„Was wolltet ihr Markus Kavka schon immer fragen?“: Mit diesen Worten leitet Prof. Dr. Christoph Jacke, Studiengangsleiter von Populäre Musik und Medien (BA/MA) und stellvertretender Geschäftsführer von C:POP. Transdisciplinary Research Center for Popular Music Cultures and Creative Economies, die offene Diskussion mit Markus Kavka ein. Diese findet im Rahmen des Seminars „Post Punk, New Wave und Synthie Pop: Subkulturen, Mainstreams, Gender und Zeitgeister“ an der UPB statt und ist die erste von zwei Gelegenheiten, an diesem Tag mit dem berühmten Musikjournalisten, Podcaster und Moderator Markus Kavka ins Gespräch zu kommen, der schon selbst zwei Mal die Popdozentur des Studiengangs Populäre Musik und Medien innehatte und damit zusammenhängend Seminare leitete und an der „Popkritik“ teilnahm.
Markus Kavka ist bekannt durch seine Moderationen bei Viva und MTV und hat „die Großen der Popmusik eigentlich alle interviewt“, so Prof. Jacke. Von Phil Collins über Chester Bennington bis hin zu Madonna, Maria Carey, Nick Cave und seiner großen popmusikalischen Liebe Depeche Mode. Markus Kavka hat mit ihnen gesprochen und mit dem oder der einen oder anderen auch mal einen Gin getrunken, wie er später bei der abendlichen Lesung seines Buches „Markus Kavka über Depeche Mode“ erzählt.
„Ist das noch Punkrock?“
Die Podiumsdiskussion wurde durch die Studierenden des Seminars von Prof. Jacke angeleitet und moderiert. Nach einem kurzen Einstieg über die Seminarinhalte wurde dem Gast aus Berlin direkt die erste Frage gestellt: Wie weit geht Punk?
Punk sei im Geiste immer dagegen, antwortet Kavka. Deswegen sei eine Punkband in den Charts in einer schwierigen Situation – auf der einen Seite sei sie gegen das Establishment, auf der anderen Seite sei sie auch Teil davon. Eine fortschreitende Kommerzialisierung, zum Beispiel der Verkauf von Shirts der Ramones beim schwedischen Fast-Fashion-Giganten H&M, kann kein Punk mehr sein. Dabei ist Mode natürlich auch ein großer Teil des Punks:
„Wenn man Punk sein will, ist es vielleicht gar nicht verkehrt, wenn man das optisch an Kleinigkeiten erkennt, dass man sich findet – oder aus dem Weg geht. Sonst gab’s auch mal Ärger.“
Wie Synthesizer Musik demokratisierten
„Ich finde es Wahnsinn, dass ich im Unikontext über Synthie-Pop sprechen darf!“, ruft Kavka aus, als die Studierenden das nächste Thema der Podiumsdiskussion anschneiden: Welcher Klang die Achtziger geprägt hat, und was das neue Instrument „Synthesizer“ damit zu tun hatte.
Der Synthesizer hätte im Laufe der Achtziger die Musik demokratisiert, so Kavka, weil er jedem und jeder zu Hause die Möglichkeit geboten hat, neue Klänge zu erzeugen. Damit wären klangliche Experimente nicht mehr auf Tonstudios beschränkt gewesen. Und gerade durch diese künstlich erzeugten Klänge sei die Musik- und Tonproduktion einen großen Schritt nach vorne gegangen. „Das Instrument hat der Zeit gegeben, was sie gebraucht hat – und die Zeit, was das Instrument gebraucht hat.“
Dass heutzutage Klänge und Songs der achtziger Jahre wieder aufgegriffen würden, hinge für ihn eng damit zusammen. Es seien ähnliche gesamtgesellschaftliche Probleme und Diskussionen, denen die Menschen von heute gegenüberstünden, daher passt es auch, dass die Musik dieser Zeit ein neues Hoch erlebe.
Musik, Journalismus und das allgegenwärtige Thema KI
Aus dem Plenum kommt die Frage, ob sich die Entwicklung des Synthesizers mit der von Autotune vergleichen lasse, und im erweiterten Blick, mit dem Einsatz von KI in der Musikproduktion und im Journalismus. Darauf hat Kavka eine klare Antwort: Wie auch Autotune sei KI ein Werkzeug, wenn auch ein sehr vielseitiges. KI könne keine Emotionen, und somit keine Haltung erzeugen. Beides seien aber notwendige Komponenten für gute Musik wie auch guten Journalismus, und daher werde KI auch in Zukunft ein Werkzeug bleiben und eher nicht zum kreativen Erzeuger werden.
Schließlich stellt Prof. Jacke dem Gast Markus Kavka noch die Frage in Anspielung auf kalte, dunkle Musikstile und Zeiten der Achtziger, nämlich, was sein kältestes und was sein heißestes Interview war. „Das kälteste Bon Jovi – das heißeste Madonna“, antwortet der Journalist und winkt weitere Nachfragen lässig ab.
Die Lesung: „Markus Kavka über Depeche Mode“ im Deelenhaus
Von der Universität geht es nun in die Kernstadt von Paderborn. Nur ein paar Schritte vom Dom entfernt füllt sich wenige Stunden später das ausverkaufte Deelenhaus mit Gästen, die zur Lesung von Kavkas Buch „Markus Kavka über Depeche Mode“ strömen. Das Buch von 2020 erschien in einer Reihe von Kiepenheuer & Witsch, in der in jedem Band einem Star besondere Aufmerksamkeit durch prominente Autor*innen geschenkt wird. So gibt es neben Kavkas Hommage etwa auch Bände über Frank Ocean von Sophie Passmann, über die Toten Hosen von Thees Uhlmann, über Nick Cave von Tino Hanekamp oder Madonna von Lady Bitch Ray.
Die Zuschauer*innen erwartet im Deelenhaus allerdings nicht nur die Bandgeschichte der Synthie-Pop Legenden gespickt mit ein paar kenntnisreichen, journalistischen Songtextanalysen. Kavka hat für seine multimediale Präsentation neben Videos und kleinen Performances (z.B. den Wavertanz) außerdem Fotos aus seiner Jugendzeit, den Anfangsjahren von Depeche Mode, mitgebracht, auf denen Kavka in bester Gothic-Kluft in Musik-Clubs u.a. in München und Berlin unterwegs ist: Damit schaffte er es sogar in die „Bravo“ – eine Originalausgabe wurde ihm im letzten Jahr von einer Leserin seines Buches geschenkt, die über das Kapitel stolperte und selbst die „Bravo“ sammelt. Außerdem zeigt der stets über sich selbst auch witzelnde Journalist Interviewausschnitte, in denen er professionell mit den Mitgliedern von Depeche Mode spricht. Im Nachhinein deckt er auf, dass nicht alles immer so glatt lief, wie es vielleicht ausgestrahlt wurde: Von plattgefahrenen Autoreifen bis zu nicht ganz abgeklärten Live-Ausstrahlungen und chaotischen Gesprächen bei „Rock am Ring“ schildert Kavka seine Erlebnisse rund um die Band, von der er selbst sein Leben lang ein großer Fan sei.
An diesem Abend kamen auf jeden Fall nicht nur Depeche Mode-Fans auf ihre Kosten. Markus Kavka hat mit seinen Zuhörer*innen eine sehr persönliche und unterhaltsame Zeitreise in die achtziger Jahre und deren Musikstile, Moden, Frisuren, Bands angetreten, die neben tiefen Einblicken in den Musikjournalismus mit ihren Anekdoten und Fotos aus der Zeit durchaus auch Nostalgie hervorgerufen hat. Die Liebe zur Musik und zu dieser Band hätte ihm stets Trost und Halt gegeben, wie es sein absoluter Lieblingssong der Band tituliert: „Never Let Me Down“. Ob der Mantel aus Taft-Stoff und die Schnallenschuhe aus seinen Goth-Jahren allerdings nochmal aus dem Schrank geholt werde, bleibt laut Kavka abzuwarten: „Nach Paderborn und an die dortige Uni würde ich jedenfalls immer wieder sehr gerne kommen.“
Text und Fotos: Alyssia Ron