Vor­trag von Prof. Dr. Ste­fan Le­der

„Islamischer Fundamentalismus als politische Antwort auf den Westen und Fehlinterpretation des eigenen Erbes“

Datum:  Dienstag, 30.01.2007

Uhrzeit: 14:00-16:00

Raum: P5 203

 

Manifestationen des Islam beherrschen heute den öffentlichen Raum in weiten Teilen des Mittleren Ostens. Dabei sind die Spielarten des politisierten Islam weitgehend tonangebend. Entstanden als Antwort auf Mängel und Unterlegenheit, ist daraus eine Ideologie geworden, der die Vielfalt, die Größe und die Tiefe der islamischen Tradition zum Opfer fallen müssen. Als ein Schlachtfeld für die Manöver einer verblendeten Weltmacht, als Hinterhof Europas, das sich an die Vorstellung der eigenen Modellhaftigkeit klammert, gerät die Region gegenwärtig immer tiefer in die Krise. Die Entstehung des islamischen Fundamentalismus ist nicht ohne die politischen Konflikte zu verstehen, bei denen der Westen Mitwirkender war und bleibt. Vereinnahmung des Islam durch militante Aktivisten, Bevormundung und Ablehnung des "unaufgeklärten Islam" durch den Westen ergänzen sich zu einer explosiven Mischung. Wie der Vortrag zeigt, fehlt es beiden Seiten an Grundlagen für ein Verständnis der Potenziale der islamischen Tradition.

 

Prof. Dr. Stefan Leder ist seit 1993 Inhaber der Professur für Arabistik und Islamwissenschaften an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg sowie seit 1999 geschäftsführender Direktor des dortigen Orientwissenschaftlichen Zentrums (OWZ). Er studierte von 1972-1982 Deutsche Literatur, Vergleichende Literaturwissenschaft und Islamwissenschaft in Mainz, Tunis und in Frankfurt am Main und promovierte 1982 mit einer Arbeit über Ibn al-Gauzî im Fach Orientalische Philologie an der Universität Frankfurt. Von 1978 bis 1982 war er Stipendiat der Studienstiftung des Deutschen Volkes und Mitarbeiter am Forschungsprojekt „Byzantinische Rechtsgeschichte“. Es folgte eine zweijährige Tätigkeit als Referent am Orient-Institut der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft in Beirut und Amman. 1984 wurde er wissenschaftlicher Assistent an der Universität Frankfurt und habilitierte sich dort 1989 für das Fach Orientalistik. In den Jahren 1990-1993 war er Heisenberg-Stipendiat der Deutschen Forschungsgemeinschaft und ging 1991 für einen einjährigen Forschungsaufenthalt an die Akademie der Arabischen Sprache nach Damaskus. Seit 2001 ist Prof. Dr. Leder Sprecher des Sonderforschungsbereichs 586 „Differenz und Integration“ und seit 2003 1. Vorsitzender der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft. Ab Oktober 2007 wird Prof. Dr. Stefan Leder das Orient-Institut Beirut/ Istanbul als Direktor leiten.

 

Veröffentlichungen (Auswahl):  Ibn al-Gauzî und seine Kompilation wider die Leidenschaft. Der Traditionalist in gelehrter Überlieferung und originärer Lehre. Beirut 1984 (Beiruter Texte und Studien 32). Die arabische Ecloga. Das vierte Buch der Kanones der Könige nach Makarios. Frankfurt 1985 (Forschungen zur Byzantinischen Rechtsgeschichte 12). Das Korpus al-Haitham ibn ’Adî (st. 207/822). Herkunft, Überlieferung, Gestalt früher akhbâr-Texte. Frankfurt 1991. (Hg.): Story-telling in the framework of non-fictional classical Arabic literature. 2. Johann-Wilhelm-Fück Kolloquium Halle 1997. Wiesbaden 1998. „Westliche Moderne und islamische Ordnung – Stimmen zum gegenwärtigen Konflikt in Ost und West.“ In: Islam und Coca-Cola. Begegnung der Kulturen nach dem Irak-Krieg. Hrsg. v. R. Fikentscher. Halle 2003, S. 19-38. „Nomadische Lebensformen und ihre Wahrnehmung im Spiegel der arabischen Terminologie.“ In: Die Welt des Orients 34 (2004), 72-104. „The ’Udhrî Narrative in Arabic Literature.“ In: Martyrdom in Literature. Hrsg. v. F. Pannewick. Wiesbaden 2004, 162-189. (Hg., Co-Autor): Feinde – Fremde – Freunde. Die Kreuzfahrer in der Sicht orientalischer Quellen. Halle 2005. „Damaskus – Entwicklung einer islamischen Metropole und ihre Grundlagen.“ In: Alltagsleben und materielle Kultur in der arabischen Sprache und Literatur. Hrsg. v. Th. Bauer, E. Stehli-Werbeck. Wiesbaden 2005, 233-50.