegen) / Julian Caskel (Essen), Religion als Ressource: Öko-kritische und „öko-kitschige“ musikalische Kommunikation

Jonas Spieker (Detmold/Paderborn), „Randvoll mit Wissen, aber mager an Erfahrung“: Klangkunst als Praxis der Trauer im Zeichen von Klimakrise und Artensterben 

 

Mittagspause

 

14.00 – 16.00 Uhr

Luise Adler (Detmold/Paderborn), Ökokritik und Religion in der deutschsprachigen Oper des 21. Jahrhunderts

Harald Schroeter-Wittke (Paderborn), „Es soll diese Jahre weder Thau noch Regen kommen.“ Mendelssohns Elias als Oratorium des Anthropozäns

Dominik Höink (Detmold/Paderborn), Schöpfungsoratorien im 21. Jahrhundert

 

16.00 Uhr 

Tagungsbeobachtungen aus studentischer Perspektive