Dr. Claudia Mahs & Matthias Philipper

Die Gesellschaft wird zunehmend diverser. Kaum jemand bestreitet, dass durch Individualisierung, Migration und Forderungen nach mehr sozialer Gerechtigkeit zwischen verschiedenen Gruppen die Gegenwartsgesellschaft ihre Gestalt verändert. Längst sind die Verflüssigungen und Transformationen gesellschaftlicher Strukturen Gegenstand populärer, wie auch wissenschaftlicher Debatten geworden. Die Ansichten, ob eine immer „buntere“ Gesellschaft etwas Positives sei oder die zu beobachtende Entwicklung einer Einhegung bedürfe, wird dabei an verschiedenen Stellen jeweils unterschiedlich vertreten. Eine Frage jedoch wird gleichermaßen im gesamten Meinungsspektrum gestellt: Wie wollen wir mit der zunehmenden Diversität umgehen? Die Themenfelder, in denen Pluralität eine Rolle spielt, sind dabei ebenso divers, wie die Gesellschaft selbst. Es ist deshalb oft schwierig, einen Einstiegspunkt zu finden oder Diversität in all ihren Facetten nachzuzeichnen. Stattdessen möchte die Ringvorlesung alle interessierten Personen auf einen Streifzug durch verschiedene Felder der diversen Gesellschaft mitnehmen. Der Adressat*innenkreis der Vorlesung soll zudem über den universitären Kontext hinaus gehen und möchte die breite Öffentlichkeit, Sozialverbände und Praktiker*innen ebenfalls zur Teilnahme an der Vorlesung und zur Diskussion einladen. Auf diese Weise können vielfältige Meinungen und Perspektiven eingebracht und diskutiert werden.

Hier finden Sie Literaturhinweise, Links und Materialien zur Ringvorlesung.

Datum   Moderation
19.10.2021

„Die größte List des Teufels...“ Elemente des Verschwörungsdenkens
Florian Hessel
(Ruhr-Universität Bochum)

Dr. Sebastian Bischoff
(Universität Paderborn)
26.10.2021 Diskursraum Internet: Hate speech und rechtspopulistische Argumentationen
Simone Rafael 
(Amadeu-Antonio-Stiftung)
Elena Fingerhut & Johanna Knop
(Universität Paderborn)
09.11.2021 Extreme Rechte in Deutschland
Dr. Jan Schedler
(Ruhr-Universität Bochum)
Dr. Anike Krämer 
(Universität Paderborn)
30.11.2021 Religious Literacy
Dr. Meltem Kulaçatan
(Goethe Universität Frankfurt am Main)
Prof. Dr. Antje Langer
(Universität Paderborn)
14.12.2021 Erziehung und Integration männlicher, muslimischer Jugendlicher
Prof. Dr. Ahmet Toprak
(Fachhochschule Dortmund)
Matthias Philipper
(Universität Paderborn)
11.01.2022 Rassismus – Macht – Schule. Rassismuskritische Perspektiven auf die pädagogische Handlungspraxis und Professionalisierung angehender Lehrer*innen in Migrationsverhältnissen
Dr. Aysun Doğmuş
(Helmut-Schmidt-Universität/Universität der Bundeswehr Hamburg)
Dr. Claudia Mahs
(Universität Paderborn)
25.01.2022 Rassismuskritik der Universität 
Prof. Dr. Paul Mecheril
(Universität Bielefeld)
Dr. Lena Weber
(Universität Paderborn)

 

Veranstalter*innen und Unterstützer*innen

Die Veranstalter*innen:

  • das Fach Soziologie
  • das Zentrum für Geschlechterstudien/Gender Studies

und unterstützt durch:

  • das Präsidium der Universität Paderborn
  • das Dekanat der Fakultät für Kulturwissenschaften
  • die Zentrale Gleichstellungsbeauftragte
  • den Arbeitsbereich Zeitgeschichte
  • das Fach Medienwissenschaften
  • die Fachschaft Medienwissenschaften

Wir bedanken uns bei allen für die Unterstützung!


Eine Anmeldung mit Informationen über Vor- und Zuname (und ggf. Organisation) an genderzentrum[at]uni-paderborn.de

19.10.2021
„Die größte List des Teufels...“ Elemente des Verschwörungsdenkens
Florian Hessel (Ruhr-Universität Bochum)

Moderation: Dr. Sebastian Bischoff (Universität Paderborn)

Verschwörungsmythen sind populär: In Medien, Kultur und Politik, unter Erwachsenen und Jugendlichen, auf der Rechten, auf der Linken und in der Mitte. Sie sind uns allen allzu vertraut.

Obwohl sich Verschwörungsmythen mit unendlich vielen Einzelheiten und Details umgeben, ist ihre Form die personalisierende Erklärung der Welt aus einem Punkt – mit klaren, übermächtigen, und gerade deshalb verborgenen und bedrohlichen individuellen Verantwortlichen: Was wie warum geschieht und wer davon angeblich profitiert erhält eine Gestalt und ein Gesicht.

Die Kampagnen der extremen Rechten, die Kanäle ‚alternativer‘ Medienschaffender oder das Gerücht aus ‚sicherer Quelle‘ im sozialen Netzwerk – wo eindeutige Erklärungen angeboten werden, sind die angeblich einfachen Lösungen nicht weit. Verschwörungsmythen einigen Menschen über ein gemeinsames, absolutes Feindbild.

In Zeiten von Unübersichtlichkeit und anonymer Herrschaft bedienen Verschwörungsmythen die instrumentelle Logik gesellschaftlicher Struktur. Sie legitimieren kritiklose Zustimmung, Misstrauen und Kompromisslosigkeit, sie begünstigen Ressentiments wie Antisemitismus und entwerten Kritik-, Vertrauens- und Kompromissfähigkeit, die Basis für eine demokratische Gesellschaft.

Der Vortrag skizziert Geschichte und Wandel sowie wesentliche Grundlagen der gesellschaftlichen und sozialpsychologischen Funktion und Wirksamkeit des Denkens in „Verschwörungen“: Warum entfalten Verschwörungsmythen, auch gerade in Zeiten der Krise und gesteigerter Unsicherheit, Wirkungsmacht? Und lernen wir aus ihnen etwas über ein konkretes Ereignis, oder doch viel mehr über die Einzelnen und die Gruppen, die sie sich aneignen, und über den Zustand ihrer Gesellschaft?

((Im Anschluss werden wir Ansätze diskutieren, wie Verschwörungsvorstellungen im beruflichen Alltag, in politischer Bildung und Jugendarbeit zielführend begegnet werden kann.))

Florian Hessel ist Sozialwissenschaftler und lebt in Hamburg. Er ist Lehrbeauftragter der Fakultät für Sozialwissenschaft der Ruhr-Universität Bochum und des Zentrums Gender & Diversity der Universität Hamburg und arbeitet als freier Referent und wissenschaftlicher Berater in der politischen Bildung und Antisemitismusprävention. Er ist Gründungsmitglied von Bagrut e.V. Verein zur Förderung demokratischen Bewusstseins <bagrut.de>.

Zum „Verschwörungsdenken“ hat er u.a. gemeinsam mit Mischa Luy und Pradeep Chakkarath 2020 eine Themenausgabe der Zeitschrift Psychosozial herausgegeben <https://www.psychosozial-verlag.de/8291>

26.10.2021
Diskursraum Internet: Hate speech und rechtspopulistische Argumentationen 
Simone Rafael (Amadeu-Antonio-Stiftung)    

Moderation: Elena Fingerhut & Johanna Knop (Universität Paderborn)

Die Logik Sozialer Netzwerke leben von erregten Diskursen und bringt viele Menschen dazu, differenzierte Argumente hinter sich zu lassen und mit Angriffen und Abwertungen Meinung zu machen. Kein Wunder, dass also rechtsextreme und rechtspopulistische Akteur:innen die Online-Welt als ihren besten Resonanzraum verstehen, um durch offene und subtile Propaganda den politischen Diskurs zu verschieben und Stimmung zu machen gegen die Demokratie, ihre Institutionen, und gegen alle Menschen, die nicht in ihr völkisch-antimodernes Weltbild passen. In diesem Jahr sehen wir besonders viele Angriffe auf politisch aktive Frauen, Versuche der Deligitimierung von demokratischen und wissenschaftlichen Institutionen und Medien und Antisemitismus in vielfältigsten Formen. Im Vortrag geht es um die angewandten Strategien aus der rechtsextremen und rechtspopulistischen Hassblase - und wie der Stand der Gegenstrategien aktuell aussieht.

09.11.2021
Extreme Rechte in Deutschland
Dr. Jan Schedler (Ruhr-Universität Bochum)

Moderation: Dr. Anike Krämer (Universität Paderborn)

Der Vortrag bietet einen Überblick zur extremen Rechten in Deutschland. In kurzen Vorstellungen und Einschätzungen werden die unterschiedlichen Akteurstypen, inklusive ihrer ideologischen und strategischen Unterschiede, aus der Perspektive der Bewegungsforschung vorgestellt und analysiert.Neben der Identitären Bewegung geht Dr. Jan Schedler auf die neonazistische Bewegung inkl. der Kleinstparteien "III. Weg", "Die Rechte" und NPD ein, aber auch die AfD und die sogenannte "Neue Rechte" werden dargestellt.

30.11.2021
Religious Literacy
Dr. Meltem Kulaçatan (Goethe Universität Frankfurt am Main)

Moderation: Prof. Dr. Antje Langer (Universität Paderborn)

Religious literacy bezeichnet zunächst Kenntnisse und Wissen über Religion(en) im Sinne einer grundlegenden Belesenheit. Der Begriff steht damit in mittelbarem Bezug zu ähnlichen Semantiken wie (inter)(cross)cultural oder auch diversity literacy. Als eigenständige fachliche und didaktische Konzeption geht der Begriff auf die Harvard-Universität zurück. Als Thema in der Ausbildung für Lehrer*innen und Pädagog*innen zielt das Konzept auf religionsbezogene berufliche Kompetenzen, die für das pädagogische Handeln in ‚widersprüchlichen Verhältnissen‘ (Riegel: 2016) hilfreich sind. Nun könnte man ‚Religion‘ einfach unter „Kultur“ und somit religious literacy einfach unter anderen Formen der literacy subsumieren, so wie das etwa mit dem Begriff global competence in der jüngsten PISA-Studie vorgeschlagen wird. Die laufende Forschung zeigt aber, dass Lehrkräfte im schulischen Alltag spezifisch religionsbezogene Einstellung im Sinne impliziter, das heißt nicht durchdachter Führungstheorien entwickeln - und zwar unabhängig davon, ob sie sich  selbst religiös affin, religionskritisch oder indifferent verorten. Typischerweise werden solche Führungstheorien vor allem in stressgeladenen Situationen als entlastend empfunden. Zugleich aber geben Lehrkräfte in Interviews ihr „Unbehagen“ und ihre
„Handlungsverlegenheit“ zu Protokoll, wenn es um Religion(en) geht. Konzeptionen, die sich an religious literacy orientieren, sind durchaus vielfältig; sie können sich auf theologische, religionswissenschaftliche, anders religionsbezogene Expertise oder auch auf die originale Begegnung beziehen. Entscheidend ist ihr regelgeleitetes fachliches und didaktisches Arrangement. Dabei geht es darum, dass Gesellschaft als eine Rahmung verstanden wird, in der Religiosität nicht nur systematisch und inferenzlogisch, sondern funktional – das bedeutet: als Deutungshorizont des Individuums in seinem Bezug zur sozialen Umwelt betrachtet wird. Der Vortrag bietet eine Einführung und einen Aufriss in das hier vorgestellte Konzept.

14.12.2021
Erziehung und Integration männlicher, muslimischer Jugendlicher 
Prof. Dr. Ahmet Toprak (Fachhochschule Dortmund)

Moderation: Matthias Philipper (Universität Paderborn)

Die sozialstrukturelle Benachteiligung in der Bundesrepublik Deutschland hat der Soziologe Ralf Dahrendorf in den 1960er-Jahren mit folgenden Worten beschrieben: katholisch, weiblich, ländlich.  Basierend auf Dahrendorfs Formel haben die Bildungsforscher der internationalen PISA-Studie im Jahre 2015 die Ergebnisse in einem neuen Dreiklang zusammengefasst: muslimisch, männlich, aus der Großstadt. Das heißt, die neuen Bildungs- und Integrationsverlierer sind männlich, Muslime und leben in der Großstadt der alten Bundesländer. Welche Faktoren tragen dazu bei, dass die neuen Bildungsverlierer junge männliche Muslime sind? Das werde ich anhand von fünf zentralen Thesen ausführen. 

11.01.2022 Rassismus – Macht – Schule. Rassismuskritische Perspektiven auf die pädagogische Handlungspraxis und Professionalisierung angehender Lehrer*innen in Migrationsverhältnissen
Dr. Aysun Doğmuş (Helmut-Schmidt-Universität/Universität der Bundeswehr Hamburg)

Moderation: Dr. Claudia Mahs (Universität Paderborn)

Mit dem Vortrag werden migrationsgesellschaftlich bedeutsame, rassismusrelevante Differenz- und Herrschaftsverhältnisse im Professionalisierungsprozess angehender Lehrer*innen beleuchtet. Aufgezeigt wird die (Re-)Produktion des Rassismus, die sich an der Strukturlogik migrationsgesellschaftlicher Klassifikationen im Ausbildungsfeld dokumentieren lässt. Rassismus zirkuliert dabei in gewöhnlichen Wissensbeständen und legitimen Argumentationen und fädelt sich zugleich in widerständige Praktiken ein.

25.01.2022
Rassismuskritik der Universität
Prof. Dr. Paul Mecheril (Universität Bielefeld)

Moderation: Dr. Lena Weber ​​​​​​​(Universität Paderborn)

In meinem Vortrag möchte ich mich mit einigen Fragen beschäftigen, die mit einer rassismuskritischen Auseinandersetzung mit der Universität, verstanden als Institution der Schaffung wirksamen Wissens, verbunden sind. Zunächst möchte ich Gründe angeben, die deutlich machen, warum eine Rassismuskritik der Universität bedeutsam ist, um sodann der Frage nachzugehen, worin das allgemeine Anliegen der Rassismuskritik besteht. Von hier aus werde ich einige Aspekte einer rassismuskritisch inspirierten Demokratisierung der Universität vorstellen. 

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