Frottagen von Kämpfern, Pferden, Kamelen, Schiffen und Wagen bevölkern zurzeit mein Atelier. Woher kommen die Gäste?
Felsen, Steine und die Zeichnungen, die vor Jahrtausenden von Nomaden und Händlern eingraviert wurden in der Wüste Nefud und am westlichen Ausläufer der Rub al-Chali Wüste auf der arabischen Halbinsel, dominieren meinen Prozess im Atelier. Werke, die in der Zeit vom 19.02 bis 05.04 2020 vor Ort entstanden sind und Material, das ich während der Recherche in der Wüste gesammelt habe. Erfahrungen in diesem weiten und offenen Weltenraum sind für mich wie Bibliotheken unter freiem Himmel oder Räume als kulturelles Gedächtnis. Sie bilden einen Vektor zur Reflexion über Zivilisationen, Klimawandel, Wirtschaftsformen und politischen Modellen. Gleichzeitig regen sie an zum Denken und Imaginieren in neuen Zusammenhängen. Diese umzuformen und im erweiterten Kontext zu visualisieren und in meinem künstlerischen Vokabular einzuordnen, ist Gegenstand der momentanen Auseinandersetzung.
Die Situation vor Ort, war in dieser Zeitspanne etwas riskant, doch die Unendlichkeit der Wüste schützte mich vor Isolationsmassnahmen.
Frottagen von Petroglyphen dokumentieren Ereignisse Jahrtausende alter Kulturen bis zurück in die Bronzezeit. Einige sind Palimpseste mit Spuren und Zeichen bis in die Gegenwart, die nebst ihrem narrativen Charakter auch für die Forschung in historischer und anthropologischer Anschauung relevant sind. Zusammen mit den Fotografien und Steinformationen, bilden sie den Rohstoff für die künstlerische Weiterentwicklung.
Anhand dieses Fundus aus der Aussenwelt gehe ich diversen Fragestellungen nach, um die vorerst undefinierten Zusammenhängen zu dechiffrieren und in einen neuen Kontext zu bringen, für bildliche Darstellungen und Objekte.
Zusammenführung der verschiedenen Vegetationsformen seit dem Neolithikum?
Funktion und Verortung der Tiere?
Erste Mobilität und deren Veränderung?
Material und Werkzeug für die Bewältigung des Alltags und dessen Gefahren?
Dies in Relevanz zu: Figur/Inhalt, Material/Textur, Überlagerung/Palimpsest, Form/Gestalt, Format/Technik, Farbe/Struktur.
Nebst anderen Interessensbereichen befasse ich mich seit etlichen Jahren mit Petroglyphen in Zentralasien, dem Kaukasus und neu der arabischen Halbinsel. Nebst den Motiven und Techniken in den verschiedenen Gegenden, ändert sich auch der kulturhistorische Kontext und gibt Aufschluss über soziale, anthropologische, geografische und geologische Konstellationen, Transithandel, Fauna und Flora bis in die Gegenwart. Diese Faktoren motivieren mich kontinuierlich tiefer zu ‘graben’.
Ebenso Gegenstand der täglichen Auseinandersetzung ist das Buchprojekt ‘Buch im Buch’, BiB.
Bild und Text gehen eine Verbindung ein indem der visuellen Betrachtungsweise der sprachliche Kontext gegenübersteht. Das Buch geht wissenschaftlichen Fragen nach und ist parallel ein Medium zur Bewahrung von Erinnerungen. Das Projekt mit der Verlagerung des Ateliers in ferne Kulturräume über mehrere Zeiträume synchronisiert diese Zeitreise, geht manchmal auch Rätselhaftem nach und öffnet ein neues Vokabular. Der ‘Stoff’ dazu ist gebündelt!
Im Fokus ist auch die für November geplante Einzelausstellung in der Schweiz mit noch zu definierendem Thema.
Zwischendurch geht mein Blick zum Berg Pilatus oder auf der gegenüberliegenden Seite des Ateliers zu den vorbeifahrenden Zügen Richtung Süden. Heute, wo in vielen Gegenden der Welt die Zahlen der COVID-19 Fälle wieder steigen, empfinde ich es als ein Privileg mich dieser umfassenden, spannenden Auseinandersetzung widmen zu können.