Einrichtungen des Computers. Zum Zusammenhang von Computer und Wohnen
Drittmittelprojekt gefördert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), Förderzeitraum: 2020-2023, 2024-2025. Die Förderung des Projekts ist Ende März 2025 ausgelaufen. Die Website dient der Dokumentation.
Ende der 1970er-Jahre wird der Personal Computer gleich noch einmal erfunden, und zwar als Home Computer. Es ist diese Perspektive auf den Personal Computer als Home Computer, die sowohl in medien- und geschichtswissenschaftlichen Diskursen als auch in populären Erinnerungskulturen stark vernachlässigt wird. Stattdessen wird sich gemeinhin der Suggestion des Wortes Personal Computer ergeben und auf die Personalisierungs- und Intimisierungstendenzen in der Computerentwicklung abgehoben. Demgegenüber möchte das Projekt auf Fragen der Verhäuslichung des Computers eingehen und die Genese der Computerisierung des Zuhauses untersuchen. Es schließt damit einerseits in einer kritischen Auseinandersetzung an den Domestizierungsansatz an, der die Implementierung und Aneignung von Medientechnologien im Kontext des häuslichen Alltags erforscht. Andererseits verfolgt das beantragte Projekt mit einer Verbindung aus Designgeschichte, Akteur-Netzwerk-Theorie (ANT) und Diskursanalyse einen methodisch alternativen Ansatz. Unter Bezugnahme auf die ANT konzeptualisiert es den Computer als häuslichen Akteur und zeigt seine Verbindung zu weiteren Haushalts- und Einrichtungsgegenständen auf. Mit Blick auf die Designgeschichte wird die Gehäusegestaltung als Ort der Vermittlung zwischen Technik und Heim und die Wohnungsgestaltung mit dem Medium Computer untersucht. Zusammengenommen bilden Gehäuse und häusliches Netzwerk eine entselbstverständlichende Perspektive auf die Verhäuslichung des Personal Computers, die sich dadurch auszeichnet, dass sie nicht von der Technik als weitestgehend stabile Größe, die Einzug in den Haushalt hält, ausgeht; vielmehr interessiert die Hervorbringung des Home Computers als eine solche mehr oder wenig gefestigte Einheit und als Bestandteil des häuslichen Ensembles.
Die leitende Fragestellung lautet: Unter welchen historischen Bedingungen und mit welchen Auswirkungen wird der Computer zum Bestandteil des häuslichen Ensembles? An welche Vorstellungen des Häuslichen und damit verbundenen Einrichtungspraktiken wird angeschlossen? Zur Untersuchung dieser Fragen werden u.a. Computer- und Einrichtungszeitschriften der 1970/80er-Jahre gesichtet. Die Analyse ist von vier Thesen geleitet: (1.) Die Gestaltung des Personal Computers ist geprägt vom Prozess seiner Verhäuslichung; (2.) der Personal Computer wird als Störung des Alltags und der häuslichen Ordnung verhandelt; (3.) als Lösungsstrategien werden neue Arrangements des Wohnens angeboten; (4.) damit einher geht eine Umverteilung der häuslichen Handlungsmacht. In diesem thesengeleiteten Zugriff auf das Archivmaterial versteht sich das Projekt als machtanalytische Studie, die den Computer in Bezug auf etablierte häusliche Akteure neu denkt und so im Moment der Netzwerkbildung aufzeigt, wie stark dieser Prozess zusammenhängt mit sozialen Asymmetrien, die die Differenzierungskategorien gender, race, age und diversity generell betreffen und dessen Auswirkungen digitale Kulturen bis heute prägen.
Team
> Institut für Medienwissenschaften > Fernsehen und digitale Medien
Professorin
Büro: E2.324
Telefon: +49 5251 60-3274
E-Mail: christina.bartz@uni-paderborn.de
> Institut für Medienwissenschaften > Mediengeschichte
Akademische Rätin - Praktikumskoordination
Büro: E2.351
Telefon: +49 5251 60-3279
E-Mail: monique.miggelbrink@uni-paderborn.de
> Institut für Medienwissenschaften > Fernsehen und digitale Medien
Ehemaliger - im Projekt Einrichtungen des Computers.
Rebecca Corrent hat im Projekt als studentische Hilfskraft gearbeitet.
Methodisch-theoretischer Ansatz des Projekts
Das Projekt versteht sich als methodisch-theoretisch angeleitete Materialanalyse. Die Untersuchungsmethoden bestehen in einem dreigliedrigen Verfahren – Designgeschichte, ein an der Akteur-Netzwerk-Theorie geschultes Umgebungsdenken und Diskursanalyse –, das der Auswertung des Materials dient. Diese methodische Trias hat sich als besonders geeignet erwiesen, da sich hiermit der Verwobenheit von Dingen, Zeichen und Praktiken im Material besonders gut nachgehen lässt (Miggelbrink 2018a). Das Material – maßgeblich bestehend aus Computer- und Einrichtungszeitschriften inklusive der darin enthaltenen Werbung – wird als visuelles und textliches Archiv aufgefasst, in dem sich die kulturellen Aushandlungen zum Heimgebrauch des Computers im Alltag dokumentieren, indem der Computer u.a. in konkreten (Gebrauchs-)Settings vorgestellt wird. Diese Konkretisierungen werden nicht nur als Popularisierungsdiskurs, dessen Effekt die Domestizierung des Computers ist, verstanden (Ehrmanntraut 2019). Vielmehr geht es darum, dass sich im Material gesellschaftliche Imaginationen (Pethes 1999) zum Personal Computer zeigen, die an bestehende Wohnsituationen und damit verbundene Problemlagen anschließen, d.h. die Neuheit des Computers mit Bekanntem konfrontiert wird. Indem an die Wohnsituation der Leserschaft angeschlossen wird, also ihr Alltag zum Bestandteil der Darstellungen wird, erhöht sich deren Aufnahmebereitschaft. Auf der Basis dieser Vorannahme können die Zeitschriftenartikel und Bilder sowie die Werbung als Dokumente eines Wohnens mit Computer verstanden werden, obgleich sie nicht zwingend als zukünftiges Archiv publiziert wurden.
Datenbank "Wohnen und Medien"
Datenbank mit 1.175 verschlagworteten Bild- und Textfunden aus den Einrichtungszeitschriften und -katalogen IKEA, Schöner Wohnen, Form, möbel kultur und Die Kunst und das schöne Heim von 1970 bis heute.
a) Einsicht ohne Zugriffsbeschränkung (nur Verschlagwortung ohne Scans der Bild- und Textfunde) wird zurzeit eingerichtet.
b) Für eine Einsicht auf die gesamte Datenbank (Verschlagwortung mit Scans der Bild- und Textfunde) E-Mail an Prof. Dr. Christina Bartz oder Dr. Monique Miggelbrink.
Publikationen
Ergebnisse aus dem Projekt
ComputerWohnen. Zur Geschichte des Computers in Wohnumgebungen zwischen Arbeit und Assistenz
Christina Bartz, Jakob Cyrkel, Felix Hüttemann, Monique Miggelbrink (Hg.)
27.06.2025, ca. 310 Seiten
ISBN: 978-3-8376-7115-5
Unter welchen historischen Bedingungen und mit welchen Auswirkungen wurde der Computer zum Bestandteil des Wohnalltags? Und wie verhält es sich dabei mit Praktiken des Wohnens und Wohnungseinrichtens? Die Beiträger*innen werfen einen Blick auf die Computerisierung des Zuhauses und zeigen, wie sie sich vollzieht. Der Fokus ihrer Analyse liegt einerseits darauf, wie Arbeit und Assistenz das Wohnen im Hinblick auf den Computer konfigurieren, andererseits stellen sie die Archäologie der (Wohn-)Umgebungen des Computers infrage - und geben so einen kompakten medienhistorischen Überblick über den Beginn des Smart Homes.
Uncanny Homes: Early Computer Cultures in West German Home Decor Magazine and Catalogue Photography
Monique Miggelbrink
In: Ali Shobeiri/Helen Westgeest (Hg.):Oikography: Homemaking through Photography
31.07.2025, Seite 51-66
ISBN: 9789087284695
Living-Environments as Assistive Environments? From Kitchen Computer to Home-Office
Felix Hüttemann, Monique Miggelbrink
In: Philipp Macele/Jan Müggenburg/Anna-Lena Wiechern (Hg.): Assistive Media. Barriers and Interfaces in Digital Cultures
31.10.2025
ISBN: 978-3-8376-6472-0
Die Listen des Warenkatalogs und die Mobilisierung des Vergleichens
Christina Bartz
In: Kulturwissenschaftliche Zeitschrift Nr. 2, Themenschwerpunkt: Listen, Rankings, Charts
2024, Seite 41-56
DOI: https://doi.org/10.28937/978-3-7873-4931-9
The subject of the article is the IKEA catalogue and the product lists it contains. It analyses their structure and design and discusses three theses: 1. Following consumer culture research, it can be argued that the lists promise a general variety of products. 2. The arrangement within the lists suggests a selection by comparison. 3. The IKEA catalogue advertises the popularity of its own products. One the one hand popularity means sales success and on the other hand suitability for consumers' households.
Medienarchäologie des Wohnens. Mediengeschichtliche Methode zum Zusammenhang von Medien und Wohnen
Monique Miggelbrink
In: Miriam Meuth/Julia von Mende/Antonia Josefa Krahl/Eveline Althaus (Hg.): Wohnen erforschen. Qualitative Methoden und forschungspraktische Reflexionen
31.10.2024, Seite 139-152
ISBN: 978-3-8376-7464-4
Als medienwissenschaftliche Methode interessiert sich die Medienarchäologie für Medientechnologien der Vergangenheit. Ihr Gegenstand sind meist spektakuläre, weitestgehend unbeachtete, nie realisierte oder gescheiterte medientechnische Artefakte, insbesondere des 19. Jahrhunderts.1 Diesen nähert sie sich methodisch mittels einer weitergeführten Diskursanalyse, wobei gerade im Transfer von Michel Foucaults ›historischem Apriori‹2 auf das Feld der Medien die Brisanz des Forschungsansatzes liegt (vgl. Rieger 2014: 137). Im Weiteren wird es darum gehen, Medienarchäologie als Methode einer medien- und kulturwissenschaftlich ausgerichteten Wohnforschung produktiv zu machen. Ziel ist es, zum einen eine methodische Grundlage für die eigene Forschung zu geben. Zum anderen geht es darum, weniger stark beachtete bzw. kanonisierte Studien im Feld der Medienarchäologie selbst auszumachen. Es ist auffällig, dass sich diese mit der Sphäre des Alltags beschäftigen, hier insbesondere dem Wohnen. Der vorliegende Beitrag trägt die methodischen Implikationen dieser Studien zusammen und möchte sie eindeutiger als medienarchäologische Methode markieren, als dies bis dato in einschlägigen Überblickstexten zur Medienarchäologie der Fall ist.
1 Für einen Überblick zu zentralen Gegenständen und Fragen der Medienarchäologie siehe Parikka 2012 und Rieger 2014.
2 Jede Geschichte bzw. Epoche hat demzufolge etwas ihr Vorgängiges bzw. Apriorisches, das sich laut Foucault (1973: 184) in den Archivbeständen im Sinne einer Diskursanalyse als diskursive Praxis näher bestimmen lässt.
Designobjekte und das dokumentarische Gefüge des Wohnens
Felix Hüttemann
In: Tabea Braun/Felix Hüttemann/Robin Schrade/Leonie Zilch (Hg.): Dokumentarische Gefüge. Relationalitäten und ihre Aushandlungen
November 2023, Seite 181-202
ISBN: 978-3-8394-6695-7
Dieser Text versucht Umgebungen, im Besonderen Wohnumgebungen, als designte, d.h. nicht-natürliche Räume zu verstehen, die einen nicht unerheblichen Beitrag zur Subjektivierung von humanen und non-humanen Aktant:innen leisten. Im Zentrum steht an dieser Stelle eine Trias aus non-humanen Aktant:innen, humanen Aktant:innen und ihrer Umgebung.
Ordnen und gestalten: Der IKEA-Katalog. Atmosphärisches Wohnen in Schweden und der Bundesrepublik Deutschland
Monique Miggelbrink
In: Zeithistorische Forschungen/Studies in Contemporary History 19
30.05.2022, Seite 578-599
DOI: doi.org/10.14765/zzf.dok-2474
Ein nicht nur für Historiker:innen alltagsnahes Thema ist die Geschichte des IKEA-Katalogs, dessen Druckausgabe 2020/21 eingestellt wurde. Nach Unternehmensangaben wurden »im auflagenstärksten Jahr« (2016) insgesamt »200 Millionen Exemplare des Katalogs in 69 verschiedenen Versionen und 32 Sprachen in über 50 Ländern vertrieben«.1 Über die Jahrzehnte hinweg hat sich ein reicher Quellenbestand zur Geschichte von Leitbildern des Wohnens angesammelt. Monique Miggelbrink untersucht in diesem Heft exemplarisch die schwedischen und deutschen Kataloge im Hinblick auf die Ordnungs- und Kreativitätsversprechen des Möbelhauses. Sie deutet den IKEA-Katalog als »Vermittlungsinstanz« für »Wohnen als Kulturtechnik«. IKEA präsentierte sich immer als »alternativ«, war und ist jedoch Teil des Massenkonsums.
Verbrühen, Schneiden, Hinlegen. Haushaltsunfälle und die Medialität von Wohnumgebungen
Felix Hüttemann
In: Navigationen. Zeitschrift für Medien- und Kulturwissenschaften 22, Nr. 2, Themenschwerpunkt: Unfälle. Kulturen und Medien der Akzidenz
2022, Seite 79-92
DOI: doi.org/10.25969/mediarep/19026
Der Beitrag verfolgt die Akteur-Netzwerke von häuslichen Unfällen und fragt nach der Medialität von Wohnumgebungen in Bezug auf die agency non-humaner Agenten, in der Annahme, dass die Kontingenz medialer Gefüge von Wohnumgebungen in Unfallgeschehen entweder nicht vermittelt und keine Handlungsketten bildet oder, ebenso akzidentiell, mehr vermittelt oder auslöst als antizipierbar. Beide Fälle, Anti-Vermittlung und Über-Vermittlung, sind Faktoren der Störung und Gefährdung, die in Unfälle münden. Es wird konstatiert inwieweit das Heimische ein Ergebnis der Kulturen der Akzidenz ist und inwieweit sich das Akzidentielle im Besonderen aus einer Wechselbeziehung zum Heim als einem Topos der Sicherheit eruieren lässt. Die davon ausgehende These des Beitrages ist, dass der Haushaltsunfall in seinem akzidentiellen Charakter einen anderen Blick auf das Häusliche wirft und anders nach den Bedingungen der Möglichkeit von Umgebungen, Akteur-Netzwerken und Medialität fragen lässt.
Home Computer: Wohnen mit dem Computer in Einrichtungszeitschriften
Monique Miggelbrink
In: Irene Nierhaus/Kathrin Heinz/Rosanna Umbach (Hg.): WohnSeiten
17.12.2021, Seite 298-316
ISBN: 978-3-8376-5404-2
How has the computer as a ‘universal medium’ come into the home? In popular sources from the 1980s, such as design, computer and home furnishing magazines and the advertising they contain, the computer is explicitly associated with the home and for the first time produced as the home computer. The text shows that the first tendencies toward this development can be discerned in the 1960s, when the kitchen became the locus of the computerisation of the home and media use. This paper seeks to show that this arrangement of heterogeneous elements produces specific connections between the computer and the household. This leads to the question of the status of sources relating to these early computer facilities, which can be conceptualised as a domestic imaginary, one that in a contradictory way asserts itself through the use of the computer.
Batterien als Medien häuslicher Mobilität: Materialitäten und kulturelle Imaginationen der Überwindung des Zuhauses
Monique Miggelbrink
In: Jan Müggenburg (Hg.): Reichweitenangst. Batterien und Akkus als Medien des Digitalen Zeitalters
29.11.2021, Seite 241-258
ISBN: 978-3-8376-4880-5
Monique Miggelbrink befasst sich in ihrem Beitrag mit dem Einzug von Batterien in das häusliche Umfeld der 1950er und 1960er Jahre. Anhand historischer Popularisierungsdiskurse in Einrichtungs- und Programmzeitschriften untersucht sie, wie Batterien als ›häusliche Akteure‹ zur Mobilmachung elektronischer Haushaltsgeräte beigetragen haben. Am Beispiel batteriebetriebener Radioempfänger analysiert sie den Zusammenhang von Design und Batteriestrom und unternimmt eine machttheoretische Analyse dieser geschlechts- wie schichtspezifisch codierten häuslichen Mobilität.
Home-Office. Kulturelle Formationen häuslicher Arbeit
Christina Bartz, Monique Miggelbrink
In: Laura Busse/ AndreasGehrlach/Waldemar Isak (Hg.): Selbstbehältnisse. Orte und Gegenstände der Aufbewahrung von Subjektivität
13.09.2021, Seite 113-125
ISBN: 978-3-9580-8335-6
Christina Bartz und Monique Miggelbrink verfolgen in ihrem Beitrag wohnund medienhistorische Spuren eines vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie wieder aktuell gewordenen Themas: dem Arbeiten von zu Hause aus. Ihr Fokus liegt dabei auf US-amerikanischen und deutschen Wohnkulturen und den spezifischen historischen Konstellationen, die Möbel und Medien etwa mit der Einbindung von Telefonen, Computern und Arbeitsecken in häuslichen Settings eingingen, und die zur Hervorbringung eines „zuhause arbeitenden und wohnenden Selbst“ beigetragen haben.
Aufenthalt bei den Dingen: Objectified (2008) und Rams (2018)
Felix Hüttemann
In: Cargo. Film Medien Kultur 49
März 2021, Seite 60-61
In Sekunden fällen wir ein Urteil: Was macht dieses Ding? Wofür gebraucht man es? Woraus besteht es? Was kostet es? Die Frage, «Wer hat es hergestellt?» oder auch «Warum ist es so gestaltet und nicht anders?», stellt man sich wahrscheinlich seltener.
Die Beziehungen zu Objekten um uns herum machen jeden Augenblick unseres Lebens aus. Wir sind umgeben von gefertigten, das bedeutet designten, Gegenständen. Die so bemühte wie auch vermeintlich banale Frage, welche Dinge man auf eine einsame Insel mitnehmen würde, war wahrscheinlich noch nie so unmöglich zu beantworten wie heute. Vor allem ohne vorher zu wissen, ob es dort WLAN gibt oder nicht.
Ecken, Systeme, Funktionsbereiche. Eine Medienkulturgeschichte des Filter(n)s im Kontext von Wohnräumen
Monique Miggelbrink
In: Navigationen – Zeitschrift für Medien- und Kulturwissenschaften 20, Nr. 2, Themenschwerpunkt: Filter(n) – Geschichte Ästhetik Praktiken
2020, Seite 39-56
DOI: doi.org/10.25969/mediarep/14948
Monique Miggelbrink nimmt in ihrem Artikel die Kulturtechnik des Wohnens als Ausgangspunkt, um anhand derer erste Überlegungen zu einer Materialgeschichte des Filterns anzustellen. Der Beitrag »Ecken, Systeme, Funktionsbereiche. Eine Materialgeschichte des Filterns im Kontext von Wohnräumen« fragt zunächst nach den materiellen Filterungen wie sie in Wohnräumen zu beobachten sind, um sie anschließend in Bezug zu verwandten Fragen der sozialen Filterung von Körpern und Dingen zu setzen. Miggelbrink richtet ihr Augenmerk damit nicht alleine auf das materielle Prozessieren von Innen- und Außenverhältnissen wie sie etwa kennzeichnend für die Gardine oder den Teppich sind. Sie verhandelt den Übergang von diesen analogen Filtertechniken des Wohnens hin zu digitalen Prozessen des Speicherns und Prozessierens von Daten bzw. Informationen im Wohnraum. Dabei, so kann sie überzeugend zeigen, handelt es sich beim Wohnen um eine Kulturtechnik, die seit jeher stark auf Operationen des Filterns angewiesen ist und in der sich gegen Ende der 1970er Jahre in der BRD ein entscheidender Bedeutungswandel abzeichnet, indem Computer nicht länger in Allianz mit dem Material in Form von Textilien verhäuslicht werden, sondern die Filter-Funktion selbst auf den Computer übergegangen ist. Damit verändert sich nicht nur ganz konkret die Regulierung von Innen- und Außenräumen, die fortan zunehmend digital (gesteuert) werden. Auf einer theoretischen Ebene wird zudem das Filteroperationen inhärente und komplexe Verhältnis von Analog und Digital adressiert, dem im Kontext von Miggelbrinks Text ein Häuslichkeitsdispositiv zugrunde gelegt wird und das gleichsam die Verkürzung von Filtertechniken auf das Digitale anmahnt.
Ergebnisse mit Projektbezug außerhalb des Projekts
Der Dandy im Smart Home. Ästhetiken, Technologien und Umgebungen des Dandyismus
Felix Hüttemann
23. März 2021, 342 Seiten
ISBN: 978-3-8376-5496-7
Was ist ein Dandy? Und was hat diese Figur mit Technologie zu tun? Felix Hüttemann extrapoliert ausgehend von diesen Fragen eine (Medien-)Ästhetik, die dandyistische Prozesse für die Auseinandersetzung mit smarten Technologien (ubiquitous computing, calm technology, Internet der Dinge) fruchtbar macht. Die Relationen der Literatur, des Interieurs, der Dinge, der Technik und Medien sind hierbei Bezüge, anhand derer sich die Studie dem ästhetischen Paradigma »Dandyismus« annähert und zeigt: Die heutigen environmentalen Settings der Umgebungstechnologie revitalisieren Subjektivierungsprozesse, die im 19. Jahrhundert dandyistischen Figuren und Formierungen zu eigen waren.
Fernsehen und Wohnkultur. Zur Vermöbelung von Fernsehgeräten in der BRD der 1950er- und 1960er-Jahre
Monique Miggelbrink
13. September 2018, 378 Seiten
ISBN: 978-3-8376-4253-7
Warum treten Medien auch als Möbel in Erscheinung? Ausgehend von der Beobachtung des Fernsehens als Möbel entwickelt Monique Miggelbrink eine eigene Herangehensweise für die Untersuchung von Medien des häuslichen Gebrauchs. Die »Vermöbelung« des Fernsehens zeigt sich weniger in Formen und Funktionen des technischen Geräts, sondern vielmehr an seinem Gehäuse-Design und entsprechenden Einrichtungspraktiken. Anhand von historischem Quellenmaterial aus Einrichtungs- und Programmzeitschriften, Werbeanzeigen und Fernsehfibeln geht die Studie in einem Kulturvergleich mit den USA den geschlechts- und schichtspezifischen Bedeutungen nach, die sich im Design und Gebrauch von Fernsehgeräten als Möbel in der Wohnkultur der BRD der 1950er- und 1960er-Jahre herausbilden.
Von „Idiotenlaternen“ und „Kulturmaschinen“ – klassenspezifische Vermöbelung von Fernsehapparaten in den 1950er/60er-Jahren im interkulturellen Vergleich
Monique Miggelbrink
In: Zeitschrift für Medienwissenschaft 19, Themenschwerpunkt Klasse
September 2018, Seite 62-71
DOI: doi.org/10.25969/mediarep/1301
Der Beitrag fokussiert am Gegenstand von Fernsehmöbeln kulturelle Differenzen in der Verhäuslichung des Mediums Fernsehen in den USA und der BRD in den 1950er/60er-Jahren. Ein solches komparatistisches Verfahren kann dabei helfen, Klasse als medienanalytische Kategorie zu schärfen. Hierfür wird das Gehäuse-Design von Fernsehmöbeln verstanden als Aushandlungsort von sozialen Asymmetrien, insbesondere von Klasse. Statt im Sinne eines Dispositivs Fernsehen von der Medientechnik auszugehen, werden Architekturen und Einrichtungen des Fernsehens verstanden als integraler Bestandteil eines sich formierenden Häuslichkeitsdispositivs. Unter einer solchen Perspektive werden etwa Schrankwände zum zentralen Bezugspunkt des Fernsehens im Wohnraum, die eine kulturell divergierende klassenspezifische Prägung des Mediums Fernsehen indizieren.
Der Computer in der Küche
Christina Bartz
In: Medien- und Kulturforschung 9
09. Februar 2018, Seite 13-25
ISBN 978-3-7873-3587-9
Der Honeywell Kitchen Computer von 1969 ist einer der ersten Rechner, der für den Heimgebrauch hergestellt wurde. Schon allein aufgrund seines wenig benutzerfreundlichen Interfaces, das im Widerspruch zur nicht-professionellen Nutzung in der häuslichen Sphäre steht, stellt er eine Kuriosität dar. Zugleich weist er Aspekte auf, die die Idee eines Computers zu Hause plausibilisieren. Dazu gehört u.a. die Gestaltung des Interfaces, aber auch die Küche als Ort der heimischen Arbeit.
Gehäuse: Mediale Einkapselungen
Christoph Neubert, Christina Bartz, Monique Miggelbrink, Timo Kaerlein (Hg.)
14. Juli 2017, 374 Seiten
ISBN: 978-3-7705-6019-6
Erst das Gehäuse macht aus einem technischen Apparat ein Objekt, das sich gestalten und im Alltag gebrauchen lässt. Ausgehend von dieser Beobachtung diskutiert der Band das Gehäuse als Medium.
In den Medien- und Kulturwissenschaften sind der Funktionalität und dem historischen Wandel von Gehäusen bislang nur am Rande Aufmerksamkeit gewidmet worden. Eher ist es üblich, Gehäuse als sukzessiv abzutragende Hüllen und Blenden zu verstehen, die den Blick auf das entscheidende Innere gerade verstellen. Damit wird das Gehäuse zur systematischen Leerstelle im Diskurs. Der Band unternimmt eine erste kulturwissenschaftliche Annäherung an Gehäuse in Technik, Architektur, Design und Kunst. Ziel ist es, die Medialität von Gehäusen zu analysieren, ohne dabei einer einfachen Dichotomie von Innen und Außen, Oberfläche und Tiefe zu folgen.
Einrichten
Christina Bartz
In: Matthias Bickenbach/Heiko Christians/Nikolaus Wegmann (Hg.): Historisches Wörterbuch des Mediengebrauchs
2015, Seite 195-208
ISBN: 978-3-412-22152-2
Zeitschrift für Medienwissenschaft 9: Themenschwerpunkt Werbung
Christina Bartz, Monique Miggelbrink (Hg.)
Februar 2013, 200 Seiten
ISBN 978-3-03734-464-4
Werbung hat im Rahmen von Medienwissenschaft nicht nur die Funktion der Illustration oder Plausibilisierung. Und sie dient auch nicht lediglich als Schlagwortgeberin. Vielmehr scheint es so, dass sich die Medienwissenschaft der Werbung zuwendet, weil in ihr ein kulturelles Wissen über Medien sichtbar wird.
Veranstaltungen
Der Workshop widmet sich der Auseinandersetzung mit einer der ältesten Archiv- und Kulturtechniken der Computergeschichte, dem zirkulierenden Papier. So wird, neben der grundsätzlichen Frage der Datenspeicherung auf Papier, der Zusammenhang von Computer und Computerzeitschriften thematisiert. Damit wird eine analoge Geschichte des Computers erzählt und zudem reflektiert, wie diese etwa in Verbindung gestellt werden kann zu Fragen der Archive, der Zeitschriftenästhetik und -epistemologie oder auch des gedruckten Codes.
Starten wird der Workshop mit dem Impulsvortrag »LLIST überträgt das Programmlisting auf den Drucker«[1] Paperware (Preservation) des Homecomputer-Zeitalters von Stefan Höltgen. Der Vortrag geht von der Beobachtung aus, dass die mit großem Abstand älteste und langlebigste Form der Datenspeicherung auf Papier stattfand und -findet. In der Vergangenheit wurden Papierspeicher sowohl von den Computern selbst (als Lochstreifen oder Lochkarten) als auch von Menschen verwendet, um sowohl Daten als auch Programme zeitlich und räumlich zu übertragen.
Der Vortrag rückt die Textsorte des Programmlistings in den Fokus, bei der symbolisch kodierte Software in alphanummerischen Zeichen auf Papier gedruckt oder geschrieben wurde, um „weiterverarbeitet“ werden zu können. Diese Weiterverarbeitung erfolgte zuerst jedoch nicht durch Computer, sondern durch Menschen, die das Programmlisting in ihren Computer eingeben mussten. Dabei wurde die Programmiersprache und die in ihr formulierten Programme zu einem Kommunikat zwischen Menschen und Maschinen.
Die spezifischen medienepistemologischen und -archäologischen Fragen, die hiermit einhergingen, werden im Vortrag sowie im weiteren Workshop ebenso beleuchtet, wie etwa Fragen zum Status des papiernen Softwarearchivs, seiner Erschließung, Bewahrung und Auswertung.
[1] Memotech (1983): BASIC-Lehrgang, Technisches Handbuch, MTX-500/512. Witney/Oxon: Memotech, S. 150.
Ende der 1970er-Jahre wird der Personal Computer gleich noch einmal erfunden, und zwar als Home Computer. Es ist diese Perspektive auf den Personal Computer als Home Computer, die sowohl in medien- und geschichtswissenschaftlichen Diskursen als auch in populären Erinnerungskulturen stark vernachlässigt wird. Stattdessen wird sich gemeinhin der Suggestion des Wortes Personal Computer ergeben und auf die Personalisierungs- und Intimisierungstendenzen in der Computerentwicklung abgehoben.
Demgegenüber möchte die Tagung die Genese der Computerisierung des Zuhauses untersuchen und wie sich die Computerisierung in der Umgebung des Zuhauses vollzieht. Unter Bezugnahme auf die Gefüge aus Arbeit, Assistenz und Komfort als Konfigurationen von (Wohn-)Umgebungen kann der Computer als häuslicher Aktant konzeptualisiert werden und zeigt somit dessen Verbindungen zu weiteren Haushalts- und Einrichtungsgegenständen auf. Mit Blick auf die Designgeschichte lässt sich etwa die Gehäusegestaltung als Ort der Vermittlung zwischen Technik und Heim und die Wohnungsgestaltung mit dem Medienensemble Computer thematisieren.
Zusammengenommen bilden Gehäuse und häusliche Netzwerke eine entselbstverständlichende Perspektive auf die Verhäuslichung des Personal Computers, die im Folgenden nicht von der Technik als weitestgehend stabile Größe, die Einzug in den Haushalt hält, konstatieren lässt; sondern vielmehr interessiert sich die geplante Tagung für die Hervorbringung des Home Computers als eine mehr oder weniger gefestigte Einheit, als mediales Gefüge innerhalb von Wohnumgebungen und als Bestandteil von häuslichen Ensembles.
Ein Bericht zur Tagung "ComputerWohnen. Umgebungen zwischen Arbeit, Assistenz und Komfort" wurde von Tjark Nentwig verfasst und in Technikgeschichte 90, Nr. 3 (2023), S. 255-259 veröffentlicht. Er kann hier gedownloaded werden.
Computer auch in ihrer mobilen Form wie Smartphones sind inzwischen zum festen Bestandteil häuslicher Routinen geworden. Gleichzeitig ist das Phänomen des Häuslichen in der Geschichte des Computers wenig beleuchtet. Dieser Lücke begegnet das Projekt ›Einrichtungen des Computers‹, das nach der Computerisierung des Zuhauses und dem Zusammenhang von Wohnen und Computer fragt. Dazu wertet es u.a. Wohnzeitschriften und Einrichtungskataloge im Hinblick auf gesellschaftliche Imaginationen zum PC und bestehende Wohnsituationen aus. Darin ist der PC in konkrete und materialspezifische Strategien des Zeigens rückgebunden, mit denen sich der Workshop befassen möchte.
Eingeladen sind dazu Prof. Dr. Irene Nierhaus, Amelie Ochs und Rosanna Umbach vom Mariann Stegmann Institut, die im Rahmen des Forschungsfeldes ›wohnen + / – ausstellen‹ die visuelle Konstruktion des Wohnens in Zeitschriften untersuchen: Welche Vorstellungen vom Wohnen lassen sich aus den Anordnungsgefügen, welche die Zeitschriften zeigen, rekonstruieren? Genauso wichtig ist die Frage, wie die Zeitschriften das Gefüge zu sehen geben. Die Wohnzeitschrift und der Einrichtungskatalog als spezifische Form des Zeigens von Wohnen steht damit ebenso zur Debatte und soll im Rahmen der Workshops diskutiert werden – und zwar anhand von kurzen Impulsvorträgen und einer gemeinsamen Materialsichtung.
In dieser Veranstaltung soll die Entwicklung und Geschichte der Arbeit von der Heimarbeit im Feudalismus über die Arbeit in Fabriken zur Zeit der Industrialisierung hin zur Entwicklung des Homeoffice unter „technologischen Bedingungen“, etwa in einem Diskurs um die „Automatisierung und die Zukunft der Arbeit“ nachverfolgt werden. Eine mögliche Leitfrage der Veranstaltung ist: Kann die Geschichte der Arbeit als eine Digitalisierungsgeschichte analysiert werden und lässt sich – vice versa – die Geschichte der Digitalisierung als eine Geschichte der Arbeit untersuchen?
Zentrale Untersuchungsgegenstände dabei sind zum einen die Umgebungen der Arbeit und wie sich diese durch die heterogenen Mensch-Technik-Relationen verändern, und zum anderen die Frage, inwieweit die These zutrifft, dass mit der Verlagerung der Arbeit durch die digitalen Medien in die menschlichen Wohnumgebungen sich auch eine vermeintliche Refeudalisierung des Arbeitsalltags feststellen lässt.
Gleichzeitig stellt sich die Frage, ob beispielsweise die noch unter analogen Bedingungen getätigte Analyse Adorno und Horkheimers zutrifft, dass „das Amüsement die Verlängerung der Arbeit unterm Spätkapitalismus“ sei. Sehen wir uns demnach durch die digitale Arbeit im „Heim“ mit einer Nivellierung der Unterscheidung von Freizeit und Arbeitszeit konfrontiert? Was bedeutet diese Nivellierungsbewegung in einer digitalen Gesellschaft für das menschliche Subjekt? Welche Ausschließungen und Hegemonien werden durch Homeoffice und Heimarbeit verfestigt im Hinblick auf zentrale Problemstrukturen von gender, class, race und care? Diese Problemstellung soll im Weiteren unter der Thematisierung der Digitalisierung der Arbeit aufgezeigt werden.
Der Einzug des Computers in Wohn-Umgebungen hat die Frage nach der Zugänglichkeit und Assistenz des Wohnens selbst problematisch werden lassen.
So wurde der Computer als „Heimcomputer“ beginnend mit den 1970er-Jahren sowohl als massive Erleichterung des Haushalts empfunden, hat jedoch auch als ein Störfaktor Probleme geschaffen, die wiederum Unterstützung etwa durch Möbelsysteme oder andere technische Medien erforderlich machen. Folgende Fragen sollen unter anderem den thematischen Rahmen des Workshops bilden: Wer assistiert in den Umgebungen wem? Wo verschwimmen letztlich die Agencies von unterstützenden und unterstützten Aktanten in (Wohn-)Umgebungen? Wenn alle Technologien assistieren, inwiefern ist das Wohnen als eine stets technisierte Wohnumgebung nicht per se eine assistierende? Etwa im Zusammenhang des Interface- und Display-Designs als Frage nach der Einrichtung dieser Wohnumgebungen sowie auch der Frage nach den Haushaltsgeräten und ihrer Zugänglichkeit nicht nur im Gebrauch, sondern auch in ihrer Einpassung in die Wohnumgebungen? Eine zentrale Fragestellung des Workshops wird sein, inwiefern der Computer hier weniger als Medium des Spiels oder der Bürotätigkeit (vgl. Pias; Ehrmanntraut) verhäuslicht wird, sondern vielmehr über die Idee des Haushaltsassistenten die Wohnumgebung computerisiert wird und welche Verschiebungen in der Handlungsmacht der Akteure damit einhergehen.



