Am Historischen Institut werden seit längerem auch Themen und Fragestellungen bearbeitet, die je nach theoretischem Ansatz hier als „Geschichts-“ oder „Erinnerungskultur“ bezeichnet werden, dort als „Public History“, „Popular History“, „Angewandte Geschichte“ oder „Gebrauchsgeschichte“. Jedes einzelne Konzept hinter diesen Begriffen hat unterschiedliche Schwerpunktsetzungen und ist umstritten – über ihr Verhältnis untereinander wie zur Geschichte als Wissenschaft wird am Historischen Institut intensiv diskutiert.
Hier besteht der Wunsch, diesen Bereich als Querschnittsthema aller am Historischen Institut vertretenen Arbeitsbereiche und historischen Epochen weiter zu profilieren. Im Arbeitsbereich Kulturerbe sind erinnerungskulturelle Zugriffe wie auch Ansätze angewandter Geschichte konstitutiver Bestandteil in Forschung und Lehre. Die epochenbezogenen Arbeitsbereiche des Instituts untersuchen einerseits die zeitgenössische Geschichtsschreibung innerhalb der jeweiligen Epoche (z.B. als Quelle, politische Kommunikation oder Traditionsstiftung), andererseits die wissenschaftliche Geschichtsforschung über die verschiedenen Epochen (vor allem als Teil der Forschungsgeschichte). Darüber hinaus nehmen sie populäre Vorstellungen über die Epochen in den Blick, wie konkrete Erinnerungsorte oder Epochenrezeptionen in regionalen und überregionalen Kontexten (z.B. Erinnerungskultur nach 1945, Erinnerungsorte in OWL und Belgien; Erinnerungskultur zur lokalen, regionalen und nationalen Sinnstiftung). Der Arbeitsbereich Theorie und Didaktik der Geschichte forscht und lehrt ebenfalls regelmäßig auch empirisch zu geschichtskulturellen Fragestellungen, wie z.B. zum Museums- und Ausstellungswesen, zu den transformativen Prozessen auf dem Gebiet der (digitalen) Erinnerungs- und Geschichtskultur, zur geschichtskulturellen Dimension des historischen Lernens sowie zu spezifischen Erinnerungspraktiken in der deutschen Migrationsgesellschaft („Geschichten in Bewegung“).
Im Prinzip adressiert das nicht völlig verfestigte geschichtsdidaktische Leitkonzept Geschichtskultur jede mögliche Form des Umgangs mit Geschichte in Öffentlichkeit und Gesellschaft. Hierzu zählen die gemeinsamen und/oder widerstreitenden Deutungen von Individuen und Kollektiven über die Bewertung vergangenen Geschehens ebenso wie die Frage, was überhaupt ‚Geschichte‘ beziehungsweise historische Narrative konstituiert und wozu sie jeweils gemacht sind. Wie weit dieses Konzept trägt, wird am Historischen Institut kontrovers diskutiert. Es gibt einerseits die Position, dass die Subsumtion der Geschichtswissenschaft unter den Begriff der Geschichtskultur entscheidende Unterschiede zwischen dem wissenschaftlichen Umgang mit Geschichte und ihren außerwissenschaftlichen Verwendungen verdeckt. Dagegen wird andererseits auf die gesellschaftlich-kulturelle Standortgebundenheit verwiesen, die auch die Institutionen der historischen Forschung und Bildung betrifft.
Angestrebt wird eine stärkere Zusammenarbeit mit anderen Fächern der Kulturwissenschaftlichen Fakultät oder außeruniversitären Institutionen, die ebenfalls zu erinnerungs- und geschichtskulturellen Fragen auf den Gebieten der Geschichte, Kunst, Literatur, Sprachen u.ä. forschen.
Publikationen zum Profilschwerpunkt
O. Hartung, H-Soz-Kult (2024).
O. Hartung, in: O. Hartung, A. Krebs, J. Meyer-Hamme (Eds.), Geschichtskulturen im digitalen Wandel?, 1st ed., Wochenschau Verlag, Frankfurt/M., 2024, pp. 152–155.
O. Hartung, in: O. Hartung, A. Krebs, J. Meyer-Hamme (Eds.), Geschichtskulturen im digitalen Wandel?, 1st ed., Wochenschau Verlag, Frankfurt/M., 2024, pp. 9–32.
O. Hartung, Johannes Meyer-Hamme, Alexandra Krebs, eds., Geschichtskulturen im digitalen Wandel?, 1st ed., Wochenschau Verlag, Frankfurt/M., 2024.
F. Grauthoff, J. Meyer-Hamme, M.N. Imoullas, Geschichte Lernen (2024).
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