Tradition im Wandel
Das Schützenwesen in Westfalen als Immaterielles Kulturerbe
Das Forschungsprojekt Tradition im Wandel der Universität Paderborn setzt sich in Kooperation mit der Warsteiner Brauerei seit 2016 mit dem Schützenwesen in Westfalen als Immaterielles Kulturerbe auseinander. Zielsetzung der Forschung ist es, historische Entwicklungslinien und Wandlungsprozesse aufzuzeigen, gegenwärtige, auf die Kulturform wirkende Risiken zu ermitteln sowie Zukunftsperspektiven und -konzepte in Zusammenarbeit mit den Vereinsakteuren zu erarbeiten (Einführungsvideo).
Im Rahmen des interdisziplinären Projekts wird untersucht, welche Bedeutung gesellschaftlichen Ritualen, Bräuchen und Festen in der heutigen Gesellschaft beigemessen wird, inwieweit Relevanz und Akzeptanz der tradierten Schützenvereinswerte in einer globalisierten, individualisierten und digitalisierten Gesellschaft einem Wandel unterliegen und in welchem Verhältnis Tradition und gesellschaftliche Transformation stehen.
Die nachfolgenden Angebote bieten den Vereins- und Verbandsakteuren die Möglichkeit, sich über das Projekt zu informieren und auf die bisherigen Ergebnisse und entwickelten Materialien und Methoden zuzugreifen.
Projektphasen
Um einen ersten Zugriff auf die gegenwärtige Beschaffenheit des Schützenwesens zu erhalten und Risikofaktoren der Vereine identifizieren zu können, sieht das Forschungsprojekt in einer ersten Projektphase zunächst vor, spezifische Analysen einzelner Vereine vorzunehmen, die anschließend zu generellen Risikokategorien verdichtet werden. Für eine erste Pilotstudie wurden 2016 fünf westfälische Schützenvereine folgender Ortschaften ausgewählt:
- St. Johannes und St. Hubertus Schützenbruderschaft Wewer 1910 e.V.
- St. Hubertus Schützenbruderschaft 1417 Brilon e.V.
- Bürgerschützengesellschaft Warstein e.V.
- St. Andreas Schützenbruderschaft Velmede-Bestwig 1826 e.V.
- St. Severinus Schützenbruderschaft Calle 1658 e.V.
Die sich mitunter stark unterscheidenden Schützengesellschaften wurden folglich von Studenten und Mitarbeitern des Projekts aufgesucht durch Interviews, Beobachtung der Vereinsfeste und Sichtung der Geschäftszahlen im personellen und ökonomischen Bereich untersucht. Zu jedem Verein wurde im Anschluss des Untersuchungszeitraums am Center for Risk Management eine Abschlussarbeit angefertigt und ein spezifisches Risikoprofil erstellt.
Publikationen
Leineweber, Jonas / Becker, Peter Karl / Troska, Dagmar / Rustemeier, Philipp: Das Schützenwesen in Westfalen als Immaterielles Kulturerbe. Tradition im Wandel: Entwicklungen, Kontinuitäten und Zukunftsperspektiven (= Paderborner Beiträge zur Geschichte 19), Bielefeld 2020, S. 54-56.
Becker, Peter Karl / Rustemeiner, Philipp: Schützenvereine – Vereine schützen? Eine wirtschaftswissenschaftliche Perspektive, in: Heimatpflege in Westfalen. Lebendige Tradition weitergeben. Immaterielles Kulturerbe: Begriff, Bewerbungsverfahren, Beispiele. Ausgabe 1/2017, S. 11-14.
Mit der in der zweiten Projektphase durchgeführten Online-Umfrage wurden Daten zu folgenden Fragen erhoben:
- Mit welchen Werten bringen die Umfrageteilnehmer Schützenvereine in Verbindung und wie schätzen sie deren Relevanz für ihr persönliches Leben ein?
- Wie stehen die Befragten zu bisher in vielen Schützenvereinen etablierten Strukturen und wie bewerten sie deren mögliche Neuausrichtung in bestimmten Bereichen?
- Welche Kriterien bieten einen Anreiz für den Beitritt in einen Schützenverein bzw. welche halten von einer Mitgliedschaft ab?
Spezifischer wurde hinterfragt, was Menschen generell zum ehrenamtlichen Engagement motiviert und was davon der lokale Schützenverein bereits bieten kann beziehungsweise zukünftig durch einen möglichen Wandel bieten sollte.
Die Umfrage wurde vom 12. Mai bis zum 31. August 2017 online realisiert und war an Frauen und Männer, Nichtschützen und Schützen sowie Jugendliche und Senioren gleichermaßen adressiert. Insgesamt haben 5470 Personen an der Umfrage teilgenommen.
Die Ergebnisse der Online-Umfrage wurden bis Ende des Jahres 2019 validiert, mithilfe von Unabhängigkeitstests analysiert, visualisiert und publiziert.
Publikation
Leineweber, Jonas / Becker, Peter Karl / Troska, Dagmar / Rustemeier, Philipp: Das Schützenwesen in Westfalen als Immaterielles Kulturerbe. Tradition im Wandel: Entwicklungen, Kontinuitäten und Zukunftsperspektiven (= Paderborner Beiträge zur Geschichte 19), Bielefeld 2020, S. 57-101.
Auswertungs-Assistent
Aufgrund des Umfangs der Studie ist es aber nicht möglich, jede Kombination von Fragen und Variablen im Rahmen einer Publikation, von Vorträgen oder Workshops im Detail auszuwerten. Vor diesem Hintergrund wird ein Auswertungs-Assistent als Computersoftware bereitgestellt, mit den großen Teilen der Studie auf einfache Weise grafisch und tabellarisch je nach eigenem Interesse spezifisch ausgewertet werden können.
Die Praxisphase ist als Schnittstelle zwischen Theorie und Praxis konzipiert, in der die Vereine durch Leitfäden und Fragebögen sowie Veranstaltungen methodisch dabei unterstützt werden, auf Grundlage der bisherigen Projektergebnisse die eigene Vereinspraxis zu reflektieren und individuelle, auf ihre Organisation zugeschnittenen Zukunftskonzepte zu entwickeln.
Dabei stehen Vereinen folgende Angebote zur Verfügung:
Materialien und Dokumentationen
Veranstaltungen
In der Projektphase IV geht es insbesondere um den Transfer und die Diskussion der Studienergebnisse via Workshops, Newsletter, Podcast und der Warsteiner Schützenkonferenz sowie um die Förderungen konkreter, innovativer, kreativer und nachhaltiger Projekte und Praxisbeispiele durch den Warsteiner Zukunftspreis.
Geleichzeitig wird die 2020 begonnene Corona-Sonderstudie durch Feldforschung, Interviews und Befragungen weitergeführt.
Seit Juli 2020 werden im Rahmen des Projekts auch die Folgen der Corona-Pandemie für das Immaterielle Kulturrebe im Bereich gesellschaftlicher Bräuche, Rituale und Feste untersucht.
Ziel der unter anderem als Online-Umfrage realisierten Untersuchung ist es, am Beispiel des Schützenwesens in Westfalen, des Karnevals im Rheinland und der Schwörtagstradition in Württemberg zu dokumentieren, wie die Trägergruppen des Immateriellen Kulturerbes mit der Pandemie umgegangen sind sowie zu ermitteln, welche Risiken, aber auch möglichen Potenziale durch die Krise freigesetzt wurden und sich als Ausgangspunkt für die Weiterentwicklung und Resilienz des Kulturerbes erweisen könnten.
Weitere Informationen zur Sonderstudie erhalten Sie hier.
Ideenpool
Im Ideenpool werden kreative, interaktive und digitale Vereinsinitiativen und Schützenfestalternativen in Zeiten der Corona-Pandemie dokumentiert. So sollen so die zahlreichen Alternativaktionen während der Pandemie festgehalten werden. Gleichzeitig ist der Ideenpool als Kreativitätsplattform für die Vereine und Verbände zu verstehen.
Publikation
Leineweber, Jonas: Immaterielles Kulturerbe in der Coronakrise. Gesellschaftliche Bräuche, Rituale und Feste und die Folgen von Covid-19 am Beispiel des Schützenwesens. In: Rheinisch-Westfälische Zeitschrift für Volkskunde 66 (2021), S. 165–193.
Leineweber, Jonas: Engagement, Ehrenamt und Digitalisierung während der Corona-Krise im Bereich des Immateriellen Kulturerbes. Gesellschaftliche Rituale, Bräuche und Feste und die Folgen von Covid-19. In: Heimat Westfalen 35 (1/2022), S. 12-19.
Leineweber, Jonas: Schützenfeste@home und gesicherte Brauchtumszonen. Eine ‚Geschichte in Echtzeit‘ von Ritualen, Bräuchen und Festen in der Coronakrise. In: Westfalen/Lippe - historisch, 24.02.2022, https://hiko.hypotheses.org/560.
Pressespiegel
Hier gelangen Sie zum Pressespiegel des Projekts.