Nach­richt aus den Kul­tur­wis­sen­schaf­ten

Kol­lek­ti­ve Kre­a­ti­vi­tät und po­li­ti­sche Kunst beim Ab­schluss des Se­mi­nars „Ar­ti­vism. Crea­ti­vi­ty and Ac­ti­vism“ mit Vi­vi­en Gold­man an der Uni­ver­si­tät Pa­der­born

Am Freitag präsentierten Studierende des BA/MA-Studiengangs „Populäre Musik und Medien“ an der Universität Paderborn ihre Ergebnisse des Seminars „Artivism. Creativity and Activism“, das im Rahmen der 6. Popdozentur von der renommierten Musikjournalistin, Autorin und Musikerin Vivien Goldman geleitet wurde. Im Mittelpunkt der Veranstaltung im AStA-Stadtcampus stand eine ungewöhnliche, künstlerisch-politische Performance zwischen Theater, Musical, Filmprojektion, Spoken Word, Soul und Punk: Eine inszenierte Beerdigung, die bewusst offenließ, wer oder was zu Grabe getragen wurde – war das US-Amerika, Paderborn oder die Demokratie? Das Publikum wurde per Zettel zum Ausfüllen zum Nachdenken eingeladen, während musikalische Beiträge, künstlerische Videos und Gedichte auf vielstimmige Art und Weise gesellschaftlich relevante Themen verhandelten.

„Wir haben ein fantastisches Experiment gemacht, und ich finde, es hat wunderschön funktioniert. Ich hatte die Zuversicht, dass ich in Paderborn eine Vielzahl unterschiedlicher künstlerischer Kompetenzen finde, mit denen sich eine solche Show sehr schnell auf die Beine stellen lässt“, resümiert Vivien Goldman. Die britische Musikikone, die als „Punk Professor“ international bekannt ist und zu den ersten weiblichen Musikjournalistinnen der späten 1970er-Jahre zählt, war beeindruckt von den Talenten vor Ort: „Es gibt hier eine ganz eigene, originelle Musik – die kann mit allem mithalten, was ich sonst höre. Hinzu kommt das starke Engagement bei Produktion, Grafik sowie Organisation. Das Team hier war brillant, ich habe mich wirklich in Paderborn verliebt.“

Für viele Studierende war das Seminar eine außergewöhnliche Erfahrung – sowohl künstlerisch als auch persönlich. Felix Kaup berichtet: „Ich hätte nie gedacht, dass das Seminar so verlaufen würde. Es war zwar mehr Aufwand als gedacht, aber ich bin froh, dass ich mitgemacht habe. Vivien hat einen wirklich über die eigene Komfortzone hinausgebracht.“ Besonders die Arbeit in einem ungewohnten Bereich empfand er als bereichernd: „Ich war im Video-Department eingeteilt, obwohl ich sonst mit Videos kaum Berührungspunkte habe. Gerade im Studiengang ‚Populäre Musik und Medien‘ war das eine willkommene Abwechslung zum Medium Musik.“

Sein Fazit: „Ich kann das Seminar jedem empfehlen – die Inhalte sind äußerst interessant, vor allem durch Vivien, die eine unfassbar spannende Persönlichkeit mit einer außergewöhnlichen musikalischen Biografie ist.“

Nach der bewegenden und anregenden Vorführung klang der Abend entspannt auf der Terrasse des AStA-Stadtcampus aus. Hier kamen Studierende, Dozierende und Gäste ins Gespräch und reflektierten die Erfahrungen der vorangegangenen Wochen.

Prof. Dr. Christoph Jacke, Mit-Initiator der Paderborner Popdozentur und stellvertretender geschäftsführender Direktor des Forschungszentrums „C:POP. Transdisciplinary Research Center for Popular Music Cultures and Creative Economies“, hebt die Bedeutung des Formats hervor: „Vivien Goldman arbeitet sehr transdisziplinär zwischen Musik, Künsten, Journalismus und Forschung – und ist daher ideal für das C:POP und unsere Studierenden. Besonders bemerkenswert ist ihr Engagement, bereits in den digitalen Vortreffen alle einzubinden und kreative Teams zu bilden. Wir hoffen, Vivien wird uns wieder einmal besuchen und unterstützen kommen.“ Unterstützt wurde die Popdozentur des C:POP vom „Zentrum für Geschlechterstudien/Gender Studies“ der Universität Paderborn.

Mit Vivien Goldman war eine der wegweisenden internationalen weiblichen Stimmen der internationalen Popkultur in Paderborn zu Gast. Als weltweit bekannte Autorin („Revenge of the She-Punks“), Musikerin („The Flying Lizards“), Regisseurin, Songschreiberin (u.a. Massive Attack) und Lehrende am „Clive-Davis-Institute of Recorded Music“ der New York University überschreitet Goldman seit Jahrzehnten Genre-Grenzen und verweist auf die gesellschaftliche Sprengkraft von Musik. Das 2024 erschienene Buch „Rebel Musix, Scribe on a Vibe: Frontline Adventures Linking Punk, Reggae, Afrobeat and Jazz“ der gebürtigen Britin, die in New York und auf Jamaika lebt, ist eine journalistische Reise durch fünf Jahrzehnte feministische Popgeschichte und unterstreicht die Verbindungen zwischen Musik, Politik und Kultur.

Die Ergebnisse aus dem Seminar „Artivism. Creativity and Activism“, in dem zusätzlich die etablierte deutsche Musikjournalistin Christina Mohr (Frankfurter Rundschau, Musixexpress, Missy Magazine, Spex) eine Session belebte, zeigen eindrucksvoll, welch großes kreatives Potenzial an der Schnittstelle von Kunst, Musik und politischem Engagement in Paderborn lebt – und wie aus der Begegnung mit internationalen Akteur*innen Neues entstehen kann. Wer also symbolisch zu Grabe getragen wurde, verblasste hinter der Geburt eines kreativen, gemeinsamen Erlebnisses, so auch Prof. Jacke in seinen abschließenden Dankesworten an Vivien Goldman und die Studierenden.

Text. Paul Schuldig

Fotos: Paul Schuldig, Joshua Wick, Dr. Johanna Sackel

Kontakt: Prof. Dr. Christoph Jacke