Am Dienstag, den 15.10., war der bekannte Kultur- und Musikjournalist und C:POP-Angehörige Jens Balzer am C:POP in der Ringvorlesung „Ver:achtsamkeit“ zu Gast und hielt einen Vortrag zum Thema „After Woke: die Popkultur und die progressive Linke nach ihrem moralischen Bankrott am 07. Oktober“, in dem er an die Inhalte seines Ende August neu erschienenen und viel diskutierten Buchs „After Woke“ anknüpfte.
Ausgangspunkt von Balzers Vortrags war die Hinterfragung, warum direkt nach den Terrorangriffen der radikalislamischen Hamas im Herbst 2023 die erwarteten Solidaritätsbekundungen seitens der sogenannten „woken“ Bewegung, die sich üblicherweise gegen gesellschaftliche Missstände stellt und marginalisierte Gruppen unterstützt, erstaunlicherweise weitgehend ausblieb. Besonders auffällig war laut Balzer etwa das Schweigen der Club-Szene, die sonst nach Angriffen auf Orte der Kultur und Freiheit, wie dem Bataclan 2015 oder dem „Pulse“-Club 2016, stets Solidarität zeigte. Doch nach dem Massaker am Supernova-Festival, bei dem 365 friedlich Feiernde getötet wurden, herrschte Stille.
Balzer thematisiert diese Stille als Ausgangspunkt seiner Reflexion über den Zustand der Wokeness-Bewegung nach dem 7. Oktober 2023. Er verweist auf das dröhnende Schweigen und die antisemitischen Parolen, die in den Folgewochen an westlichen Universitäten mitunter laut wurden. Darin erkennt Balzer eine Entfremdung der Wokeness von ihren ursprünglichen Idealen. Es scheine, dass die Bewegung an einen Punkt gelangt sei, an dem sie sich selbst entlarve, so Balzer, – nicht mehr als moralische Autorität, sondern als intellektuelle Modeerscheinung einer akademischen Elite, die sich zunehmend von der Realität entferne.
Trotzdem sei es laut Balzer nicht an der Zeit, die Bewegung gänzlich zu beerdigen. Im Gegenteil spricht er explizit gegen neurechte Strömungen aus, die aus den Schwächen der Bewegung Kapital schlügen und plädiert dringend für eine selbstkritische Rückbesinnung auf die ursprünglichen Ziele der Wokeness: die Überprüfung von Sprache und Verhalten auf rassistische Stereotype und der Kampf gegen Ungerechtigkeiten. Seine Vision fordert eine Rückbesinnung auf ursprüngliche Impulse der woken, postkolonialen, queer-feministischen Linken inklusive eines dynamischen Identitäts- und Kulturkonzepts.
Balzer selbst nach seinem Vortrag: „Mein Wunsch ist, dass diejenigen, die derzeit nicht miteinander sprechen, gerade innerhalb der popkulturellen Linken, wieder in Dialog treten und prüfen, ob ihre unterschiedlichen Perspektiven wirklich unvereinbar sind. Zudem sollten alle, die für anti-autoritäre oder queer-feministische, postkoloniale, woke Anliegen eintreten, hinterfragen, ob sie unbewusst mit autoritären Kräften kooperieren. Das heutige Publikum hat durch seine interessanten Fragen gezeigt, dass das Thema auch denjenigen ein Anliegen ist, die meine Position vielleicht nicht vertreten.“
Balzer wird sicherlich bald einmal wieder als C:POP-Angehöriger, Lehrbeauftragter oder Vortragender an die Universität Paderborn kommen.
Text und Fotos: Tina Götz