"Der Besuch im Atelier im 21. Jahrhundert“ am 10.11.2020 um 16 Uhr als online Veranstaltung

Im Gespräch mit Prof. Dr. Sabiene Autsch und Studierenden des kunstwissenschaftlichen Seminars „Der Besuch im Atelier“ erörtert Stefanie Bürkle die prinzipielle Vergleichbarkeit von Atelier- und Laborräumen, die sie im Rahmen ihres Kunst- und Forschungsprojekts „Labor und Atelier, Werkstätten des Wissens“ zwei Jahre lang untersuchte. Mit analogen Großbild- und Mittelformatkameras besuchte sie rund 30 Berliner Künstlerateliers und naturwissenschaftliche Forschungseinrichtungen. Ihre fotografischen Raumporträts, menschenleer, zugleich aber angefüllt mit diversen Materialien, Dingen, Werkzeugen, Tischen und Regalen, fokussieren produktions- und raumspezifische Verbindungen zwischen Atelier und Labor. Doch: was ist was? Unsere Zuschreibungen und Vorstellungen von Atelier (= Unordnung und Improvisiertes) und Labor (= Geplantes und Strukturiertes) geraten beim Betrachten der nebeneinander bzw. gegenüber positionierten Arbeiten im gleichnamigen Bildband oder der wohlkalkulierten Ausstellungshängungen komplett durcheinander. Und so stellt sich beim Betrachten schnell eine Art Suchbildmentalität ein: Ist das jetzt das Atelier eine*r Künstler*in? Oder ein wissenschaftliches Labor? Was findet man auf Bild 1, was auf Bild 2 nicht zu finden ist? Und so weiter.

Während Atelier und Labor, Denken und Schaffen durch die Gegenüberstellung in den direkten Vergleich geraten und so das Experimentelle und Prozesshafte für beide Räume sichtbar machen, ist es für die Betrachter*innen gleichzeitig zunehmend unmöglich, die institutionell verschiedenen Architekturen und die jeweiligen Ausprägungen von prozessual-ergebnisoffener  und strukturierter Denk- und Wissensproduktion auseinander zu halten. Atelier und Labor als „moderne Wunderkammern“, zu denen der Zutritt oftmals gar nicht möglich ist, vieles ungesehen und nahezu geheimnisvoll abläuft, werden durch die fotografisch-dokumentarische Praxis einerseits in ihrer Fremdheit und Wundersamkeit geradezu entlarvt, andererseits in ihrer Inszenierung auratisiert. Und so erscheint die fotografische Serie von Stefanie Bürkle selbst als eine experimentelle Versuchsanordnung, die aus dem Oszillieren zwischen Kunst und Wissenschaft, zwischen künstlerischen und wissenschaftlichen Methoden entwickelt wurde und darüber neue Lesarten eröffnet. 

 

Zur Person:

Prof. Dr. Stefanie Bürkle ist Künstlerin und seit 2009 Professorin für Bildende Kunst an der TU Berlin. Sie studierte Szenographie in Paris und freie Kunst an der UdK in Berlin. 2011 promovierte sie über das Thema „Stadt als Bühne/Architektur als Szenografie“ bei Wolfgang Greisenegger am Institut für Medien-, Film- und Theaterwissenschaften in Wien.  Als Künstlerin und Stadtforscherin untersucht sie Themen wie „Stadt als Baustelle“, „Künstliche Welten“, „Fassade-Architektur“ und „Migration von Raum“ mit unterschiedlichen Medien wie Malerei, Fotografie und Video. In ihrem Kunstforschungsprojekt migrating spaces, arbeitete sie mit einem interdisziplinären Team von Künstlerinnen und Wissenschaftlerinnen über den Zusammenhang zwischen Remigration und Konstruktion von Identität und Raum. Die Ergebnisse wurden 2016 mit einer Ausstellung im Haus der Kulturen der Welt in Berlin und im Museum für zeitgenössische Kunst Salt in Istanbul, 2017 in Strassburg, sowie mit Vorträgen auf zahlreichen Konferenzen im In- und Ausland präsentiert. Ihr Kunst- und Forschungsprojekt „Atelier und Labor, Werkstätten des Wissens“ war im Museum für Fotografie der Staatlichen Museen zu Berlin und im Haus am Lützowplatz und in der National Gallery of Science in Washington DC USA bis August 2020 zu sehen. Aktuell setzt sie sich mit den räumlichen Überschneidungen von Migration und Tourismus im Rahmen des SFB 1265 „Refiguration von Räumen“ künstlerisch auseinander.

 

Jüngste Veröffentlichungen (Auswahl): Atelier+Labor, Werkstätten des Wissens (2018) Berlin: Hatje Cantz Verlag; Migrating Spaces, Architecture and Identity in the Context of Turkish Remigration (2016), Berlin: Vice Versa Verlag; Szenografie einer Großstadt: Berlin als städtebauliche Bühne (2013), Berlin: Parthas; Kunst Raum Stadt (2013), Berlin München: Deutscher Kunstverlag; Die Migration von Räumen. Placemaking im Fokus von Migration und Mauerfall Placemaking, Migration und Mauerfall (2010), Berlin: Vice Versa Verlag; Architecture as Scenography, the Building Site as Stage (2009), in: Uta Staiger, Henriette Steiner und Andrew Webber (Hg.): Memory Culture and the Contemporary City: Building Sites, Basingstoke: Palgrave.

 

Ihre Arbeiten wurden u.a. in folgenden Institutionen gezeigt: Museum for Modern and Contemporary Art, Berlin;  Berlin Museum;  City Gallery Prag, Czechia;  SALT Istanbul; Stiftung Bauhaus Dessau;  Biennale Venedig, Sektion Architektur, Expo on Line , Venedig;   PS1, New York, USA;  Galerie Lelong, Zürich, Swizzerland;  Storefront for Art and Architecture, New York, USA;  National Academy of Science, Washington DC, USA; Kwangju Biennale, Korea;  Wilhelm Hack Museum, Ludwigshafen;  Kunsthaus Dresden;  Lindenmuseum Stuttgart;  Kunstraum Bethanien, Berlin;  NGBK, Berlin;  Haus der Kulturen der Welt, Berlin; Carpenters Workshop Gallery, London; Staatsgalerie Stuttgart; Museum für Fotografie, Staatliche Museen zu Berlin.

 

Die Silogespräche finden als online-Veranstaltung statt und beginnen um 16 Uhr (s.t.). Sie können sich über folgenden Link in die Veranstaltung einwählen: https://bbb.uni-paderborn.de/b/sab-3mh-zyj

Kontakt: Prof. Dr. Sabiene Autsch (Kunst/Kunstgeschichte und ihre Didaktik), https://kw.uni-paderborn.de/fach-kunst/kunstkunstgeschichte-und-ihre-didaktik/