Veranstaltungsreihe der Universität Paderborn setzt sich mit Tabubrüchen in Musik und Gesellschaft auseinander
Von der Weltpolitik eines Trump über Popmusik von Rammstein bis hin zu krakeelender Hate Speech in sozialen Medien – das Provozieren, das Brechen von Tabus, das Relativieren von bislang gültigen Werten und erhitze öffentliche Debatten prägen längst den medialen Alltag. Die dreiteilige öffentliche Veranstaltungsreihe „Druckwellen. Fühlen und Denken“ der Universität Paderborn möchte jenseits überhitzter Diskussionen Möglichkeiten für gemeinsame Analysen, Reflexion und Austausch bieten. An drei Terminen sind alle Interessierten eingeladen, jeweils um 18 Uhr an den kostenlosen Veranstaltungen teilzunehmen und über Positionierungen hinaus in Gespräche zu kommen: am Donnerstag, 23. Mai, in der Zentralstation Paderborn, am Dienstag, 28 Mai, im Auditorium maximum der Universität und am Mittwoch, 5. Juni, im Theater Paderborn. Dabei stehen Fragen nach dem Verhältnis von Pop(musik)kultur, Politik, Demokratie und Sprache im Zentrum der künstlerischen Performances und Diskussionen von und mit Gästen aus Pop, Journalismus, Wissenschaft und Kunst. Inhaltlich konzipiert und organisiert wird die Veranstaltungsreihe von Jun.-Prof. Dr. Beate Flath, Ina Heinrich, Prof. Dr. Christoph Jacke, Prof. Dr. Heinrich Klingmann, Ulrich Lettermann und Maryam Momen Pour Tafreshi vom Fach Musik der Fakultät für Kulturwissenschaften der Universität Paderborn.
Prof. Dr. Birgitt Riegraf, Präsidentin der Universität, betont: „Mit der Reihe wird ein Thema von hoher gesellschaftlicher Relevanz aufgegriffen“. Deshalb hoffe sie, dass der Diskurs durch die Veranstaltungen am Laufen gehalten und eine breite Öffentlichkeit erreicht werde. Pop(musik)kulturelle Phänomene und mittlerweile auch medialisierte Politikerinnen und Politiker bewegen sich oft zwischen bewusstem Tabubruch, dosierter Provokation und medienwirksamen Spielen mit Grenzüberschreitungen und -verschiebungen. Riegraf erklärt, dass Grenzüberschreitungen immer spektakulärer werden müssten, um überhaupt noch aufzufallen. Als Druckwelle würde man dann z. B. die Explosion von Meinungen wahrnehmen, so der Musiker Ulrich Lettermann. „Jeder hat schon einmal Druckwellen erlebt“, bekräftigt der Leiter des Studiengangs „Populäre Musik und Medien“ Prof. Dr. Christoph Jacke, „Der Diskurs allerdings rollt gerade erst an“. Jun.-Prof. Dr. Beate Flath, Eventmanagement mit den Schwerpunkten Populäre Musik, Medien und Sport, ergänzte, dass es bei dieser Thematik wichtig sei, ausgeruht zu argumentieren, anstatt lediglich „Positionen abzufeuern“.
In Lyrics, Sounds, Images, Konzepten, Performances und Szenen werde mal homöopathisch provoziert, mal mit voller Wucht ein Tabu gebrochen, werde mal ernsthaft inkludiert, mal spielerisch exkludiert – und umgekehrt. Dabei scheine jedes Genre seine eigenen Extreme als gesellschaftliches Experimentallabor zwischen gezieltem Tabubruch und gesellschaftlich-kommunikativem Schmiermittel vorweisen zu können, so die Organisatoren. Lettermann verweist darauf, dass viele Menschen heutzutage verunsichert seien und Schwierigkeiten hätten, klare Positionen zu beziehen und zu sagen, was gefalle und was inakzeptabel sei. Während z. B. Rock’n’Roll vor allem von Nicht-Involvierten als anzüglich und pornographisch bezeichnet wurde, galt Heavy Metal als Teufelsmusik, Psychedelic Rock, Techno und auch Schlager als Flucht aus der und Punk als Absage an die Gesellschaft. Einen vorläufigen Höhepunkt in Sachen notorisch auch politisch unkorrektem Umgang mit Sprache, Klang und Image bilde in den letzten Jahrzehnten besonders der deutschsprachige Gangsta Rap. Prof. Dr. Heinrich Klingmann, Musikdidaktik mit besonderer Berücksichtigung von Inklusion, hebt hervor, dass sich dadurch viele Fragen ergeben: „Geht man in solchen Fällen bis hin zur Zensur? Oder will man eine Vermittlung anstreben? Die Veranstaltungen setzen genau hier an und schaffen einen Raum des Dialogs, um über solche Fragen zu diskutieren.“ Nach der Veranstaltungsreihe ist eine Publikation geplant, so die Veranstalter.
Diskussion und Performance
Die Veranstaltungen bestehen jeweils aus einer Diskussion und einem künstlerischen Format. Am Donnerstag, 23. Mai, 18 Uhr, dreht sich in der Zentralstation Paderborn alles um die Macht bzw. Ohnmacht der Massen. Neben Jens Balzer (Kolumnist, Autor), André Leipold (Geheimrat des Zentrums für politische Schönheit), Dr. Anna-Katharina Meßmer (Soziologin) und Ass.-Prof. Dr. Melanie Schiller (Universität Groningen, NL) zeigen die zwei Schauspieler des Nationaltheaters Mannheim Sascha Tuxhorn und Matthias Thömmes Auszüge aus dem Theaterstück „Bitchfresse“.
Am Dienstag, 28. Mai, 18 Uhr, wird die lautverstärkende Wirkung der sozialen Medien in den Fokus genommen. Unter dem Titel „Das wird man wohl noch sagen dürfen!“ diskutieren im Auditorium maximum der Universität Farah Bouamar (Mitgründerin des YouTube-Satirekanals Datteltäter, Drehbuch Co-Autorin), Sonja Eismann (Mitgründerin und Herausgeberin von Missy Magazine, Journalistin), Hans Leyendecker (Präsident des 37. Deutschen Evangelischen Kirchentages 2019, Investigativjournalist) und Ingo Zander (Sozialwissenschaftler, freier Journalist). Außerdem wird es eine Performance „Sprachen des Hasses“ von und mit den Schauspielern Max Rohland und Tatjana Poloczek geben.
In das Theater Paderborn kommen am 5. Juni, 18 Uhr, Onejiru Arfmann (Musikerin), Sookee (Rapperin), und Prof. Dr. Michael Rappe (Hochschule für Musik und Tanz Köln), um die Macht der Rapmusik näher zu beleuchten. Außerdem werden Matthias Arfmann (Musiker und Musikproduzent) und Onejiru Arfmann (Musikerin) gemeinsam auftreten.